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18/08/2022
Ausbildungsmarkt am Vorkrisenniveau
18/08/2022
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Verhaltenes Wachstum am Ausbildungsmarkt: zurück zum Vorkrisenniveau?

Der Ausbildungsmarkt ist durch die COVID-19-Pandemie noch tiefer in die Krise gerutscht – und gleich dort geblieben. Aktuelle Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung aus dem Datenreport 2022 zeigen, dass es zwar verglichen mit dem ersten Pandemiejahr 2020 eine leichte Entspannung gibt, aber das Niveau des Vorkrisenjahres ist noch längst nicht erreicht.

Die nackten Zahlen: wie sich die Zahl der Ausbildungsverträge entwickelt

2007 war das stärkste Jahr mit den meisten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen der letzten 20 Jahre – fast 626.000 Verträge wurden in diesem Jahr abgeschlossen. Seither sind die Zahlen jedoch stetig rückläufig. Im Vorkrisenjahr 2019 lag die Zahl der Ausbildungsverträge bei nur mehr rund 525.000.

2020 konnten sich nur noch um die 467.500 Jugendliche für eine duale Ausbildung begeistern. Und auch das Ergebnis des Jahres 2021 zeigt: Der Ausbildungsmarkt ist in der Krise. Nur rund 473.000 junge Menschen entschieden sich dafür, eine Ausbildung zu beginnen. Dies entspricht einer Steigerung um magere 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber 10 Prozent weniger Lehrverträgen als noch 2019.

Auch die Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze gibt wenig Anlass zur Hoffnung. Ein leichter Anstieg ist zwar im Vergleich zum Jahr 2020 zu verzeichnen. Aber auch hier besteht eine deutliche Diskrepanz zum Vorkrisenwert.

Entwicklung des Ausbildungsmarkts: eine Abwärtsspirale?

Schon nach der Finanzkrise, die die deutsche Wirtschaft im Jahr 2008 beutelte, war ein deutlicher Rückgang der Ausbildungszahlen zu verzeichnen. Davon konnte sich der Ausbildungsmarkt bis heute nicht erholen.

Nun bleibt eine ähnliche Entwicklung zu befürchten, nachdem sich die Zahlen im laufenden Jahr verglichen mit dem Vorkrisenniveau nur minimal erholt haben. Falls die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den kommenden Jahren keine klare Tendenz nach oben zeigt, hat dies gleich zwei negative Auswirkungen:

  • Immer weniger junge Menschen erlangen einen Berufsabschluss. In der Folge verschlechtern sich ihre Berufs- und Lebenschancen.
  • Arbeitgeber können ihren Bedarf an Fachkräften nicht mehr sichern. Unbesetzte Arbeitsstellen erschweren das gesunde Wachstum.

Hinzu kommt, dass es rund 63.000 unbesetzte Ausbildungsplätze gibt, denen jedoch zugleich 68.000 junge Menschen gegenüberstehen, die keine geeignete Lehrstelle finden. Dies zeigt, dass die Ausbildungswilligen offensichtlich andere Vorstellungen von ihrer Ausbildung haben, als das Angebot der Ausbildungsbetriebe abdeckt.

Ziel des Koalitionsvertrags: Stärkung des Ausbildungsmarkts

Die Bundesregierung hat bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, die berufliche Bildung stärken zu wollen. Dazu hat sie konkret diese Maßnahmen geplant:

  • Aufbau einer betrieblichen Ausbildungsgarantie für Jugendliche
  • Fortführung der Allianz für Ausbildung
  • Ausbau der Einstiegsqualifizierung, assistierten Ausbildung, ausbildungsbegleitenden Hilfen und Verbundausbildungen
  • Unterstützung für Geflüchtete
  • außerbetriebliche Ausbildungsangebote bei erheblicher Unterversorgung mit Ausbildungsplätzen
  • Stärkung der Ausbildungsmobilität

Insbesondere die Ausbildungsgarantie ist für die Arbeitnehmervertreter ein interessanter Punkt, um den Ausbildungsmarkt zu stärken, mehr Jugendliche erfolgreich in eine duale oder schulische Ausbildung zu vermitteln und die berufliche Bildung zu stärken. Wie diese Garantie konkret aussehen könnte, ist jedoch bislang unklar.

Stärkung der betrieblichen Ausbildung: Welche Möglichkeiten gibt es?

Um die duale Ausbildung zu stärken, kommen viele Maßnahmen in Betracht. Im Endeffekt wird nicht eine einzige zum Ziel führen, sondern eine ganze Reihe von Aktivitäten.

So müssen einerseits Arbeitgeber dazu animiert werden, neue Ausbildungsplätze zu schaffen, andererseits potenzielle Auszubildende dazu bewegt werden, auch wenig attraktiv erscheinende Berufe in Betracht zu ziehen. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Ausbildungsmarkt zu fördern:

  • Zukunftsaussichten: Bestimmte Ausbildungsberufe im Handwerk, in der Pflege und im sozialen Sektor sowie die MINT-Berufe könnten für junge Menschen attraktiver erscheinen, wenn die Zukunftsaussichten in den Vordergrund gerückt werden. In typischen Mangelberufen sind sowohl die beruflichen Aussichten als auch die Verdienstchancen nach dem Ende der Berufsausbildung durchaus attraktiv. Sie leiden jedoch unter dem früheren schlechten Image im Hinblick auf eine schlechte Bezahlung.
  • Förderung: Benachteiligte oder leistungsschwächere Bewerber sollen gezielt gefördert werden, um ihr Potenzial für den Ausbildungsmarkt zu nutzen. Dies könnte etwa über einen Ausbau der assistierten Ausbildung (AsA) und der Jugendberufsagenturen funktionieren, die mehr Teilhabe ermöglichen.
  • Geflüchtete: Die Möglichkeiten, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren und sie in eine betriebliche Ausbildung zu vermitteln, sollten verbessert werden. Dies könnte über eine staatliche Unterstützung der Ausbildungsbetriebe für die Beschäftigung Geflüchteter als Auszubildende erreicht werden.
  • Förderung der Ausbildungsmobilität: Steht in der Region nicht der passende Ausbildungsplatz zur Verfügung, sind manche junge Menschen durchaus bereit umzuziehen. Um diese Option attraktiver zu machen, könnten kostenfreie ÖPNV-Tickets, mehr Wohnheimangebote für Auszubildende und eine Ausweitung des betreuten Jugendwohnens helfen.

Unser Hörtipp: Seit Jahren klagen Betriebe keine Auszubildenen mehr zu finden. Besonders mau sieht es im Handwerk aus, aber auch in der Industrie geht immer mehr der Nachwuchs aus. Wo liegen die Ursachen und welche Lösungsideen gibt es? Diese und andere Fragen beantwortet in der #36 Folge des rexxperts HR-Podcasts Sabine Bleumortier. Sie berät deutschlandweit Ausbildungsbetriebe rund um die Berufsausbildung und die Generation Z.

Was bringt die Zukunft für den Ausbildungsmarkt?

Viele dieser Themen haben die Koalitionspartner bereits auf ihrer Agenda stehen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kritisiert jedoch in seiner Publikation „Neue Wege oder Irrwege für den Ausbildungsmarkt?“, dass die Bestrebungen der Bundesregierung bislang noch eher vage und wenig konkret sind. Was davon in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten.

Eines ist jedoch klar: Gelingt es nicht, die Ausbildungszahlen wenigstens wieder auf das Vorkrisenniveau anzuheben – besser noch weiter –, stehen den deutschen Arbeitgebern schwere Zeiten bevor, in denen sich der Fachkräftemangel weiter verschlimmern wird.

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