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30/09/2021
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30/09/2021
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Digitales Bonussystem

Digitale Sozialkontrolle, basierend auf einem System aus Belohnung und Strafen, eingebettet in ein Punktesystem oder Digitales Bonussystem – das Sozialkreditsystem, das in China bereits seit einigen Jahren als Pilotprojekt in der Umsetzung ist, belohnt Bürger für erwünschtes Verhalten und bestraft sie für unerwünschte Verhaltensweisen.

Der Zukunftskreis des deutschen Bundesforschungsministeriums hat in einem Zukunftsszenario untersucht, wie sich ein solches digitales Bonuspunktesystem in Deutschland auf die Arbeitswelt und viele weitere Bereiche auswirken würde.

Wie funktioniert das soziale Bonuspunktesystem?

Das Bonuspunktesystem in China hat vor allem einen Zweck: Die Führungsspitze möchte erreichen, dass möglichst viele Menschen ihrem Ideal vom perfekt funktionierenden Musterbürger entsprechen. Deshalb bewertet das Sozialkreditsystem verschiedenste Faktoren aus den Bereichen Finanzen, soziales und moralisches Verhalten sowie politische Auffassung. Alle Faktoren fließen in einen Score ein.

Bürger ebenso wie Unternehmen können Pluspunkte sammeln, ihre Bewertung aber auch durch unerwünschtes Verhalten verschlechtern. Wohltätige oder gemeinnützige Arbeit, Vermeidung von Schulden, heldenhafte Taten oder die Pflege von Familienmitgliedern etwa wirken sich positiv auf den Sozial-Score aus. Kritische Äußerungen gegenüber der Regierung hingegen ergeben ebenso Maluspunkte wie eine Trunkenheitsfahrt oder zu seltene Besuche bei den Eltern. Ein hoher Score eröffnet einer Person viele Vorteile (z. B. schnellere Visumerteilung, besserer Zugang zu Krediten), während Maluspunkte Bestrafungen nach sich ziehen (z. B. Behinderung der Aufstiegsmöglichkeiten im Job, Reisebeschränkungen, höhere Steuern).

Für die Punktevergabe zieht der Staat eine Vielzahl von Informationsquellen heran. Neben offiziell zugänglichen Informationen wie Meldedaten oder Bonitätsdaten gehören dazu auch das Nutzerverhalten im Internet und in Onlineshops, Social-Media-Profile bis hin Kameras an öffentlichen Plätzen in Zusammenhang mit einer Gesichtserkennungssoftware, die Aufschluss über das Verhalten in der Öffentlichkeit gibt. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass hier ein extrem weitreichendes System der digitalen Kontrolle etabliert werden soll.

Lässt sich Chinas Punktesystem auf Deutschland übertragen?

Dieses System lässt sich zumindest nach heutigem Stand nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Zu weit führten die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Bürger.

Die Erhebung so weitreichender Informationen wäre derzeit weder mit dem Datenschutzrecht noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

Und dennoch besteht die Idee, ein solches Social-Scoring-System auf Deutschland zu übertragen –wenn auch „nur“ auf freiwilliger Basis. In diesem System sollen Bürger für bestimmte erwünschte Verhaltensweisen digitale Punkte sammeln können, etwa durch ehrenamtliche Tätigkeiten, vorausschauendes Fahren im Verkehr oder umweltfreundliches Verhalten. Der Gedanke dahinter: Je höher der Punkterang, desto höher fällt auch die soziale Anerkennung aus. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Social-Score mit Vorteilen zu belohnen, etwa mit einem schnelleren Zugang zu bestimmten Studiengängen.

Doch wie würde sich ein solches System in Deutschland auswirken? Wie würde sich die Arbeitswelt verändern, das Privatleben, die Wirtschaftszweige an sich? Diese Fragen versucht der Zukunftskreis zu beantworten.

Auswirkungen auf verschiedensten Ebenen

Ein digitales Bonussystem würde sich in Deutschland in verschiedensten Bereichen auswirken – positiv wie negativ:

  • Mehr Leistungsdruck: Bedeuten mehr Punkte bessere Jobaussichten, fokussieren sich die Bürger automatisch auf eine höhere Leistung. Je mehr Punkte sie erreichen, desto leichter erhalten sie Zugang zu Bildungsangeboten oder zu Karrierechancen. Diesen neuen Aufstiegsmöglichkeiten stehen allerdings auch Klassenunterschiede gegenüber, die dadurch nur noch stärker zutage treten. Dies ist dann der Fall, wenn sozial Benachteiligte die Voraussetzungen für gern gesehene Tätigkeiten nicht mitbringen, etwa eine bestimmte Ausbildung.
  • Entscheidungen durch KI: In der Arbeitswelt 5.0 spielt künstliche Intelligenz (KI) eine noch größere Rolle. Intelligente Assistenzsysteme und Roboter übernehmen heute noch übliche Routineaufgaben. Alle Lebensbereiche sind von Elektronik und Sensorik durchdrungen. Noch größer werden die Datenmengen, die zukünftig über jeden Einzelnen in der Gesellschaft verarbeitet werden können. Auf dieser Basis wird KI umfangreiche Auswertungen vornehmen und sogar aktive Entscheidungen treffen, auch anhand des Punktesystems. Die Gefahr ist groß, dass sich der Mensch bei Entscheidungen mehr auf die Maschine verlässt als auf sein Bauchgefühl und seine menschliche Intuition. So kann es etwa beim Recruiting passieren, dass ein Bewerber auf der Grundlage von Fakten eingestellt wird, obwohl er überhaupt nicht zum Team und zur Unternehmenskultur passt.
  • Veränderte Jobprofile: Geistige Routineaufgaben übernimmt der Computer in Zukunft vollständig. Deshalb werden einige Jobs überflüssig, aber auch neue geschaffen. Zukünftig wird Know-how im informationstechnologischen Bereich noch mehr gefragt sein. Insbesondere die Programmierung der künstlichen Intelligenz erfordert große Expertise. Ebenfalls gefragt sind Jobprofile in Bereichen, die künstliche Intelligenz nicht übernehmen kann, etwa die Mitarbeiterführung, die Prozessentwicklung oder die Lösung von Problemen. Das Sozialpunktesystem entscheidet darüber, wer Zugang zu entsprechenden Weiterbildungsangeboten erhält, die für solche Stellen qualifizieren.
  • Neue Wirtschaftszweige: In der Folge entstehen auch neue Betätigungsfelder. Scoring-Coaches unterstützen Beschäftigte dabei, ihren sozialen Score zu verbessern und ermöglichen ihnen so, mehr Erfolg im Beruf und im Privatleben zu haben. Auch der Bereich der Sicherheit schafft neue Arbeitsplätze: Je mehr Daten über die Bürger erfasst und verarbeitet werden, desto größer ist auch die Gefahr von Cyberattacken – bis hin zum Identitätsdiebstahl.
  • Diskriminierung: Das Thema Diskriminierung erhält eine neue Ebene: Wer es schafft, seinen Social-Score auf ein gewisses Level anzuheben, genießt Vorteile und exklusive Dienstleistungen, die Personen mit niedrigerem sozialem Rang nicht nutzen können. So bildet sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Daran ändert es auch nichts, wenn das digitale Bonussystem auf freiwilliger Basis angeboten wird – der soziale Druck wird mit der Zeit so groß, dass sich dem kaum jemand auf Dauer entziehen kann. Hinzu kommt, dass Kranke, Behinderte und Menschen mit anderweitigen Einschränkungen keine ausreichenden Leistungen erbringen können und dementsprechend durchs Raster fallen.
  • Sinkende Motivation: Die Arbeitswelt 4.0 ist geprägt von mehr Selbstbestimmung im Job, Freiheit bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit und sinnstiftenden Aufgaben. Im digitalen Bonussystem hingegen rückt der Sinn der Arbeit in den Hintergrund – vielmehr erscheinen nur mehr jene Aufgaben relevant, die gute Bewertungen und Bonuspunkte einbringen. Doch dieses Streben nach Punkten hinterlässt beim Beschäftigten keine Zufriedenheit, sondern eine gewisse Leere. Früher oder später hinterfragt er den Sinn seiner Arbeit, bis hin zu seiner gesamten Existenz. Die ureigene Motivation, die von sinnstiftenden Aufgaben ausgeht, geht verloren und die Mitarbeiter verwandeln sich in menschliche Roboter, die mechanisch ihrer Arbeit nachgehen, ohne dabei Freude oder Selbstbestimmung zu empfinden.
  • Stress: Mit dem Bonussystem geht ein hoher Konkurrenz- und Leistungsdruck einher. In der Folge erweitert sich der soziale Wettbewerb, der die Bürger zunehmend unter Druck setzt. Langfristig leidet die Resilienz.

Ist denn wirklich alles schlecht am digitalen Bonussystem?

Selbstverständlich birgt ein digitales Bonussystem nicht nur Risiken, sondern auch eine Vielzahl von Chancen. So besteht etwa die Möglichkeit, Einkommen gerechter zu verteilen oder durch zusätzliche Vorteile mehr Anreize für Leistung zu schaffen. Auch im HR-Bereich wird sich zukünftig einiges verändern. Prioritäten verlagern sich, wenn Routineaufgaben vollends durch KI und intelligente Assistenzsysteme übernommen werden. HR wird zunehmend zur strategischen Komponente und entwickelt sich weg von der reinen Verwaltungsarbeit.

Digitales Punktesystem noch reine Zukunftsmusik

Auch wenn sich die Arbeitswelt 5.0 bereits ankündigt, kaum dass die Variante 4.0 vollständig umgesetzt wurde, befindet sich ein digitales Bonussystem in weiter Ferne. Aktuell ist es reine Zukunftsmusik – und ob es sich je über ein Zukunftsszenario hinaus entwickeln wird, ist in diesen Tagen noch nicht einmal in China gewiss.

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