Suche
Close this search box.
04/11/2021
Agile Mitbestimmung - Betriebsrat
04/11/2021
rexx systems news

Mit agiler Mitbestimmung zum Betriebsrat 2.0

Startups haben ihn meist gar nicht erst. Für Unternehmen, die sich agil aufstellen wollen, ist er oft ein regelversessener Klotz am Bein. Die Rede ist vom Betriebsrat. Entgegen manchen Vorurteilen schließt die Arbeitnehmervertretung eine agile, iterative Mitbestimmung allerdings gar nicht aus und sie kann sogar Vorteile mit sich bringen.

So wie der alles kontrollierende Firmenpatriarch oder gar Ausbeuter erscheint der Betriebsrat vielen als ein Relikt alter Zeiten. Er passt für sie einfach nicht in diese neuen agilen Welten, die sich auftun. Und schon gar nicht in dieses New Work“, von dem überall die Rede ist. Die meisten Startups verzichten bei der Gründung bereits komplett darauf. Denn natürlich gehört es auch zu den Aufgaben des Betriebsrates als Gremium, darauf zu achten, dass sich die Beschäftigten bei aller neu gewonnenen Freiheit, überall und zu jeder Zeit zu arbeiten, nicht selbst ausbeuten oder ausbeuten lassen.

Agile-Mitbestimmung

Und zum Teil scheint die Arbeitnehmendenvertretung dahingehend tatsächlich etwas unbeweglich zu sein, weil sie auf eine wie in Stein gemeißelte Betriebsverfassung und entsprechende Gesetzgebung pochen. Das muss aber nicht sein, denn wie der Persoblogger Stefan Scheller schreibt, kann man § 75 Abs. 2 BetrVG auch als „Auftrag interpretieren, New Work sowie agile Arbeit und Selbstbestimmung voranzubringen.“

New Work ist Interpretationssache

New Work und Agilität gehören heute irgendwie zusammen, um die neuen Arbeitswelten zu gestalten. Aber New Work weicht nach heutigem Verständnis, das oft eher in Richtung Remote Work geht, vielfach von dem Ursprungsbegriff ab. Der deutsch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann hatte dabei nämlich vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung und Gefahr von Massenarbeitslosigkeit um 1980 an Auswege aus der fortgesetzten Lohnabhängigkeit gedacht. Zentrale Werte der von ihm gegründeten gleichnamigen Bewegung sollten die Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gesellschaft werden. Und die finden sich auch in den fünf Prinzipien der 2019 von Markus Väth postulierten New Work Charta für Unternehmen wieder. Dazu gehören das Schaffen von Freiheiten für Experimentierräume, Eigen- oder Selbstverantwortung mit Blick auf Selbstorganisation sowie Entwicklungsmöglichkeiten durch kollektive Entscheidungen und Lernstrukturen. Und das wäre doch auch im Sinne der modernen Arbeitnehmervertretung.

Der Weg zur iterativen Betriebsverfassung

Mehr Eigenverantwortung, eine „Agile Leadership“, agile Arbeitsweisen und flexiblere Arbeitszeiten sind schließlich auch im Sinne vieler Arbeitnehmenden. Aber dazu müssen die beiden Tarifparteien, die Arbeitnehmenden- wie die Arbeitgebervertretung, auch bereit sein, von ihren alten Denkweisen und Feindbildern abzulassen und vielmehr zu einem Miteinander finden. Das Personalwesen beziehungsweise die HR-Abteilung kann hierbei eine wichtige Rolle als Mittler oder Mediator spielen.

Was Not täte, wären ein agiler Betriebsrat 2.0 sowie eine iterative Betriebsverfassung und Mitbestimmung, wie sie der Persoblogger beschreibt. Iterativ bedeutet eigentlich, sich in mehreren Wiederholungen einer Lösung oder einem Ziel anzunähern. Im Zusammenhang mit agiler Führung und der Idee vom Betriebsrat 2.0 ist hier aber die ständige Bereitschaft der beiden Tarifparteien gemeint, aufeinander zuzugehen und die Betriebsverfassung flexibel anzupassen, wenn es dem Unternehmen und der Arbeitnehmerschaft dient. Die Vorteile einer solchen iterativen Mitbestimmung sind die, dass die Tarifparteien beide agiler werden, um flexibel auf Veränderungen zu reagieren und diese gemeinsam zu tragen. Das kann auch in Form einer neuen Betriebsvereinbarung geschehen.

Betriebsvereinbarungen eröffnen viele Wege

Iterative Betriebsverfassung ist eigentlich zu viel gesagt. Denn die Betriebsverfassung ist laut dem Gabler Wirtschaftslexikon die arbeitsrechtliche Grundordnung zwischen Arbeitgebenden und den Arbeitnehmenden. Die Betriebsvereinbarung dagegen gilt als das zentrale Instrument der Arbeit des Betriebsrats beziehungsweise der Arbeitnehmendenvertretung. In der Regel handelt es sich dabei um eine Übereinkunft zwischen diesen beiden Parteien. Und die ist genau wie Gesetze oder Tarifverträge rechtsverbindlich. Wie vom Bund-Verlag erklärt, lassen sich darüber zum Beispiel die Kleiderordnung im Betrieb, Rauchverbote oder unterschiedliche Arbeitszeitmodelle wie Gleich- oder Vertrauensarbeitszeiten regeln. Wenn sie entsprechend formuliert sind, können Betriebsvereinbarungen somit auch den Weg zu flexiblerer, agiler Arbeit freimachen. Die meisten Themen betreffen gemäß § 87 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) mitbestimmungspflichtige Dinge. Davon abgegrenzt gibt es aber auch freiwillige Betriebsvereinbarungen, die nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen.

Die Vorteile agiler Mitbestimmung

Die beiden Tarifparteien sind übrigens laut Betriebsverfassungsgesetz dazu angehalten, ein harmonisches Miteinander zu finden und konstruktiv zusammenzuarbeiten. Und das „wird in der Zukunft für Unternehmen noch erfolgsrelevanter als bisher, um schnelllebige und komplexe Veränderungen zeitnah umsetzen zu können“, heißt es in einem Blogbeitrag in Management Circle von Sandra Bierod-Bähre. Das Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BVAU) war langjährige HR-Leiterin der mittelständischen KIND Gruppe und der Peek & Cloppenburg KG mit über 15.000 Mitarbeitenden. Wie sie schreibt, erlebe sie aktuell eine Veränderungsintensität wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Arbeitnehmende forderten heute eine stärke Selbstorganisation. Das trifft besonders auf Jüngere der Generation Z zu. Starre Organigramme würden zugleich zunehmend aufgebrochen. In diese umfangreichen Veränderungsprozesse müsse der Betriebsrat eingebunden werden, um die Akzeptanz der Belegschaft nicht zu gefährden. Die Mitbestimmung könne Prozesse freilich auch behindern. Wenn sie jedoch konstruktiv ist und auf einem stabilen Vertrauensverhältnis fußt, kann sie auch neue Kräfte freisetzen. Um die Vorteile agiler Mitbestimmung erlebbar zu machen, arbeitet die HR-Spezialistin Bierod-Bähre seit geraumer Zeit nach dem Scrum-Prinzip und einem „Mitbestimmungsmaster“. Letzterer sei notwendig, um die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung davon abzuhalten, wieder in alte Verhaltensweisen zurückzufallen und sie darauf zu trainieren, künftig ohne Unterstützung von Dritten erfolgreich zusammenzuarbeiten. Übrigens: Wie sich Scrum im Personalmanagement nutzen lässt, um zu einer agilen HR zu kommen, zeigt dieser Beitrag von rexx systems.

Die etwas andere DGB-Sicht

Liest man den Beitrag von Scheller oder den der Mediatorin Britta Redmann („New Work: Mit dem Betriebsrat im Bälleparadies“) scheint der Betriebsrat tatsächlich oft der „Verhinderer“ neuer Arbeitsformen zu sein. Anders stellt sich das für das DGB-Debattenmagazin Gegenblende dar. Da heißt es, der bereits 2001 geschaffene §28 BetrVG biete Betriebsräten einen „guten Rahmen, bei agilen Organisationsformen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer weiter voranzubringen. Innovative wie mutige Betriebsräte können hier die Betroffenen zu Beteiligten machen.“

In Unternehmen mit über 100 Beschäftigten könne der Betriebsrat einen Teil seiner Rechte und Möglichkeiten an Arbeitsgruppen übertragen, die zum Beispiel mit der Arbeitgebervertretung unabhängig über flexiblere Arbeits- und Urlaubszeiten beraten dürfen. In Zukunft würden an den Spitzenstellen weniger Fachleute gefragt sein, sondern Kommunikations- und Organisationstalente sowie die Fähigkeit, Menschen, Wissen und Systeme schnell und wirksam zu vernetzen. Da Vertrauen so wichtig sei, plädiert der Gegenblende-Beitrag zudem dafür, demokratisch zu entscheiden, wer managen soll. Der Autor Dieter Hexel nennt zwar Beispiele, wo das in Teilen funktioniert, agile Führung sehe auch basisdemokratische Ansätze vor, aber das große Ganze in demokratische Hände zu legen, führe dann doch oft zu weit.

Aufeinander zugehen, ist ein guter Anfang

Das zeigt die unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven zur Institution des Betriebsrates. Scheller weist in seinem Persoblogger-Beitrag zum Schluss auf ein Interview hin, dass er mit Julia Bangerth, COO und CHRO (Personalvorständin) der DATEV, geführt hat. Eine Antwort, was die HR mit Blick auf den agilen Betriebsrat und Mitbestimmung 2.0 tun kann, bleibt offen. Aber Bangerth hat als HR-Chefin ihrer Zeit allen Beteiligten erstmal das Du angeboten, wie sie es von ihren vorwiegend englischsprachigen Jobs gewohnt war und es in vielen agilen Unternehmen immer mehr Schule macht. Darüber hinaus ist sie auch immer auf Ausgleich zwischen den Tarifparteien bemüht. Und dieses Aufeinander-Zugehen-Können ist schon ein guter Anfang auf dem Weg zu agiler Mitbestimmung im Unternehmen.

Besonders die Zusammenarbeit zwischen HR-Abteilung und Betriebsrat sollte reibungslos verlaufen, denn in einigen Punkten kommt es zu Überschneidungen in der Arbeit beider Parteien. Allein beim Thema Personalplanung müssen sich die beiden Unternehmensbestandteile gut abstimmen. Dem Betriebsrat steht das Recht zu, über alle Personalfragen, Stellenausschreibungen sowie Personalkosten im Bilde zu sein. Eine HR-Software wie die von rexx systems kann die nötige Transparenz und Echtzeit-Verfügbarkeit der Informationen schaffen.

Eine im Vorfeld gut abgestimmte Vorgehensweise erspart eine Menge Konflikte im Nachhinein. Aber nicht nur das Thema Stellenplan ist für beide Seiten relevant. Auch Themen hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, die ebenfalls durch New Work revolutioniert wurden, spielen eine Rolle. Um hier erfolgreich auf einen Nenner zu kommen, ist eine offene Kommunikation wichtig. HR-Abteilungen sollten dementsprechend den Betriebsrat nicht als ihren Gegner ansehen, sondern lieber als einen Mitspieler, wenn es darum geht, neue Modelle gegenüber der Geschäftsleitung vorzustellen.

Generell stellt eine gelungene Zusammenarbeit zwischen HR-Abteilung und Betriebsrat die Weichen für eine agilere Zusammenarbeit. Insofern beide Seiten offen miteinander kommunizieren können, ist es leichter für HR-Abteilungen, neue Veränderungsvorschläge und Zielvereinbarungen einzubringen und die Vorteile dem Betriebsrat aufzuzeigen. So ist es sinnvoll, neue Regularien und Verordnungen hinsichtlich New Work gemeinsam auszuarbeiten, um die Vorstellungen beider Gruppen zu beachten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Jetzt kostenlos testen!