Viele deutsche Arbeitnehmer haben ihren Schreibtisch schon ein Jahr oder länger nicht mehr zu Gesicht bekommen: Zunächst als Notlösung gedacht, entwickelt sich das Homeoffice zunehmend zur neuen Normalität in der Arbeitswelt. Doch für einige Personenkreise zieht diese Entwicklung auch Fragen nach sich, die dringend geklärt werden müssen – nämlich die nach der sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtlichen Behandlung der Homeoffice-Tätigkeit im Ausland.
Keine rechtlichen Auswirkungen für Grenzgänger
Viele Grenzgänger, die ihren Wohnort in einem Nachbarland haben und normalerweise in Deutschland arbeiten, befinden sich bereits seit Monaten im Homeoffice. Somit arbeiten sie zwar für ein deutsches Unternehmen, erbringen ihre Arbeitsleistung aber im Ausland. Im Regelfall wird für sie über die A1-Bescheinigung nachgewiesen, dass sie der deutschen Sozialversicherung angehören. Dasselbe gilt umgekehrt natürlich auch für deutsche Grenzgänger, die im Ausland arbeiten und über das Sozialversicherungssystem des Beschäftigungsstaats abgesichert sind.
Daran ändert sich auch durch das mit der Corona-Pandemie verbundene Homeoffice vorerst nichts. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) hat die sozialversicherungsrechtliche Situation in einem Rundschreiben vom 17. März 2020 (Nr. 167/2020) klargestellt: Müssen Grenzgänger innerhalb der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz für bis zu 24 Monate vorübergehend im heimischen Arbeitszimmer arbeiten, bleibt ihr bisheriger Sozialversicherungsstatus erhalten und ihre A1-Bescheinigung behält ihre Gültigkeit.
Achtung: Das Rundschreiben der DVKA gilt ausdrücklich nur für Beschäftigungsverhältnisse, die schon zuvor sozialversicherungsrechtlich eingeordnet und geklärt waren. Arbeitnehmer, die ihren Beschäftigungsort infolge des Pandemie-bedingten Homeoffices ins Ausland verlegen möchten, werden davon nicht erfasst.
Besonderheiten bei Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten
Arbeitet ein Arbeitnehmer teilweise im ausländischen Homeoffice und teilweise im inländischen Büro, kommt Artikel 13 VO (EG) Nr. 883/2004 zum Tragen (nur innerhalb der EU). Demnach gelten die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Wohnsitzlandes, sofern der Mitarbeiter seine Tätigkeit zu einem Anteil von mindestens 75 Prozent im Wohnsitzland erbringt.
Beispiel: Der Mitarbeiter führt eine Fernbeziehung mit einer Französin. Einmal im Monat besucht er sie für eine Woche und arbeitet während dieser Zeit von deren Pariser Wohnung aus auf Basis eine Remote-Arbeitsmodells. Da dieser Anteil nur 25 Prozent seiner gesamten Arbeitszeit einnimmt, bleibt er nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht versichert. Würde sich der Auslandsanteil der Tätigkeit auf 35 Prozent erhöhen, müsste er über das Sozialversicherungssystem im Beschäftigungsstaat versichert werden.
Eine Ausnahme von dieser Regelung gilt nur, wenn der Arbeitnehmer offiziell von seinem Arbeitgeber ins Ausland entsendet wird. Diese Situation ist allerdings auf höchstens 24 Monate begrenzt und erfordert das Bestehen eines Dienstsitzes des Arbeitgebers im betreffenden Land. Geregelt ist die Entsendung in den mit verschiedenen Staaten geltenden Sozialversicherungsabkommen. Im Gegensatz zur Arbeitnehmerentsendung ist die Regelung aus Artikel 13 VO (EG) Nr. 883/2004 auch dann anzuwenden, wenn die Auslandstätigkeit auf eigenen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt. Die Entsendung hingegen geschieht stets auf Anordnung des Arbeitgebers.
Dauerhaftes Homeoffice im Ausland
Wer träumt nicht davon, sein Homeoffice an den Strand zu verlagern? Oder während der Homeoffice-Tätigkeit näher bei der ausländischen Familie zu sein? Wandert der Arbeitnehmer aus, muss sein Arbeitsverhältnis sozialversicherungsrechtlich neu bewertet werden. Teilweise schließen die Arbeitgeber mit solchen Mitarbeitern Freelancer-Vereinbarungen, sodass sie nicht mehr als Angestellte, sondern als Selbstständige behandelt werden. Hierzu sind allerdings jeweils die nationalen Vorgaben im Hinblick auf die Entstehung einer Scheinselbstständigkeit zu beachten. Andernfalls drohen im schlimmsten Fall erhebliche Nachzahlungen oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Unschädlich ist hingegen eine kurzfristige Tätigkeit im Ausland. Beschließt ein Arbeitnehmer lediglich, seinen Urlaubsaufenthalt in Spanien um wenige Wochen zu verlängern und zwei Wochen von dort aus zu arbeiten, hat dies auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Arbeitsverhältnisses in aller Regel keine Auswirkungen.
Aspekte, die Arbeitgeber zum Homeoffice im Ausland klären sollten
Mit der Tätigkeit im Ausland können den Arbeitgeber rechtliche Verpflichtungen treffen und Klärungsbedarf entstehen. Die folgenden Punkte sollten deshalb bereits im Vorfeld besprochen werden:
Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag
Falls eine dauerhafte Tätigkeit im Ausland angestrebt wird, sollten der Arbeitgeber und der Mitarbeiter in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag die wichtigsten Rahmenbedingungen festhalten, zum Beispiel:
- Arbeitsort
- Festlegung von Umfang und Art der Tätigkeit im Homeoffice
- zeitliche Begrenzung des Homeoffice im Ausland
- Weisungsgebundenheit der Rückkehr an den Arbeitsplatz im Heimatland
- Abwicklung der Entgeltabrechnung im Beschäftigungsland
Betriebsstättenrisiko ausschließen
Mietet der Arbeitgeber im Beschäftigungsland Räumlichkeiten an oder schließt dort Verträge, könnte rechtlich gesehen eine Betriebsstätte gebildet werden. Dadurch würde das Unternehmen dort steuerrechtlich erfasst, was zahlreiche Verpflichtungen nach sich zöge. Dieses Risiko sollte von vornherein ausgeschlossen werden. Bei einer Tätigkeit bis maximal sechs Monaten ist dieses Problem jedoch meist nicht gegeben.
Geltungsbereich des Arbeitsrechts
Auf ein Arbeitsverhältnis ist stets das Arbeitsrecht des Landes anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Arbeitsort hat. Beim dauerhaften Homeoffice im Ausland kann nicht von einer vorübergehenden Tätigkeit ausgegangen werden. In diesem Fall ist das Arbeitsrecht des Beschäftigungslandes anzuwenden, sofern keine Rechtswahl durchgeführt und in einer deutschen Zusatzvereinbarung festgehalten wird. Doch selbst dann sind einige lokale Rechtsvorschriften einzuhalten, etwa zum Mindestlohn oder den Arbeitszeiten.
Steuerrechtliche Konsequenzen
Ist ein Arbeitnehmer mit deutschem Wohnsitz länger als 183 Tage im Ausland beschäftigt, so muss er dort nach einem halben Jahr Steuern entrichten. Wie die Verteilung hier genau zu ermitteln ist, hängt vom jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen ab.
Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis
Innerhalb der EU gilt die Freizügigkeit, weshalb keine Beschränkungen bei der Ansiedlung oder Arbeit in einem anderen Land zu erwarten sind. Bei Nicht-EU-Staaten muss der Arbeitnehmer hingegen eine Aufenthalts- und eine Arbeitserlaubnis erwirken, um dort seiner Berufstätigkeit nachgehen zu dürfen. Diese ist einfach zu beschaffen, wenn es dort eine Niederlassung des Arbeitgebers gibt – über den Weg der Mitarbeiterentsendung. Wenn nicht, führt der Weg über die örtlichen Konsulate.
Seit Beginn der Pandemie bestehen in vielen Ländern zusätzliche Einreisebeschränkungen oder Quarantäne- und Untersuchungspflichten nach der Ein- oder Ausreise. In einigen Staaten ist die Einreise nur unter sehr eng gesteckten Voraussetzungen möglich (z. B. Zero-Covid-Staaten).
Recht auf Homeoffice im Ausland?
So mancher Arbeitnehmer kommt auf die Idee, seinen Arbeitsort einfach eigenmächtig in die Karibik zu verlegen. Im 100-prozentigen Homeoffice fällt dies ja zunächst nicht auf. Dennoch ist dies ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein Recht auf die Genehmigung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes im Ausland besteht nicht.
Das könnte Sie auch interessieren: