Gaslighting ist eine Straftat. Doch die meisten Opfer wissen lange überhaupt nicht, dass ihnen jemand übel mitspielt. Ziel ist, den Betroffenen so zu verunsichern, dass er seinem eigenen Verstand nicht mehr traut – und dadurch zunehmend ausgerechnet von der Person abhängig wird, die ihn kontrolliert und emotional missbraucht.
Gaslighting – was ist das?
Gaslighter wollen ihr Opfer mit allen Mitteln davon überzeugen, dass es verrückt wird. Sie manipulieren den Betroffenen durch gezielte Fehlinformationen. Er kommt mehr und mehr zu der Überzeugung, dass die Realität nicht in dieser Form existiert und er seinen Verstand verliert. Er verunsichert zunehmend und weiß nicht mehr, welcher seiner Erfahrungen oder Erinnerungen er vertrauen kann und wann ihm sein Verstand etwas Falsches vorgaukelt.
Die Täter sind oft Narzissten, die sich selbst besonders wichtig nehmen. Sie genießen es, ihr Opfer zu zermürben und die Kontrolle über es zu erlangen. Das Prekäre an der Situation ist, dass Gaslighting meist überhaupt erst durch eine gewisse Nähe möglich wird. Nur wenn das Opfer dem Täter vertraut, kann dieser die Situation ausnutzen und eine enorme emotionale Abhängigkeit schaffen.
Deshalb entsteht Gaslighting häufig in Liebesbeziehungen. Am Arbeitsplatz können sowohl der Vorgesetzte als auch ein Kollege zum Gaslighter werden.
Wie man Gaslighting erkennt
Seit 2015 gilt Gaslighting am Arbeitsplatz als Straftat. Das Problem ist nur, dass es äußerst schwierig nachzuweisen ist – der Täter dreht ohnehin alles so, als wäre das Opfer nicht mehr ganz bei Verstand. Betroffene sollten hellhörig werden, wenn sie regelmäßig Aussagen zu hören bekommen wie „Da spielt dir deine Erinnerung einen Streich“, „Das bildest du dir nur ein“ oder „Sei froh, dass ich als einziger noch zu dir halte“. Hier ist ein Gaslighter am Werk, der dem Opfer einreden möchte, dass es auf der Welt ganz alleine dasteht und niemandem außer dem Täter vertrauen kann – nicht einmal dem eigenen Verstand. Hinzu kommen typische Verhaltensweisen von Gaslightern am Arbeitsplatz:
- Der Vorgesetzte überträgt dem Betroffenen Aufgaben und behauptet später, dass diese Aufträge gar nicht existieren.
- Der Täter behauptet, das Opfer hätte etwas gesagt oder getan. Es erinnert sich daran aber nicht.
- Der Gaslighter gibt vor, dass ein Ereignis nicht stattgefunden hat, obwohl der Betroffene selbst vor Ort war.
- Der Täter verändert heimlich Dinge am Arbeitsplatz oder im Büro, um das Opfer gezielt in den Wahnsinn zu treiben („Ich bin sicher, dass ich meine Autoschlüssel auf meinen Schreibtisch gelegt habe.“).
- Das Opfer gewinnt durch verschiedene Aussagen den Eindruck, an Streitigkeiten unter Kollegen oder aufgetretenen Fehlern schuld zu sein.
- Ein Kollege legt dem Opfer nahe, sich angemessener zu kleiden (obwohl dieser der Etikette entsprechend gekleidet ist).
- Der Täter erfindet vermeintliche Beweise für Lästereien hinter dem Rücken des Opfers, um das Vertrauensverhältnis zu anderen Kollegen, Freunden und der Familie zu untergraben.
- Wird ein Schuldiger für einen Fehler oder ein Problem gesucht, redet der Täter so lange auf die Person ein, bis sie am Ende selbst glaubt, dafür verantwortlich zu sein.
- Gegenüber anderen Personen ist der Gaslighter stets freundlich und zuvorkommend, nur dem Opfer gegenüber zeigt er nach einiger Zeit sein wahres Gesicht.
Ziel all dieser Verhaltensweisen ist, den Betroffenen von allen anderen zu isolieren und ihm das Gefühl zu geben, dass er nur noch den Täter als einzigen Verbündeten hat.
Gaslighting kann Leben zerstören
Durch die systematische Zermürbungstaktik sinkt das Selbstwertgefühl des Opfers. Es fühlt sich isoliert, kann anderen nicht mehr vertrauen – nicht einmal der eigenen Familie. Angstzustände, Depressionen bis hin zur Suizidgefahr sind häufige Begleiter von Gaslighting. Der chronische Stress manifestiert sich häufig auch in körperlichen Beschwerden wie Schlaflosigkeit und Magenschmerzen.
Eine lang andauernde Gaslighting-Erfahrung können viele Betroffene nicht selbst verarbeiten. Oft muss das Erlebte in einer Psychotherapie aufgearbeitet werden. Erst dann können sie wieder ein selbstbestimmtes Leben führen, sich selbst und anderen vertrauen.
Gaslighting im Betrieb – gibt es einen Ausweg?
Bemerken Betroffene selbst, dass sie manipuliert und fremdgesteuert werden, gibt es im ersten Moment nur einen Weg, der sicher aus der Misere führt: der sofortige Kontaktabbruch.
Bei Gaslighting am Arbeitsplatz kann sich das Opfer zunächst krankschreiben lassen. So gewinnt es Zeit, um weitere Maßnahmen einzuleiten. In vielen Fällen ist ein Jobwechsel die einzige Möglichkeit, genügend Abstand zum Täter und einen Neuanfang zu erreichen. Besteht die Chance, das Gaslighting nachzuweisen, sollte in jedem Fall Strafantrag gegen den Täter gestellt werden.
Viele Opfer neigen dazu, das Verhalten des Täters zu verteidigen. Sie wurden erfolgreich davon überzeugt, dass er ihr einziger Freund sei. Es ist jedoch entscheidend zu erkennen, dass sich ein Mensch mit solch schädlichen Neigungen nur schwerlich von selbst und über Nacht ändern wird. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Gaslighter sein Verhalten weiter auf die Spitze treiben wird, wenn ihm kein Riegel vorgeschoben wird.
Was der Arbeitgeber tun kann
Bemerkt der Arbeitgeber, dass es im Team einen Fall von Gaslighting gibt, sollte er schnellstmöglich intervenieren. Im ersten Schritt ist sicherzustellen, dass die betroffene Person professionelle Unterstützung erhält. Zugleich kann der Arbeitgeber dafür sorgen, den Kontakt zum Täter entweder vollständig zu unterbinden oder zumindest möglichst weitgehend einzuschränken.
Gaslighting vorzubeugen, ist keine einfache Aufgabe, zumal es stets im „verborgenen Kämmerlein“ stattfindet und nicht vor aller Augen. Es lohnt sich jedoch, Mobbing im Allgemeinen vorzubeugen. Hierfür bieten sich etwa diese Maßnahmen an:
- Mobbing thematisieren (z. B. in Schulungen oder Gesprächsrunden)
- einen internen Mobbing-Ansprechpartner ernennen
- deutlich Stellung zu Mobbing beziehen
- Konflikte frühzeitig ansprechen und lösen
- Informationsmaterial und Beratungsangebote offerieren
Der Arbeitgeber sollte betroffene Mitarbeiter stets dabei unterstützen, der psychisch belastenden Situation zu entkommen und den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.