Steht eine Trennung im Arbeitsverhältnis an, so fordern die Arbeitnehmenden oftmals ein „gutes“ oder besseres Arbeitszeugnis vom Arbeitsgebenden. Müssen Arbeitsgebende dem nachkommen und immer ein solches Zeugnis erteilen? Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn die Trennung auf Veranlassung des Arbeitsgebenden erfolgt ist, weil der Arbeitnehmende Pflichtverletzungen begangen hat oder die Arbeitsleistung nicht zufriedenstellend war. Was hier zu beachten ist und wie sich Arbeitgebende in solchen Fällen verhalten können, erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Nils Wigger von der Kanzlei Wittig Ünalp.
Regelmäßig einigen sich der Arbeitgebende und der Arbeitnehmende vor den Arbeitsgerichten über die Erteilung eines „guten“ oder besseren Arbeitszeugnis. Dies gilt in vielen Fällen auch dann, wenn zuvor erhebliche Vorwürfe und Pflichtverletzungen im Verhaltensbereich gemacht worden sind oder die mangelnde Leistung des Arbeitnehmenden den Ausschlag für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgebenden gegeben hat. Interessanter und daher „umkämpfter“ in den Vergleichsverhandlungen vor dem Arbeitsgericht sind regelmäßig die Höhe der Abfindung und eine Freistellung. Nur selten wird tatsächlich über ein Arbeitszeugnis gestritten.
Gibt es einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?
Man unterscheidet zunächst zwischen den normalen Zeugnissen, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden und den Zwischenzeugnissen, die bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses erteilt werden.
Der Arbeitnehmende hat bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses muss zum Beendigungszeitpunkt ausgestellt werden.
Für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses galt lange, dass der Arbeitnehmende dieses nur verlangen könne, wenn er daran ein berechtigtes Interesse hat. Dieses Interesse wäre insbesondere dann gegeben, wenn eine Kündigung ausgesprochen oder in Aussicht gestellt wurde, wenn sich die Position oder Aufgaben des Arbeitnehmenden ändern oder wenn ein neuer Vorgesetzter eingesetzt wird. Nach der aktuellen Rechtsprechung soll aber bereits der Wunsch des Arbeitnehmenden hinsichtlich eines beruflichen Wechsels als berechtigtes Interesse gelten. Aus diesem Grunde können Arbeitnehmende daher wohl immer ein Zwischenzeugnis verlangen.
Welchen Inhalt muss ein Zeugnis haben?
Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmende kann jedoch darüber hinaus vom Arbeitgebenden verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken (§ 109 Abs. 1 GewO).
Das Zeugnis muss zunächst Informationen über den Arbeitnehmenden und den Arbeitgebenden enthalten sowie den Zeitraum der Beschäftigung.
Sodann ist in dem Zeugnis eine Tätigkeitsbeschreibung aufzunehmen. Die Tätigkeitsbeschreibung muss nicht allumfassend sämtliche Tätigkeiten enthalten, die der Arbeitnehmende während seiner Beschäftigung bei dem Arbeitsgebenden absolviert hat. Es sind jedoch die wesentlichen Tätigkeiten des Arbeitnehmenden anzugeben. Dies ist erforderlich, damit sich potenzielle neue Arbeitsgebende einen Überblick verschaffen können, was der Arbeitnehmende in seiner bisherigen Tätigkeit gemacht hat.
Im Rahmen des qualifizierten Zeugnisses muss das Zeugnis dann eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmenden im Arbeitsverhältnis enthalten. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgebende die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmende die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen. Der Arbeitgebende ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmenden er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen möchte.
Die Formulierungen und Ausdrucksweisen des Zeugnisses stehen in dem pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitgebenden. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgebender.
Dürfen Pflichtverletzungen in das Zeugnis aufgenommen werden?
Das Verhalten und die Leistung ist in einem einheitlichen Zeugnis vollständig darzustellen und es ist die gesamte Vertragsdauer zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund treten einzelne Vorfälle – seien sie positiv oder negativ – in ihrer Bedeutung zurück und dürfen nicht hervorgehoben werden, wenn sie die Gesamtleistung und Gesamtführung nicht beeinflusst haben. Wenn es insofern einzelne Pflichtverletzungen gegeben hat, in einem länger andauernden und ansonsten störungsfreien Arbeitsverhältnis, dürfen die Pflichtverletzungen nicht aufgenommen werden.
Lügen im Zeugnis
Das Zeugnis dient regelmäßig als Bewerbungsunterlage und soll dadurch Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebenden, eine Grundlage für die Personalauswahl bilden. Dem Arbeitnehmenden gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie sein Verhalten und seine Leistung beurteilt werden.
Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit. Der Inhalt des Zeugnisses muss daher grundsätzlich richtig und klar ausgedrückt sein. Wie jedoch die einzelne Leistung und das Verhalten bewertet werden, darüber lässt sich trefflich streiten. So ist die Bewertung sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig. Dies gilt umso mehr bei Arbeitsverhältnissen, die über einen langen Zeitraum bestehen. Ob der Inhalt eines Zeugnisses daher der Wahrheit entspricht, ist in der Regel schwer zu überprüfen.
Grundsätzlich wäre aber ein Schadensersatzanspruch denkbar, wenn der Arbeitgebende vorsätzlich eine falsche Tätigkeitsbeschreibung oder Leistung- und Verhaltensbeurteilung abgibt und ein folgender Arbeitgebender – im Vertrauen auf das Zeugnis – einen Arbeitnehmenden einstellt, der für die beabsichtigte Tätigkeit nicht tauglich ist. Eine entsprechende Kausalitätskette darzustellen, dürfte jedoch höchst schwierig sein, sodass ein Schadensersatzanspruch wohl nur theoretisch in Betracht kommen dürfte.
Kann der Arbeitnehmende ein Zeugnis einklagen?
Genügt das Zeugnis nicht den formalen Anforderungen, kann der Arbeitnehmende dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen. Mit einer Klage auf Berichtigung oder Ergänzung eines erteilten Arbeitszeugnisses vor dem Arbeitsgericht macht der Arbeitnehmende in rechtlicher Hinsicht weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen – dem Gesetz fremden – Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch.
Kein grundsätzlicher Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Arbeitszeugnis
Fraglich ist jedoch, ob sich der Arbeitnehmende auch eine positivere Leistungs- und/oder Verhaltensbeurteilung einklagen kann. Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmender keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern nur einen Anspruch auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Es kommt insofern darauf an, wie der Arbeitgebende mit den Leistungen und dem Verhalten des Arbeitnehmenden zufrieden gewesen ist. Zu beachten ist jedoch, dass sich die „Zufriedenheit“ nicht nach subjektiven Kriterien richtet, sondern auf eine Beurteilung, die sich an den objektiven Anforderungen orientiert, die üblicherweise an einen Arbeitnehmenden mit vergleichbaren Aufgaben gestellt werden. Bei der Bewertung ist daher zu prüfen, wie der Arbeitnehmende im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmenden abschneidet.
Im Rahmen einer möglichen Klage vor dem Arbeitsgericht ist dann die Beweislast entscheidend: Erteilt der Arbeitgebende ein Zeugnis, welches dem Arbeitnehmenden mindestens eine durchschnittliche bzw. „befriedigende“ Leistung bescheinigt, trägt der Arbeitnehmende die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, welche eine überdurchschnittliche Beurteilung rechtfertigen sollen. Der Arbeitnehmende muss also beweisen, dass er besser gewesen ist, als der Arbeitgebende im Zeugnis festgehalten hat.
Erteilt hingegen der Arbeitsgebende eine nur „ausreichende“ oder noch schlechtere Bewertung im Rahmen des Zeugnisses, so hat der Arbeitgebende in einem möglichen Gerichtsverfahren vorzutragen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmende tatsächlich keine bessere Leistungs- und Verhaltensbeurteilung verdient hat.
Gibt es einen Anspruch auf eine Schlussformel?
Ein Arbeitszeugnis endet üblicherweise mit einer sogenannten Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel. In dieser Formel bekundet der Arbeitgebende seinen Dank für die erbrachte Arbeitsleistung, drückt das Bedauern des Ausscheidens aus und wünscht dem Arbeitnehmenden für die berufliche und private Zukunft weiterhin alles Gute.
Da es sich hier um persönliche Empfindungen des Arbeitgebenden handelt, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitnehmende hierauf keinen Anspruch hat. Enthält das Zeugnis eine entsprechende Formel nicht, so kann der Arbeitnehmende diese nicht einklagen.
Da ein Arbeitszeugnis ohne eine solche Schlussformel praktisch wertlos ist, da jeder fachkundige Leser des Zeugnisses das Fehlen sofort bemerken wird und den – in der Regel – berechtigten Schluss ziehen kann, dass es Probleme im Arbeitsverhältnis gegeben hat, sitzt der Arbeitgebende bei der Zeugniserteilung regelmäßig „am längeren Hebel“.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Ein Arbeitnehmender hat ausnahmsweise dann einen Anspruch auf die Erteilung einer entsprechenden Schlussformel, wenn der Arbeitsgebende zuvor ein Zeugnis mit einer solchen Formel erteilt hat. Macht der Arbeitnehmende anschließend Änderungen am Zeugnis geltend, so darf der Arbeitgebende in dem geänderten Zeugnis die zuvor erteilte Schlussformel nicht ändern oder weglassen. Dies wäre ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB.
Fazit
Arbeitnehmende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine „gute“ oder bessere Bewertung im Zeugnis, wenn das Verhalten und die Leistungen dem nicht entsprechen. Vor Gericht müssten die Arbeitnehmenden den Nachweis diesbezüglich führen, was in der Praxis sehr schwierig werden dürfte. Dennoch einigen sich die Arbeitsvertragsparteien häufig auf eine entsprechende Bewertung im Zeugnis, da die Arbeitgebenden in der Regel kein Interesse daran haben, in einen Zeugnisrechtsstreit Geld und Zeit zu investieren.
Über den Autor: Nils Wigger berät und vertritt als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Wittig Ünalp Arbeitgeber bei sämtlichen individual- und kollektivrechtlichen Themen.