Deutsche Personalverantwortliche sind modern und beherrschen ihr Metier. In einigen Segmenten wie der direkten Kontaktaufnahme auf Anfragen über soziale Medien gibt es aber noch Luft nach oben, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Die Nutzung sozialer Medien ist gerade bei der jungen Generation heute gang und gäbe. Wer dort aktiv ist und auch unkonventionelle Anfragen beantworten kann, punktet als moderner und effektiver Arbeitgeber. Hier gibt es für HR-Experten noch einiges zu tun.
Das zeigt die Studie BEST RECRUITERS vom career Institut & Verlag GmbH aus Wien, die zum achten Mal die Recruiting-Leistung deutscher Arbeitgeber untersucht hat. Ein Blick auf die Detailergebnisse verrät, dass deutsche Arbeitgeber zwar ihre Standardprozesse sehr gut beherrschen, bei der direkten Kontaktaufnahme zu Kandidatinnen und Kandidaten aber noch nachschärfen sollten.
Die Studie beleuchtet die Recruiting-Leistung der Arbeitnehmer nach zehn verschiedenen Kategorien. Diese sind Karriere-Website, Social Web, Mobile Recruiting sowie Inhalt, Konsistenz und „Usability“ der Online-Stellenanzeige, Bewerbungsresonanz, Kontaktaufnahme per E-Mail & Social Media und das Talent Relationship Management (TRM). Die Bewertung erfolgte jeweils in Prozentzahlen der maximal erreichbaren Punktzahl. Alle Unternehmen zusammen kamen hier in allen Kategorien auf einen Schnitt von 57 Prozent der erreichbaren Punktzahl, gegenüber den 39 Prozent im Beobachtungszeitraum 2010/11 eine deutliche Verbesserung.
Dabei ist aber auch nicht alles Gold, was glänzt. Denn in sechs der zehn Kategorien hat die Leistung der Arbeitgeber im Vergleich zum Vorjahr eher nachgelassen, so auch bei der Bewertung für die nach Bronze, Silber und Gold gestaffelten Gütesiegel. Für Bronze mussten die Unternehmen mindestens 57 Prozent der Gesamtpunkte erreichen, für Silber 67 Prozent und für Gold den Silberstatus erreichen und in ihrer jeweiligen Branche als Punktsieger hervorgehen. Statt 82 Prozent wie drei Jahre zuvor haben die 27 Unternehmen, die sich diesmal für das Gütesiegel Gold qualifizieren konnten, nur noch 76 Prozent erreicht. Bei den Silber- und Bronze-Gewinnern waren die Rückgänge weniger stark.
Aber hier nun die Kategorien, in denen sich die deutschen Arbeitgeber gegenüber 2018/19 verbessern konnten und verschlechtert haben.
Auf der positiven Seite stehen besonders:
- Inhalt der Online-Anzeigen (52 Prozent / + 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr)
- Mobile Recruiting (65 Prozent / + 2 Prozent)
- Karriere-Webseiten (79 Prozent / + 4 Prozent)
Und hier nun die Negativa:
- Usability oder Nützlichkeit der Online-Stellenanzeige (44 Prozent / -11 Prozent)
- Social Web (58 Prozent / -8 Prozent)
- Usability im Bewerbungsprozess (53 Prozent / – 13 Prozent)
Unterschiede im DACH-Vergleich
Im DACH-Vergleich bewegen sich die deutschen Unternehmen in der Kategorie „Usability im Bewerbungsprozess“ vor Österreich noch im Mittelfeld. Dabei wurden die unterschiedlichen Übermittlungskanäle für Bewerbungen genauer untersucht, wobei der Trend mit nunmehr 84 Prozent eindeutig zu Online-Bewerbungsformularen geht, während E-Mail-Bewerbungen fünf Jahre vorher mit 52 Prozent überwogen.
Soziale Medien als Teil des Recruiting-Prozess
Stärke demonstrierten die deutschen Arbeitgeber im DACH-Vergleich vor allem in den Kategorien Karriere-Website, Mobile Recruiting und Social Web.
Personalverantwortliche aus Österreich führten dagegen in der Gestaltung von Online-Stellenanzeigen. Die Schweiz und Liechtenstein lagen im Handling von Interessenanfragen per E-Mail vorn und schnitten in den Kategorien Bewerbungsresonanz sowie Usability der Online-Stellenanzeige besser ab als ihre Nachbarländer.
Die Besten gewinnen
Qualifizierte Fachkräfte bleiben begehrt. Sie kennen ihren Wert und erwarten ein attraktives Gesamtpaket aus Herausforderungen und Benefits. Arbeitgeber, die ihr Angebot auf der Karriere-Website und in Stellenanzeigen klar benennen, sammeln Punkte.
Auf den Karriereseiten finden sich mittlerweile fast flächendeckend Informationen hierzu: 95 Prozent der Unternehmen beschreiben hier etwa die Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und fast acht von zehn gehen auf die Benefits ein, die sie Talenten bieten (78 Prozent).
In Stellenanzeigen fallen diese Informationen noch stärker ins Gewicht. Hier kommt es darauf an, dass die genannten Anforderungen und Benefits in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Sie sollen Kandidaten einerseits eine möglichst realistische Vorstellung von der Position vermitteln, diese aber gleichzeitig nicht durch zu viele Anforderungen abschrecken.
In fast drei Viertel der analysierten Stellenanzeigen (73 Prozent) achten Recruiter auf ein Gleichgewicht zwischen Anreizen und den gewünschten Qualifikationen und Eigenschaften von Bewerbern. Zum Vergleich: Vor sechs Jahren war dies erst bei 15 Prozent der Job-Angebote der Fall.
Fragen von Bewerbern
Immer wieder tauchen im oder noch vor dem eigentlichen Bewerbungsprozess Fragen seitens der Kandidat*innen auf, die sich aus auf der Website gebotenen Informationen nicht beantworten lassen.
Die derzeitige Situation wirft bei Jobsuchenden besonders viele Fragen auf: Was passiert mit meiner laufenden Bewerbung? Wird die ausgeschriebene Stelle überhaupt noch besetzt? Wie sieht das Bewerbungsverfahren während der Homeoffice-Phase aus?
Einige Arbeitgeber haben besonders schnell reagiert und auf ihrer Karriere-Website Informationen zum Recruiting in Corona-Zeiten platziert. Doch gerade jetzt gilt: Egal wie informativ Website und Stellenanzeigen sind, oft bleiben trotzdem Fragen offen.
Kontaktdaten einer konkreten Person im HR, an die man sich in diesem Fall wenden kann, geben möglicherweise den Ausschlag, ob sich Kandidat*innen tatsächlich bewerben. Mehr als 70 % der Unternehmen und Institutionen geben auf ihrer Karriere-Website einen HR-Kontakt an, an den sich die Bewerbenden wenden können.
Von diesen 72 Prozent weisen 60 Prozent einen Kontakt mit konkreter Ansprechperson aus, etwa die Hälfte nur eine allgemeine Kontaktadresse oder Telefonnummer. 25 Prozent bieten BewerberInnen ein HR-spezifisches Kontaktformular, und in acht Prozent der Fälle besteht die Möglichkeit, mit einem HR-spezifischen Chatbot Kontakt aufzunehmen. Derweil geht der Trend laut rexx systems auch immer mehr dahin, dass Bewerbungen zeitnah an die jeweilige Fachabteilung gehen. Der Vorteil ist in vielen Fällen ein deutlich schnellerer und effizienterer Recruitment-Prozess.
Wenig Rückmeldungen auf Social Media
Es hat sich gezeigt, dass die Social-Media-Plattformen kaum zur direkten Kommunikation genutzt werden: Nur jede fünfte der Anfragen aus sozialen Medien wurde in einem Zeitraum von bis zu drei Tagen beantwortet (22 Prozent). Hier müssen Personalverantwortliche also noch nachlegen und Anfragen aus sozialen Medien stärker beachten, insofern sie dort überhaupt aktiv sind.
Auf die E-Mail reagierten der Studie zufolge immerhin 45 Prozent. 93 Prozent der Antworten waren in dem Untersuchungszeitraum sogar kompetent, gingen also auf Fragen ein und boten nützliche Informationen zu dem jeweiligen Thema an, so die BEST-RECRUITERS-Studie. Die Rückmeldungsrate auf Bewerbungen ist inzwischen fast flächendeckend erfreulich hoch, nur acht Prozent blieben unbeantwortet.
Der Rat an HR-Verantwortliche lautet grundsätzlich, den Fokus nicht auf eine möglichst hohe Anzahl an Profilen bzw. die Präsenz auf allen verfügbaren Plattformen zu legen, sondern stattdessen lieber weniger Accounts zu führen und diese dafür aktuell zu halten und regelmäßig Inhalte zu posten.
Mobile Recruiting steigt
Mobile Recruiting ist nicht mehr wegzudenken. Hatten vor zwei Jahren noch 52 Prozent der Arbeitgeber eine vollständig mobil optimierte Candidate Journey (Karriere-Website, Stellenmarkt, Stellenanzeige und Bewerbungsmöglichkeit), sind es 2019/20 bereits 73 Prozent. 82 Prozent der Arbeitgeber bieten eine mobil optimierte Bewerbungsmöglichkeit; den Kandidat*innen wird also zunehmend die Möglichkeit geboten, Lebensläufe per Tablet oder Smartphone mobil zu übermitteln, vor vier Jahren lag dieser Wert noch bei 46 Prozent.
Talent Relationship Management – im Kontakt bleiben
Das Thema Talent Relationship Management (TRM) ist in Zeiten des Fachkräftemangels besonders relevant. Für Unternehmen und Institutionen ist es entscheidend, mit vielversprechenden Bewerberinnen und Bewerbern in Kontakt zu bleiben, sofern sie Interesse am Unternehmen zeigen, für die vorgesehene Stelle abgelehnt wurden, künftig jedoch für andere Positionen in Frage kommen.
Hierfür bieten sich verschiedene Maßnahmen an: Das Bereitstellen eines Talente-Pools etwa, für den sich KandidatInnen auf der Karriere-Website registrieren können, das Angebot der Evidenzhaltung der Daten im Fall einer Absage, Veranstaltungen für ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder ein Empfehlungsprogramm, in dessen Verlauf MitarbeiterInnen zukünftige Kollegen und Kolleginnen vorschlagen können.
Der Trend zu TRM ist unverkennbar, aber es gibt auch noch viel brachliegendes Potenzial: 18 Prozent der deutschen Stichprobe nutzen keine Möglichkeiten zum Talent-Beziehungsmanagement, 35 Prozent der Arbeitgeber immerhin eine. In erfreulichen 47 Prozent der Fälle werden zwei bis fünf Möglichkeiten des TRM aktiv genutzt.
Fazit: Am Ball bleiben ist alles
Was die Recruitment-Leitung der deutschen Unternehmen angeht, hat sich seit der ersten Erhebung der Studie 2010/11 schon viel getan. Doch wer die richtigen Talente für sein Unternehmen gewinnen will, sollte an der Stelle nicht stehenbleiben und sich auf den eigenen Lorbeeren ausruhen. Vielmehr sollten die Arbeitgeber – auch und gerade in Corona-Zeiten – weiterhin Zeit und Geld in das Recruitment und das Talentmanagement investieren. Denn nach der Krise ist vor der Krise.
Wenn in bestimmten Branchen und Regionen nicht schon geschehen, wird sehr bald wieder die Zeit kommen, dass gerade junge Talente rar sind. Und so werden die Arbeitgeber wieder zu Bewerbern und nicht umgekehrt. Wer sich hier einen Vorsprung verschafft, wird aus dem Ringen um qualifiziertes Fachpersonal klar als Sieger hervorgehen.
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