Wie sieht die Zukunft im Personalmanagement aus? Welche Entwicklung sind im Bereich HR-Software zu erwarten? Worauf achtet ein Personaler beim Bewerbungsgespräch? Diese und andere interessante Fragen zu Themen rund um Recruiting, Talent Management und Human Resources besprechen wir mit Eric Paschke, Fachbereichsleiter Personalwesen und Organisation bei der K.D. Feddersen GmbH, im Interview.
Hallo Herr Paschke, in welche Richtung entwickelt sich das Personalwesen bzw. der HR-Bereich im Allgemeinen?
Das Personalwesen wird in Zukunft noch digitaler werden. Prozesse werden zunehmend standardisiert und automatisiert. Die ganzen einfachen Aufgaben wie das Verfassen von Formschreiben und Absagen werden, wenn sie es nicht schon sind, wegfallen. Stattdessen liegt der Fokus zunehmend darauf, was ich seit 10 Jahren sage: Unsere Funktion als Personaler ist deshalb wichtig, weil wir bei den Leuten sein müssen!
Wir brauchen Zeit, um Gespräche zu führen, Bewerberauswahlprozesse zu führen und arbeitsrechtliche Themen zu begleiten. Wohingegen Datenschutz im Blick auf die Zukunft längst kein großes Thema mehr für mich ist. Die Systeme sind ohnehin schon verschlüsselt. Wir geben Daten nur per Zugang auf das Personalsystem heraus, sodass wir gleichzeitig noch viele E-Mails und viel Papierkram sparen, was bereits eine weitere Form von Datenschutz beinhaltet.
Nur beim Bewerbungsgespräch drucke ich mir noch die Unterlagen aus, weil ich mir meine Notizen darauf mache. Ansonsten werden noch Arbeitsverträge und Zeugnisse ausgedruckt, alles was darüber hinaus geht, wird bei uns im Haus digital abgewickelt.
Sie sind bereits auf die Bewerbungsgespräche zu sprechen gekommen. Wie hoch waren in diesem Jahr die Hürden? Waren die Einschränkungen durch COVID-19 spürbar? Wie genau haben Sie Bewerbungsgespräche geführt?
Corona ist allgegenwärtig, doch besonders im Bewerbermanagement stellt die Pandemie uns vor einige Herausforderungen. Wir konnten keine Leute sehen und wenn ich keine Leute sehen und im übertragenen Sinn spüren und riechen kann, dann ist das schlecht.
Inwiefern?
Natürlich haben wir Videokonferenzen organisiert, um Bewerber*innen zu interviewen. Das war okay, aber gebracht, hat es mir wenig. Was wir immer machen, wir führen Telefoninterviews – meistens abends, wenn die Leute entspannt sind. Dann kann ich mich auf das Audio-Ohr konzentrieren, was sich beim persönlichen Erstkontakt in den vergangenen 10 Jahren absolut bewährt hat.
Ein Videogespräch gibt einem noch ein bisschen mehr, aber eine andere Art von erstem Eindruck, auf den ich mich sonst verlasse. Vielleicht aufgrund der Erfahrung, aber es ist nicht ansatzweise mit einem persönlichen Gespräch zu vergleichen. Hier sehe ich nicht nur Mimik und Gestik, sondern die Art wie sie gehen, wie sie riechen, wie sie einparken, wie sie mit dem Empfang reden. Ich habe insgesamt einen besseren ersten Eindruck von den Bewerbenden, da ich sehe, ob sie interessiert in die Räume schauen, ob sie Leute anlächeln. Das sind alles Attribute, die ich als Personaler wahrnehme. Attribute, die wichtig sind. Attribute und Eindrücke, die mir Videokonferenzen nicht bieten können. Diese sind gut für Bestandskunden, für Partner, die ich schon kenne. Aber für potenzielle Neukunden ist es eine Katastrophe und ich bleibe dabei: unterm Strich müssen wir die Bewerbenden sehen.
Wie ist die Atmosphäre bei Ihren Vorstellungsgesprächen?
Eher locker. Wir wollen den Menschen kennenlernen und keine Schauspieler. Das kann ich nur in einer entspannten Atmosphäre gewährleisten, in der die Anspannung, die in einem Bewerbungsgespräch immer gegeben ist, etwas abfällt.
Was kann man von Ihrem Unternehmen lernen?
Ich höre immer wieder, dass Personaler beim Bewerbungsprozess und vor allem beim Bewerbungsgespräch nach dem Schema F vorgehen. Mit Fragen wie: Was sind Ihre Stärken und Schwächen? Stattdessen individuelle Fragen stellen, interessiert sein. Sich wirklich für den Menschen interessieren, der dort vor einem sitzt. Ich glaube, dass das viele Leute nicht machen.
Worauf achten Sie beim Bewerbungsschreiben und bei Zeugnissen?
Zeugnisse werden häufig vom Arbeitsgericht oder von der Person selbst geschrieben und viele sind nicht in der Lage, Zeugnisse zu schreiben. Deshalb gebe ich sehr wenig darauf und lege noch weniger Wert darauf. Stattdessen schaue ich mir die Aufgaben an, denn die stimmen meistens. Diese kann ich lesen, ich kann sie ableiten und schauen, ob es ähnliche Aufgaben sind, die die Person bei uns bearbeiten würde.
Darüber hinaus schaue ich mir auch gerne nochmal den Schlusssatz an. Denn den Satz „Wir wünschen Ihnen persönlich und privat für die Zukunft alles Gute“, kann einem kein Arbeitsgericht ins Zeugnis schreiben. Ansonsten bin ich ein großer Freund von Referenzen bzw. einer Empfehlung. Wer also sagt: „Ich habe hier eine Referenz, die Sie gerne anrufen können.“ Eine Referenz finde ich ganz toll. Dann schaue ich mir Lebensläufe an und frage dann auch beim Bewerber – im Zweifelsfall auch kritisch nach, warum jemand von A nach B geht?
Abseits der technischen Notwendigkeit und dem geforderten Erfindungsreichtum bei Bewerbungsgesprächen, den passenden Mitarbeitenden für die ausgeschriebene Stelle zu finden, welche Trends werden in Zukunft noch mehr ins Gewicht fallen?
Das ist jetzt kein neuer Trend, aber wir führen das E-Learning für die wichtigen Schulungen ein, die einmal im Jahr absolviert werden müssen. Themen wie Datenschutz, Compliance, Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Umsatzsteuerschulung. All das und das Skillmanagement werden wir im nächsten Schritt weiter automatisieren und in der rexx HR-Software abbilden.
Eine weitere Zeitersparnis, die mein Verständnis von Personalarbeit unterstützt: Denn Personaler müssen in den Fluren unterwegs sein, um die Temperatur zu messen und für die Leute da zu sein. Deshalb müssen die Geschäftsleitung, die Führugskräfte und die HR-Abteilung meines Erachtens zu einem ganz erheblich hohem Anteil im Büro anzutreffen sein. Wir arbeiten mit Menschen und da muss ich etwas fühlen. Das kann ich nicht von zu Hause. Vielleicht mal von zu Hause, aber keineswegs immer bzw. regelmäßig.
In anderen Arbeitsbereichen finde ich, dass es auch sinnvoll sein kann: Mal Homeoffice, mal Büro, aber auch seine Arbeitszeiten flexibel halten, damit man nicht in so einen Trott verfällt.
Wie gehen Sie mit neuen Trends und Entwicklungen explizit im Bewerbungsmanagement um?
Ich bin kein Freund davon, dass Bewerber durch Punktesysteme ersetzt werden. Ich kann durch Lebensläufe, Ausbildung und Berufserfahrung eine gewisse Vorauswahl treffen, doch um die richtige Person für den Job zu finden, muss man sie oder ihn sehen, die kann man nicht mit Algorithmen bestimmen und sagen, die wird schon passen.
Ich halte ebenfalls nichts davon, das Recruiting nach draußen zu verlegen. Denn nur wenn ich weiß, welche Menschen hier arbeiten, wie diese ticken, dann weiß ich auch, nach welcher Person ich suchen muss, damit sie in das Unternehmen und unsere Unternehmenskultur passt.
Fachliche Themen haben in diesem Fall nur einen sekundären Wert. Fachliche Themen lassen sich erlernen. Die soziale Kompetenz hingegen nicht. Wir wissen am besten, was die Belegschaft von einer Führungskraft und andersherum erwartet. Und deshalb werde ich mit Sicherheit auch in den nächsten zehn Jahren das Recruitment nicht nach draußen abgeben, sondern das Bewerbungsmanagement inklusive Vorstellungsgesprächen inhouse behandeln.
Bei Ihnen ist die HR-Abteilung ja unentwegt auf den Gängen unterwegs. Sind dann überhaupt noch Mitarbeitergespräche und Feedback notwendig?
Unbedingt. Das macht aber nicht die Personalabteilung, sondern in der Regel ist das Aufgabe des Abteilungsleiters bzw. des Geschäftsführers mit dem jeweiligen Mitarbeitenden. Zudem haben wir auch unterjährig diverse Gespräche, in denen Zielvereinbarungen bzw. die Ziele und Justierungsgespräche Gegenstand der Unterhaltung sind, damit beide Parteien eine Standortbestimmung haben.
Natürlich reden wir viel mit dem Personal, haben ein offenes Ohr, aber ich finde es wichtig und wertvoll, wenn sich der eigene Vorgesetzte zwei Stunden gesondert Zeit nimmt, um über das Vergangene, die Entwicklung, Förderung und Fortbildungen zu sprechen. Das ist auch eine Art von Wertschätzung. Hierbei sollte man mit Kritik oder Lob aber nicht ein halbes Jahr bis zum Gespräch hinterm Berg halten, sondern immer schnell und aktiv agieren.
Sie haben bereits von Erwartungen an Bewerber gesprochen? Dann lassen Sie uns den Spieß mal umdrehen. Welche Veränderungen haben Sie vor allem in den vergangenen Jahren bei der jüngeren Generation ausgemacht, die sich ja häufig selbstverwirklichen und sinnstiftend arbeiten möchte?
Ganz besonders ist mir aufgefallen, dass vor 10 Jahren ein Dienstwagen noch ein wichtiger Faktor war. Status war wichtig, Hierarchie und die Karriereleiter aufsteigen. Das ist heutzutage weniger geworden und die Leute interessieren sich mehr für Firmen, die nachhaltig arbeiten anstatt gewinnmaximierend. Sie achten eher darauf, dass der Umgang miteinander in der Firma gut ist, dass man etwas Nützliches macht.
Zudem ist Work-Life-Balance immer ein Thema.
Doch die grundlegendste Veränderung wird auf dem Arbeitsmarkt selbst stattfinden. Wir werden immer mehr Spezialisten brauchen, denn die einfachen Berufe werden durch die Digitalisierung überrollt. Und wir müssen Wege finden, damit es nicht zu einer Zweiklassengesellschaft und einem sozialen Ungleichgewicht wie beispielsweise in den USA kommt und diese Menschen abgehängt werden. Dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen. Das ist Aufgabe der Politik, aber liegt auch in der sozialen Verantwortung der Unternehmen.
Sie haben das Skillmanagement bereits erwähnt. Gibt es noch andere Dinge, wie Sie sich für die Zukunft aufstellen, um die Personalentwicklung weiter voranzutreiben?
Wir nutzen Personaldiagnostik. Den PI, da geht es um Persönlichkeitsmerkmale wie Dominanz, Extraversion, Geduld und Genauigkeit, die wir unterstützend zu unseren Mitarbeitergesprächen nutzen, um einen weiteren, noch neutraleren Blick zu erhalten.
Und zum Schluss noch eine letzte Frage: Was verstehen Sie unter einer guten Unternehmenskultur?
Abgesehen von unseren Unternehmenswerten, die wir vor Jahren nochmals neu definiert haben, gilt es meiner Ansicht nach, Präsenz zu zeigen, Verlässlichkeit sowie vorbildliches Auftreten an den Tag zu legen. Grundlegende Punkte, die auch von der Führungsebene vorgelebt werden.