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23/09/2024
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Wann verfällt der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmenden? Was muss ich als Arbeitgebender beachten?

In den letzten Jahren gab es weitreichende Entscheidungen der Gerichte, was den Verfall und die Verjährung von Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmenden betrifft. Insbesondere hat die Rechtsprechung den Arbeitgebenden Hinweispflichten auferlegt, ohne die der Urlaub nicht mehr verfällt oder verjährt. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Nils Wigger von der Kanzlei Wittig Ünalp erklärt, wann Urlaubsansprüche verfallen und was Arbeitgebende beachten müssen.

Das Bundesurlaubsgesetz regelt in § 3 Absatz 1 (BUrlG), dass Arbeitnehmende einen jährlichen Urlaubsanspruch von mindestens 24 Werktagen haben. Da sich die Regelung auf eine 6-Tage-Woche bezieht, beträgt der Anspruch bei einer 5-Tage-Woche anteilig 20 Urlaubstage.

In den ersten sechs Monaten des Beschäftigungsverhältnisses im Jahr entsteht der Urlaub zeitanteilig je 1/12 pro Monat. Ab dem 1. Juli des jeweiligen Jahres hat der Arbeitnehmende Anspruch auf seinen gesamten Jahresurlaub.

Was passiert jedoch, wenn der Arbeitnehmende dem ihm zustehenden Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr nicht nimmt oder nicht nehmen kann, weil eine sehr hohe Arbeitsbelastung besteht oder der Arbeitnehmende arbeitsunfähig erkrankt ist?

Wann verfällt der gesetzliche Mindesturlaub?

UrlaubsverfallNach § 7 Absatz 3 BUrlG muss der Jahresurlaub von Arbeitnehmenden grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden, ansonsten verfällt er zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Übertragung in das darauffolgende Jahr zulässig, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmenden liegende Gründe dies rechtfertigen. Dringende betriebliche Gründe liegen beispielsweise dann vor, wenn es im Unternehmen termin- oder saisongebundene Aufträge gibt, die abgearbeitet werden müssen. Dringende persönliche Gründe sind insbesondere die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden oder auch eine Erkrankung von nahen Angehörigen, die durch den Arbeitnehmenden gepflegt werden müssen. In dem Fall der Übertragung verfällt der Urlaub mit dem 31. März des Folgejahres.

Grundsätzlich können Arbeitnehmende und Arbeitgebende auch freiwillig eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr regeln.

Die vorstehenden gesetzlichen Regelungen hat zunächst der Europäische Gerichtshof und nachfolgend auch das Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren jedoch erheblich eingeschränkt.

Hinweispflicht des Arbeitgebenden für den Urlaubsverfall

Nachdem der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, es sei grundrechtswidrig, dass der Arbeitnehmende seinen Urlaubsanspruch verliert, wenn er keinen Urlaubsantrag eingereicht hat, hat dies auch das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15) entschieden.

Das Bundesarbeitsgericht hat insofern festgestellt, dass der Arbeitgebende den Arbeitnehmenden auf die bestehenden Urlaubstage und den drohenden Verfall hinweisen muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Nur wenn der Arbeitnehmende seinen Urlaub gleichwohl nicht nimmt, kann der Urlaub verfallen.

Dies gilt für den gesetzlichen Urlaubsanspruch als auch den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmende. Wenn der Arbeitgebende jedoch keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hat, verfällt der Urlaub auch ohne Hinweis des Arbeitgebenden.

Verfall des Urlaubs bei Arbeitsunfähigkeit

urlaubsanspruch-bei-arbeitsunfähigkeitWenn Arbeitnehmende aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, den Urlaubsanspruch innerhalb des Urlaubsjahres oder bis zum Übertragungszeitraum zum 31. März des Folgejahres zu nehmen, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der gesetzliche Jahresurlaubsanspruch bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt (BAG, Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).

Hinsichtlich der Mitwirkungspflicht ist hier zu unterscheiden:

War der Arbeitnehmende das ganze Jahr durchgehend erkrankt, so verfällt der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten auch dann, wenn der Arbeitgebende seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist. Insofern hätte der Arbeitnehmende ‑ auch bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit ‑ den Urlaub nicht nehmen können.

Anders liegt die Sache aber dann, wenn der Arbeitnehmende in dem Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er langfristig erkrankt ist und seinen Urlaub nicht nehmen konnte. In diesem Fall muss der Arbeitgebende seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen sein, damit der Urlaub nach 15 Monaten verfällt.

Wann müssen Arbeitgebende auf den Urlaub hinweisen?

Informationspflicht UrlaubsanspruchBestmöglich weisen Arbeitgebende die Arbeitnehmenden zweimal im Jahr auf die bestehenden Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall hin. Der erste Hinweis sollte innerhalb der ersten sechs Tage des Jahres erfolgen und der zweite Hinweis im zweiten Drittel des Jahres.

Der Urlaubshinweis so früh im Jahr ist notwendig, damit auch der Urlaub der Arbeitnehmenden verfällt, wenn diese im laufenden Arbeitsverhältnis langfristig erkranken. So hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 31.01.2024 – 9 AZR 107/20) festgehalten, dass Arbeitgebende ihrer Mitwirkungspflicht im Urlaub unverzüglich zum Jahresbeginn nachkommen müssen, wenn sie sich bei einer nachfolgenden Langzeiterkrankung des Arbeitnehmenden auf den Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten berufen wollen. Unverzüglich ist nach Ansicht des Gerichts eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-) Woche. Erkranken Arbeitnehmende in dieser Zeitspanne, so verfällt der Urlaub auch ohne Mitwirkung des Arbeitgebenden.

Der zweite Hinweis im zweiten Jahresdrittel sollte erfolgen, um die Arbeitnehmenden auf die noch bestehenden Resturlaubsansprüche hinzuweisen, damit diese die Urlaubstage noch nehmen können.

Form und Inhalt der Informationspflicht

Der Hinweis auf die jeweiligen Urlaubstage sollte in nachweisbarer Form und individualisiert erfolgen. Insofern reichen keine pauschalen Mitteilungen an alle Arbeitnehmenden, doch bitte ihre Urlaubstage zu nehmen. Empfehlenswert wäre daher ein individuelles Schreiben an die einzelnen Arbeitnehmenden, deren Empfang quittiert wird.

Wann verfällt der Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

UrlaubsanspruchDas Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.01.2023 (Az. 9 AZR 456/20) entschieden, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch der Verjährung unterliegt. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmende aus dem Unternehmen ausscheidet.

In diesem Fall kommt es gerade nicht auf die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebenden an, da der Arbeitnehmende nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu Erholungszwecken Urlaub nehmen kann. Der Urlaubsabgeltungsanspruch verjährt daher auch ohne einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebenden. Dies dürfte auch für etwaige Verfallklauseln aus dem Arbeitsvertrag und Tarifvertrag gelten, wonach Urlaubsabgeltungsansprüche verfallen, wenn sie vom Arbeitnehmenden nicht rechtzeitig geltend gemacht werden.

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Wenn der Urlaubsanspruch nicht verfällt, so könnte er jedenfalls innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist verjähren. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 266/20) entschieden, dass der Jahresurlaub zwar verjähren kann, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgebende seiner Mitwirkungspflicht hinsichtlich des Urlaubs nachgekommen ist.

Anderes gilt für den übergesetzlichen Urlaub

Die Mitwirkungspflichten und der Verfall und die Verjährung der Urlaubsansprüche gelten grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Für tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Zusatzurlaubstage sind abweichende Regelungen weiterhin möglich. Hier kann ein vorzeitiger Verfall wirksam ‑ auch ohne Hinweispflicht ‑ vereinbart werden. Wichtig sind hier jedoch eine wirksame Vereinbarung und eine klare Trennung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubstagen.

Fazit

Arbeitgebende sollten nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts penibel darauf achten, Arbeitnehmende individualisiert und möglich in nachweisbarer Form über die bestehenden Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall zu informieren. Nur in diesen Fällen verfällt und verjährt der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmenden.

Nils Wigger

Über den Autor: Nils Wigger berät und vertritt als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Wittig Ünalp Arbeitgeber bei sämtlichen individual- und kollektivrechtlichen Themen.

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