Die künstliche Intelligenz (KI) durchdringt immer mehr Lebensbereiche und macht vor dem HR-Bereich nicht Halt. In den USA und Asien feiern Arbeitgeber sie als nächsten großen Trend. Dort analysieren Bots jährlich Hunderttausende Bewerbungen, wählen geeignete Kandidaten aus – und führen sogar Bewerbungsgespräche. Allmählich schwappt der Trend auch nach Deutschland und viele HR-Experten brennen darauf, den wachsenden Aufwand für das Recruiting passender Mitarbeiter durch den Einsatz von KI zu reduzieren.
KI im Recruiting: So vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten
Schon heute kommt KI im Recruiting deutscher Unternehmen zum Einsatz, etwa in Form von lernenden Chatbots, die Fragen der Nutzer von Karriere-Websites auf automatisierter Basis beantworten. Oder in Gestalt von Algorithmen, die den idealen Kanal für die Suche nach bestimmten Mitarbeitern auswählen. Intelligente Software ist in der Lage, anhand vorgegebener Kriterien Entscheidungen über die Eignung von Bewerbern für ein definiertes Stellenprofil zu treffen. Bots sammeln im Internet Informationen zu Bewerbern, analysieren sie und beziehen die neue Datenlage in ihre Empfehlungen ein.
Den nächsten Schritt testen große Konzerne wie Ikea oder Pepsi bereits. Ein russischer Softwareentwickler hat die KI-Software „Vera“ erschaffen, die eigenverantwortlich geeignete Kandidaten in Jobportalen aufspürt und eine Vorauswahl trifft. Im nächsten Schritt führt sie selbstständig Bewerbungsgespräche per Telefon oder Videochat und wertet diese aus. Auch der von der Universität Melbourne entwickelte Algorithmus „Matilda“ ist in der Lage, Jobinterviews zu führen. Er geht jedoch noch einen Schritt weiter: Er „liest“ die Emotionen der Kandidaten, analysiert sie und reagiert empathisch darauf.
Warum KI im Recruiting ein so großes Potenzial hat
Der größte Vorteil von KI im HR und vor allem in der Vorauswahl der Bewerbenden liegt auf der Hand: Sie ist kein Mensch, sondern eine Maschine. Der Mensch trifft Entscheidungen nicht nur nach Fakten, sondern bezieht seine Gefühle ein, hört auf sein Bauchgefühl und lässt sich von seinen persönlichen Werten, Ansichten und Charaktereigenschaften leiten.
Dies kann zwar in der Praxis dazu führen, dass Mitarbeiter besonders gut zum Team und Unternehmen passen – doch es kann auch zur Diskriminierung von Bewerbern kommen. Etwa wenn der Mensch ein spezielles Aussehen bevorzugt, Vorbehalte gegenüber bestimmten Ethnien, Religionen oder Herkunftsländern hat oder junge Bewerber älteren vorzieht. Eine Maschine hat keine Vorbehalte und kennt keine Vorlieben. Sie bewertet die Kandidaten ausschließlich auf Basis von Fakten und ist deshalb als besonders fair und objektiv anzusehen. Hinzu kommen diese Vorzüge der künstlichen Intelligenz:
- Zeitersparnis: Leistungsfähige Software kann bei Bedarf Tag für Tag Tausende Bewerbungen analysieren oder sogar Vorgespräche führen.
- Sprachen: KI-Software kann in jeder beliebigen Sprache kommunizieren und stellt deshalb auch für Bewerber aus anderen Ländern den idealen Einstieg dar.
- Flexibilität: Lebt der Bewerber in einer anderen Zeitzone, ist dies für die künstliche Intelligenz kein Hindernis, denn sie ist rund um die Uhr verfügbar.
- Lernfähigkeit: Die große Stärke der KI liegt darin, dass sie mit jeder Analyse, mit jedem Gespräch dazulernen. So kann sie die Treffsicherheit ihrer Entscheidungen stetig verbessern.
Einsatz von KI ist nicht ganz gefahrlos
Das Thema Diskriminierung ist heute besonders sensibel – schon ein einfaches Fehlverhalten kann einen enormen Imageschaden für Arbeitgeber bedeuten. Und doch ist die völlig neutrale Betrachtung von Bewerbern durch künstliche Intelligenz nicht ganz ohne Risiken möglich:
- Fehlentscheidungen: Der Algorithmus kann nur so gut sein wie die Daten, mit denen er gefüttert wird. Angesichts dessen hatte etwa Amazon ein KI-Projekt vorzeitig abgebrochen. Der Algorithmus schlug Bewerber auf der Basis früherer Personalentscheidungen vor – und benachteiligte dadurch konsequent Bewerberinnen, weil auch in der Vergangenheit mehr Männer als Frauen eingestellt worden waren.
- Datenschutz: Roboter-Recruiter sammeln und verarbeiten sehr viele Informationen aus dem Internet und analysieren diese, um ihre Entscheidungen zu stützen. Viele Arbeitgeber sind unsicher, ob dies mit dem in Deutschland geltenden Datenschutz vereinbar ist.
- Einschränkungen: Der Algorithmus wählt Bewerber aus, die die fachlichen Voraussetzungen möglichst gut erfüllen. Dadurch fallen jedoch vielversprechende Quereinsteiger durchs Raster, die möglicherweise interessante neue Perspektiven ins Unternehmen gebracht hätten.
- Einheitsbrei: Der Computer erkennt, weder, ob sich ein Kandidat mit seiner Bewerbung sehr viel Mühe gegeben hat oder ob die Unterlagen besonders kreativ sind. Auch Lebensläufe, die sich ein wenig außerhalb der Norm bewegen, werden aufgrund der vorgegebenen Kriterien nicht in die engere Auswahl einbezogen. Dabei ist es aber gerade diese Diversität aus unterschiedlichsten Charakteren und Werdegängen, die kreative Lösungen fördert und ein Unternehmen überhaupt erst wettbewerbsfähig macht.
- Berührungsängste: Ein „Gespräch“ mit einem Computer zu führen, kann bei den Kandidaten Berührungsängste hervorrufen und eine wenig positive Candidate-Experience hervorrufen – Menschlichkeit und Empathie fehlen. Sie wissen nicht, wie sie die Maschine von sich überzeugen können, was ihre Unsicherheit fördert.
Ist KI die Zukunft für die Bewerberauswahl?
Es wird immer schwieriger, Personal mit der benötigten Qualifikation zu finden. Mit der Komplexität der Recruiting-Arbeit steigt auch der Aufwand. Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis KI auch in Deutschland ihren festen Platz in der Vorauswahl von Bewerbern bekommen wird. Arbeitgeber sollten jedoch für sich im Detail klären, inwieweit sie dem Bot die Kontrolle überlassen wollen. Der Bot kann zwar Bewerbungen auswerten und analysieren. Doch es fehlt genau das, was im Hinblick auf mögliche Diskriminierungen so wichtig ist: die Menschenkenntnis und das Bauchgefühl des Personalers, die darüber entscheiden, ob der Mitarbeiter nur qualifiziert ist oder auch zum Team passen könnte.
Künstliche Intelligenz ist untrüglich eine sinnvolle Ergänzung, um die Mitarbeiter im Recruiting von der zeitraubenden Vorauswahl zu entlasten. Eine so sensible Entscheidung wie die Einstellung eines neuen Teammitglieds alleine einer Maschine zu überlassen – darüber müssen viele deutsche Arbeitgeber sicherlich noch etwas nachdenken. In zahlreichen Bereichen wie beispielsweise dem Kandidaten-Matching kommt KI im Rahmen des rexx Bewerbermanagements bereits zum Tragen.
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