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16/04/2020
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16/04/2020
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Corona-Krise: Was tun mit dem Personal?

Trotz der Corona-Krise geht das Leben weiter, nicht aber das Geschäft – vorerst. Die Lufthansa verliert pro Stunde eine Million Euro an Liquidität, Volkswagen zwei Milliarden Euro pro Woche. Airbus reduziert die Produktion um ein Drittel. Und das sind nur drei prominente Beispiele. Ganze Branchen mit mittelständischen Betrieben sehen sich mit nie dagewesenen Herausforderungen konfrontiert. Gleichzeitig steigert Moldex die Produktion von Schutzmasken um 50% und Dräger weitet die Produktion von Beatmungsgeräten und Schutzausrüstung aus, Amazon beabsichtigt über 100.000 neue Mitarbeiter einzustellen.

Nachdem Homeoffice und Kurzarbeit organisiert, die Mieten gekürzt und die Corona-Soforthilfen beantragt worden sind, stellt sich nun die unbequeme wie drängende Frage, wie es nach den Einschränkungen weitergeht? Die Optimisten erwarten eine V-Kurve der wirtschaftlichen Entwicklung, die Realisten eine U- oder eine W-Kurve und die Pessimisten eine L-Kurve. Für jedes Geschäftsmodell stellt sich die Lage anders dar. Keiner weiß es. Und das Personalmanagement fragt sich:

Wie machen wir mit unseren Mitarbeitern weiter? Halten? Kurzarbeiten? Entlassen?

Die Zukunftserwartung des Managements determiniert die Entscheidung. Alle müssen anhand sehr unvollständiger Daten weitreichende Entscheidungen treffen. Nun wäre es kühn, davon auszugehen, dass sich das Geschäft nach der Krise wieder unverändert aufnehmen lässt. Lieferketten werden verändert, Risikobewertungen überarbeitet, Lohnforderungen systemrelevanter und unterbezahlter Berufsgruppen erhoben, Geschäftsmodelle werden neu entstehen oder verschwinden. In jedem Fall wird sich durch diese Krise die Digitalisierung beschleunigen. Die Verantwortlichen müssen ins Blaue hinein Annahmen treffen, die dann über das Wohl und Wehe ihrer Belegschaft entscheiden werden.

Welche Optionen bieten sich dem Personalmanagement?

Keiner soll gehen …

Lag das ungenutzte Potenzial vor der Krise in der Kaffeeküche des Büros, liegt es heute womöglich im Homeoffice. Wer, wenn nicht die Mitarbeiter, kennen das Geschäft am besten? Warum fragen wir sie nicht, wie wir aus der Krise gemeinsam herauskommen können? Von der Entwicklung neuer Geschäftsfelder und Produkte, kostengünstigerer Arbeitsprozesse bis zu solidarischer Unterstützungsaktionen (alle verzichten teilweise, um nicht Wenige mit der Kündigung zu konfrontieren) kann und soll alles diskutiert werden. Mit Engagement aller durch die Krise – das ist die Idee.

Alle machen Kurzarbeit, damit keiner geht …

Diejenigen, die eine V-Kurve, also die rasche Erholung ihres Geschäftes erwarten, für die ist die Kurzarbeit das bewährte Mittel der Wahl. Sie befinden sich in guter Gesellschaft der Wirtschaftsweisen, die allerdings auch keine Kristallkugel in ihren Instituten zur Hand haben. Das erspart die beträchtlichen Kosten von Entlassungen ebenso wie die darauffolgenden nicht unerheblichen Rekrutierungskosten. Von den unerwünschten Bremsspuren von Entlassungsaktionen in der Motivation der verbleibenden Belegschaft ganz zu schweigen. Heute feuern, morgen heuern, ist im V-Kurven-Szenario die denkbar schlechteste und teuerste Strategie.

Ein Teil muss gehen …

Für die, die eine U- oder eine W-Kurve erwarten, und für die Pessimisten, deren Szenario eine L-Kurve beschreibt, bleibt dagegen im Hinblick auf den Personalstand nur eine Maßnahme, die mit Entschlossenheit und Konsequenz umgesetzt werden muss: Entlassungen. Sofort. If you panic, panic first, heißt es im Börsen-Sprech an der Wall Street. Wer eine langanhaltende Flaute oder ein dauerhaft reduziertes Geschäftsniveau erwartet, muss seine Kosten schnell und nachhaltig reduzieren. Der erste Verlust ist hier der geringste. Zögern kostet nur Geld und löst kein Problem. Wie bei jeder Entlassungsaktion bedeutet dieser Entschluss puren Stress.

Für die Betroffenen – klar: Sie müssen befürchten, in einem kollabierenden Arbeitsmarkt, auf lange Sicht nur wenige Chancen für einen neuen Job zu bekommen. Hilfen zur Jobsuche sind neben einer fairen Abfindung geboten.

Für die Führungskräfte – auch: Die Kündigung ist ein juristisches und kommunikatives Minenfeld. Die Führungskräfte sehen sich mit vielschichtigen Werte-, Rollen-, Loyalitäts- und Gewissenskonflikten konfrontiert. Aus der Herausforderung wird schnell eine Überforderung. Workshops für Trennungsprozesse und Kündigungsgespräche sind hier das Mittel der Wahl.

Für die verbleibenden Mitarbeiter – auch, und das wird allzu oft übersehen: Bei jeder Entlassungsaktion werden aus denjenigen, die bleiben, Überlebende. Diese Gruppe ringt mit einer widersprüchlichen Gefühlslage, dem Mitgefühl für die Betroffenen und der Erleichterung, selbst nicht betroffen zu sein, was ein schlechtes Gewissen macht. Das rührt an die Urangst im Arbeitsverhältnis – die Arbeitgeberkündigung. Und hier nimmt das Schaden (oder eben nicht), was kein Controller beziffern kann: Motivation und Engagement. Diese Crew bleibt und beobachtet ganz genau, wie ihr Arbeitgeber mit denjenigen umgeht, die entlassen werden. Nun sind das aber die Menschen auf deren Engagement der zukünftige Erfolg aufbauen soll. Das ist die wichtigste Zielgruppe! Um die Bremsspuren in der Motivation so gering wie möglich zu halten, ist eine offene und klare Kommunikation ebenso wichtig, wie ein juristisch einwandfreier Trennungsprozess und die faire und fürsorgliche Behandlung der Betroffenen mit konkreten Abfindungs- und Outplacement-Angeboten, damit die Crew, die bleibt, rasch wieder Vertrauen fasst.

Alle müssen gehen …

Geschäftsmodelle, die schon vor der Krise prekär waren, haben das Überleben nicht verdient. Das Ende mit Schecken ist dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen. Auch hier ist der erste Verlust der geringste und die Insolvenz oder Geschäftsaufgabe die angemessene Krisen-Reaktion. Führungskräfte wissen das, Mitarbeiter auch.

Reden, reden, reden!

Krisenzeit ist Redezeit – für Führungskräfte, Arbeitnehmervertreter und Mitarbeiter. Wir müssen klären, erklären, streiten und überzeugen. Und dann müssen wir handeln – jetzt und konsequent. Werden wir Fehler machen? Wahrscheinlich. Immer noch besser, als in Unentschlossenheit zu verharren. Wir nutzen das kreative Potenzial der Krise und irren uns zum Erfolg.

Clemens Kemmer

Der Autor

Clemens Kemmer (Jg. 1960) war jahrelang im nationalen und internationalen Personalmanagement in den Branchen elektronische Konsumgüter, Medien und MedTech tätig. Heute arbeitet er als Karriereberater bei fair placement. (www.fair-placement.de)

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