Wie viele Schildkröten leben eigentlich in New Orleans? Wenn Sie die Antwort gerade nicht parat haben, ist das kein Problem – niemand erwartet tatsächlich, dass Sie die Lösung kennen. Für Vorstellungsgespräche haben solche und andere Fragen aber eine entscheidende Bedeutung: Schließlich wollen sich Arbeitgeber und Bewerber möglichst gut kennenlernen.
Zu glatt: So locken Sie Bewerber aus der Reserve
In Zeiten des Internets ist es schwieriger geworden, Bewerber wirklich kennenzulernen. Denn je besser sie über mögliche Fragen Bescheid wissen, desto besser können sie sich auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten und sich passende Antworten zurechtlegen. So bekommt der Personaler oft nur das zu hören, was er vermeintlich erwartet.
Was möchten Sie über Ihren Bewerber wissen?
Fragen können im Bewerbungsgespräch ganz unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen – je nachdem, was Sie wissen möchten:
- die Motivation für die Bewerbung im Unternehmen
- die Persönlichkeit des Kandidaten
- seine individuellen Stärken und Schwächen
- seine Arbeitsweise
- seine persönlichen Werte und sein Charakter
- Kreativität, Belastbarkeit und Stressresistenz des Bewerbers
- Führungsqualitäten
Wählen Sie gezielt Fragen aus, die Ihnen mehr über einen Bewerber verraten. Dies kann von Gespräch zu Gespräch variieren, etwa bei Lücken im Lebenslauf, einem unerwarteten Karriereknick oder klassischen Jobhoppern.
Die 7 besten Fragen im Vorstellungsgespräch und was sie verraten
Welche Fragen Sie am ehesten zum Ziel bringen, ist natürlich höchst individuell. Die folgenden Beispiele stehen exemplarisch für geeignete Fragen, um Ihren Bewerber wirklich kennenzulernen:
1. Mit welchen fünf Eigenschaften lässt sich Ihr Charakter am genauesten beschreiben?
Um diese Frage authentisch zu beantworten, muss der Bewerber reflektiert sein und sich selbst einschätzen können.
Er beschreitet hier nämlich einen schmalen Grat zwischen arrogantem Auftreten und offensichtlicher Tiefstapelei. Der Recruiter kann durch diese Frage den Charakter seines Kandidaten besser kennenlernen. Im Idealfall wirft dieser nicht mit vermeintlich erwünschten Charakterzügen um sich, sondern gibt Ihnen einen Einblick in seine Selbsteinschätzung und kann diese auch begründen.
2. Auf welche anderen Stellen haben Sie sich noch beworben?
Die Frage mag vielleicht ein wenig indiskret wirken. Sie verrät Ihnen aber viel über die Motivation des Bewerbers. Hat er sich nur auf wenige, ausgewählte Stellen in bestimmten Unternehmen beworben? Oder sieht er sich so verzweifelt nach einer neuen Anstellung um, dass er sich bei allen Arbeitgebern bewirbt, die sich nicht bis drei auf einen Baum retten können? Stellen Sie sicher, dass der Bewerber sich nicht nur deshalb vorstellt, weil er eine Übergangslösung sucht.
3. Hand aufs Herz – was würde Ihr vorheriger Chef an Ihnen kritisieren?
Diese und ähnliche Fragen zwingen den Bewerber dazu, sich mit seinen Schwächen auseinanderzusetzen. Auch hier lohnt es sich, ehrlich zu sein: Wer seine Schwächen kennt und mit diesen reflektiert umgeht, hinterlässt einen deutlich positiveren Eindruck als der Bewerber, der sich seiner negativen Eigenschaften entweder gar nicht bewusst ist oder diese leugnet. Im Idealfall kann der Kandidat begründen, warum diese Eigenschaft seine Arbeit nicht beeinflusst: „Ich kann dickköpfig sein – umso unermüdlicher verfolge ich aber auch Herausforderungen in meiner täglichen Arbeit.“
4. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Ein Klassiker – und das zu Recht. Der Personaler erfährt, welche Pläne der Kandidat hat und wie er seine Prioritäten setzt. Nennt er zuerst die anstehende Hochzeit und Familienplanung oder seinen Job? Strebt er eine Karriere an und sieht die Stelle möglicherweise nur als Sprungbrett, oder ist genau dieser Job seine Wunschvorstellung?
5. Warum interessieren Sie sich für unser Unternehmen?
Mit diesen und ähnlichen Fragen können Personaler mehr über die Werte des Bewerbers erfahren. Hat der Bewerber keine Antwort auf diese Frage, disqualifiziert er sich selbst. Gibt er hingegen eine Antwort, können Sie daraus ablesen, was für den Kandidaten wichtig ist, etwa Arbeitsplatzsicherheit, eine gute Bezahlung, Wertschätzung oder ein gutes Betriebsklima. So kann überprüft werden, ob er zum Unternehmen passt.
6. Welcher Mensch hat Sie in Ihrem Leben am meisten beeinflusst und warum?
Der Personaler erfährt hier mehr über den Charakter des Kandidaten und was ihn in seinem Leben geprägt hat. Hier können unterschiedlichste Menschen genannt werden, vom Onkel über den ersten Chef bis hin zu einer Zufallsbegegnung. Entscheidend ist nur, dass der Kandidat seine Wahl gut begründen kann. Wenig aussagekräftig sind hingegen öffentliche Persönlichkeiten als Vorbilder, da sie zu wenig greifbar und konkret sind.
7. Welche Superkraft hätten Sie gerne und warum?
Spontaneitätsfragen zeigen, wie Ihr Bewerber mit Druck und Unsicherheit umgehen kann. Auf sie gibt es meist keine eindeutige, richtige (und damit auch keine falsche) Antwort. Entscheidend ist hier der Weg zur Lösungsfindung: Mit cleveren Antworten, einem interessanten Lösungsweg und kreativen Ansätzen kann er hier punkten und zeigen, dass er mit Herausforderungen flexibel umgeht.
So lernen Sie Ihren Bewerber noch besser kennen
Natürlich gibt es darüber hinaus noch viele weitere Fragen, die dem Recruiter viel über seinen Gesprächspartner verraten:
- Was war in Ihrem letzten Job die größte Herausforderung und wie haben Sie sie gemeistert? Wie geht der Bewerber mit Problemen um und wie löst er sie? Gibt er schnell auf oder bleibt er an der Lösung dran?
- Wie stehen Sie zu Überstunden? Der goldene Mittelweg ist der richtige. Überstunden kategorisch auszuschließen, lässt auf mangelndes Engagement schließen. Alles blind zu akzeptieren, ist jedoch auch nicht authentisch.
- Was wissen Sie über unser Unternehmen/unsere Branche? Eine klassische Einstiegsfrage, um nach dem Small Talk zur sachlichen Ebene zu wechseln. Der Bewerber kann zeigen, wie gut er sich auf das Gespräch vorbereitet hat.
- Was werden Sie an Ihrer bisherigen Arbeit vermissen? Nennt der Mitarbeiter das Team, den Chef, die Kantine oder die After-Work-Partys? Der Personaler erfährt viel über das Wertesystem und die Motivation des Bewerbers.
- Was irritiert Sie an Menschen und wie gehen Sie mit diesen Faktoren um? Gerade wenn Teamarbeit im Unternehmen großgeschrieben wird, ist es wichtig, mit den Schwächen anderer gut umgehen und sich in bestehende Strukturen einfügen zu können.
- Beschreiben Sie Ihren Arbeitsstil! Ist der Bewerber eher ein Einzelgänger oder ein richtiger Teamplayer?
- Erzählen Sie etwas über Sie, das nicht im Lebenslauf zu lesen ist! Diese sehr offene Stressfrage lässt tief blicken. Der Bewerber kann etwa Erfolge im Beruf aufzeigen, seine Stärken untermauern oder auch einen Einblick in seine Persönlichkeit geben. Auch die Wahl des Themas ist aussagekräftig – ist der Kandidat auf den Beruf fokussiert oder steht das Privatleben in einem ausgewogenen Verhältnis dazu?
- Was gehört zu Ihren größten Sorgen bezüglich der Stelle? Für diese Fangfrage lässt sich der Bewerber am besten Zeit und gibt eine wohldurchdachte Antwort – dann hat er eigentlich schon gewonnen. Eine Gegenfrage ist hingegen nicht zielführend.
Wählen Sie die Fragen für das Vorstellungsgespräch mit Bedacht. Sogenannte Stress- und Fangfragen, die den Bewerber in die Bredouille bringen, etwas “Falsches” sagen zu können, könnten einen faden Beigeschmack hinterlassen. Sie sollten – wenn überhaupt – nur dosiert eingesetzt werden, etwa wenn die Stelle eine hohe Belastbarkeit und Stressresistenz erfordert.
Nutzen Sie die Zeit besser, um Ihren Bewerber wirklich kennenzulernen. Seine intrinsische Motivation für die Bewerbung und auch für seine Arbeit, seine Stärken und Schwächen sowie sein Wertesystem zu überprüfen, ist für das Perfect Match von existenzieller Bedeutung.
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