Für reibungslose, zügige Abläufe und damit u.a. für den erfolgreichen Bestand eines Unternehmens am Markt ist die Übernahme von Verantwortung aller Mitarbeiter unabdingbar. Dies gilt für jede Unternehmensgröße. Hierarchien, Positionsbeschreibungen, Beschreibungen von Kompetenzfeldern etc. sollen helfen, den Verantwortungsrahmen eines Mitarbeiters zu beschreiben und gegen andere Funktionen im Unternehmen abzugrenzen. So die Theorie, aber wie sieht die Praxis aus?
Führungskräfte und Mitarbeiter müssen nicht nur den für ihre Funktion vorgesehenen Verantwortungsrahmen kennen, der schriftlich oder mündlich formuliert wurde, sondern sie müssen diesen Rahmen auch ausfüllen können und wollen. Eine angstfreie Fehlerkultur in einem Unternehmen begünstigt die Verantwortungsbereitschaft von Mitarbeitern positiv, ist aber auch kein Allheilmittel. Mitarbeiter, die die Übernahme von Verantwortung scheuen, kann man auf allen Hierarchieebenen finden sowie auch in allen Teilen unserer Gesellschaft. Menschen, die im Laufe ihrer Entwicklung nicht gelernt haben, für das eigene Verhalten Verantwortung zu übernehmen, tun sich in Gesellschaft und Unternehmen schwer.
Unangenehme Erfahrungen mit dem gesellschaftlichen Umfeld, so auch mit Führungskräften, die über eine geringe Fehlertoleranz verfügen, also solche, die erst nach dem Schuldigen suchen und dann nach der Lösung für die Beseitigung des Problems, provozieren ängstliche Zeitgenossen, die viel Arbeitszeit mit ihrer persönlichen Absicherung verbringen. Ein Indiz für die Scheu vor Verantwortungsübernahme sind nicht enden wollende Emailverteiler, die zur eigenen Absicherung möglichst viele Personen informiert halten sollen. Bei einem aufgetretenen Fehler sitzen somit alle Informierten in einem Boot und tragen die kollektive Verantwortung für den entstandenen Fehler.
Aus der Sicht eines Mitarbeiters, der vielleicht um seinen Arbeitsplatz bangt oder sich einfach nur gut darstellen möchte, ist dieses Verhalten nur allzu verständlich. Aus der Unternehmenssicht trägt dieses Verhalten nicht zur Wertschöpfung bei. Eine angstfreie Fehlerkultur, die Fehler zulässt und dem Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, sie zu korrigieren und in der er für die Korrektur Anerkennung erhält, fördert die Übernahme eigener Verantwortung. Auch die Übertragung von Aufgabenkomplexen im Gegensatz zu einzelnen Teilaufgaben fördert das „Sich-verantwortlich- fühlen“. Der Mitarbeiter erhält Anerkennung, wenn er „sein Projekt“ zum Erfolg geführt hat, auch wenn er auf dem Weg dahin Fehler gemacht hat. Das wiegt mehr als ein Lob für eine gut erledigte Teilaufgabe oder die saftige Kritik, wenn es schief gelaufen ist. Dies lässt sich in allen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen umsetzen.
Verantwortung im Recruitingprozess
Wie sieht es nun in dem Bereich aus, der es wissen sollte, dem HR- oder Personalbereich? In vielen Branchen kann der Personaler nur bedingt die Fachkenntnisse der Geschäftsbereiche oder der Forschungs- und Entwicklungsbereiche aufbauen. Dies führt allzu häufig in der Praxis der Personalgewinnung dazu, dass der Personaler zur „Durchreiche“ mutiert. Das Personalangebot des Marktes wird an die Geschäftsbereiche weitergegeben, die nun mal die Fachkompetenz eines Kandidaten besser beurteilen können als der Spezialist für Personalfragen. Aber was ist die Rolle des Personalers? Sein Verantwortungsrahmen umfasst die Kenntnis des Stellenmarktes, den Einsatz von erfolgsversprechenden Suchmethoden und die Sichtung und Bewertung der einzelnen Bewerbungsunterlagen (Zeugnisse, Ausbildungsnachweise, Daten etc.), weiter deren Überprüfung auf Stimmigkeit, Feststellung von rechtlichen Hürden und die entsprechende Beratung der Geschäftsbereiche. Zum Verantwortungsrahmen gehört auch der Überblick, ob die Bewerbung für andere Geschäftsbereiche interessant sein kann, damit ein guter Bewerber nicht für das Unternehmen verloren ist.
Das Bewerbungsgespräch ausschließlich vom Geschäftsbereich führen zu lassen, weil dieser die beste fachliche Kompetenz hat, hieße aus Unternehmenssicht auf einen Teil von Bewertungsmöglichkeiten zu verzichten. Für den Personaler hieße es, die Verantwortung abzugeben und seiner Rolle nicht gerecht zu werden. Der Eindruck des Personalspezialisten von einem Kandidaten hinsichtlich Auftritt, sprachlichem Vermögen, Körpersprache, Authentizität, Glaubwürdigkeit, Stil, Teamfähigkeit, kommunikativem Verhalten etc. hilft dem Vertreter des Geschäftsbereichs, seine Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten auf eine solide Basis zu stellen.
Fehlbesetzungen sind teuer
Für ein Unternehmen bedeutet eine Fehlbesetzung immer ein Verlust. Es muss neu gesucht und nachbesetzt werden. Das betroffene Team beschäftigt sich mit diesem Thema, sodass wertvolle Arbeitszeit nicht genutzt werden kann. Der Kandidat selbst ist betroffen und möglicherweise nicht gut auf seinen ehemaligen Arbeitgeber zu sprechen, wenn ebenfalls die Trennungskultur im Unternehmen zu wünschen übrig ließ.
Häufige personelle Fehlentscheidungen ruinieren das Firmenimage am Markt. Artikel über eine gute Firmenkultur, Anzeigenkampagnen und redliches Abmühen des Marketingbereichs im Rahmen von Employer Branding Konzepten bedeuten zusätzliche Investitionen und damit Kosten, können aber den Flurschaden, der durch schlechte Mund-zu-Mund-Propaganda entsteht, nur eingeschränkt auffangen. Deshalb benötigen wir wieder mehr Augenmerk auf zwei bekannte Eigenschaften – Verantwortung übernehmen und Verantwortungsübernahme zulassen, auch in der Personalgewinnung.
Die Autorin:
Corinna Diederichs
Geschäftsführung cd/Personalmanagement
www.cdpersonalmanagement.com
Südwestpark 37/41
90449 Nürnberg
Tel. +49(0)911-252 8 102
Weitere Artikel der Autorin:
Die sieben Säulen einer wertschätzenden Personalarbeit
Moderiertes Arbeiten als Basis moderner Mitarbeitermotivation
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