In einer Arbeitswelt, die ständig im Wandel ist und in der Krisen zur Normalität werden, steht insbesondere HR-Verantwortlichen eine große Aufgabe bevor: Wie können Mitarbeitende in unsicheren Zeiten begleitet werden? Wie können Teams trotz Veränderungen handlungsfähig bleiben? Unsicherheit betrifft nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Organisationen – und damit die Verantwortungsträger, die Orientierung geben und Halt bieten sollen.
Unser Gehirn bevorzugt Sicherheit und Vorhersehbarkeit. Doch in einer dynamischen Arbeitswelt können wir diese nicht immer garantieren. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie Unsicherheit unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst und wie wir – gerade in der Rolle als Führungskraft oder HR-Manager – Strategien entwickeln können, um Resilienz und Handlungsfähigkeit zu fördern.
Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Unsicherheit unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst und welche Strategien helfen, um besser damit umzugehen.
Wie das Gehirn auf Unsicherheit reagiert
Unsicherheit aktiviert im Gehirn Mechanismen, die ursprünglich dazu gedacht waren, uns in gefährlichen Situationen zu aktivieren und zu schützen. Diese Schutzreaktionen können jedoch, wenn sie über längere Zeit andauern, belastend werden.
1. Aktivierung des Stresssystems:
Sobald das Gehirn Unsicherheit wahrnimmt, wird das Stresssystem aktiviert. Hormone wie Cortisol und Adrenalin werden ausgeschüttet, die Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf Bedrohungen. Kurzfristig kann das hilfreich sein, da es den Fokus erhöht. Doch langfristig können diese Reaktionen unter anderem zu Überanstrengung, Schlafstörungen und einer Überempfindlichkeit gegenüber neutralen oder positiven Signalen führen. Das Problem? Diese ständige Alarmbereitschaft kostet Energie und kann langfristig erschöpfend wirken. Physisch und psychisch.
2. Reduzierte Funktion des präfrontalen Cortex:
Der präfrontale Cortex – verantwortlich für Analyse und Entscheidung im Gehirn – wird bei andauerndem Stress herunterreguliert. Entscheidungen werden emotionaler und impulsiver, was in unsicheren Situationen Fehlentscheidungen begünstigen kann.
3. Erhöhte Wachsamkeit:
In unsicheren Zeiten wird das Gehirn hypervigilant – es versucht, alle potenziellen Gefahren frühzeitig zu erkennen. Dieses ständige „auf der Hut sein“ kann jedoch dazu führen, dass selbst neutrale oder positive Signale als bedrohlich wahrgenommen werden. Schlafstörungen, innere Unruhe und das Gefühl permanenter Anspannung sind häufige Folgen.
Die langfristigen Konsequenzen von Unsicherheit
Dauerhafte Unsicherheit kann tiefergehende Spuren im Gehirn und Körper hinterlassen. Chronischer Stress, ausgelöst durch anhaltende Unsicherheit, beeinträchtigt die neuronale Plastizität – die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen und neue Verbindungen zu schaffen. Besonders betroffen ist der Hippocampus, eine Gehirnregion, die für Gedächtnis und Lernen entscheidend ist. Diese Region kann durch chronischen Stress schrumpfen, was das Risiko für Gedächtnisprobleme erhöht.
Das Gehirn bleibt in einem ständigen „Alarmzustand“, was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Langfristige Unsicherheit kann also mit einer erhöhten Anfälligkeit für psychische Belastungen einhergehen. So können Menschen beispielsweise in einen dauerhaften Erschöpfungszustand geraten (Burnout). Ein Teufelskreis, der sogar in noch schwerwiegenderen psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen enden kann. Auch körperliche Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenschmerzen, Magen- und Verdauungsprobleme oder ein geschwächtes Immunsystem können die Folge sein. Viele Menschen kennen diese Symptome.
Strategien, um Unsicherheit zu bewältigen
Auch wenn Unsicherheit unvermeidlich ist, gibt es wirksame Strategien, um mit ihr besser umzugehen. Dabei spielen Struktur und soziale Unterstützung eine Schlüsselrolle. Hier kommt gerade Führungskräften eine besondere Rolle zu.
Struktur schaffen:
In Zeiten der Unsicherheit ist das Gefühl der Kontrolle besonders wichtig. Klare Routinen und feste Strukturen können helfen, ein Mindestmaß an Stabilität zu schaffen. Planen Sie Ihren Tag mit überschaubaren, erreichbaren Zielen, die Ihnen ein Gefühl von Erfolg und Sicherheit vermitteln. Eine strukturierte Umgebung, sei es im Beruf oder privat, gibt dem Gehirn Orientierung und reduziert den Stresspegel.
Soziale Unterstützung:
Niemand muss Unsicherheit allein bewältigen. Der Austausch mit vertrauten Personen – Familie, Freunde oder Kollegen – kann das Gefühl von Sicherheit und Zusammenhalt stärken. Studien zeigen, dass soziale Unterstützung die Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin fördert, das wiederum Stress reduziert und das Vertrauen in andere stärkt. Offene Gespräche, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Problemlösungen helfen, Unsicherheit besser zu bewältigen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Führung und Reduzierung von Unsicherheit
Führungskräfte sollten Rahmenbedingungen schaffen, die Orientierung bieten, Unsicherheiten abbauen sowie den Fokus auf Lösungen lenken.
Eine Strategie zu entwickeln und klar zu kommunizieren, ist essenziell. Führung bedeutet, in schwierigen Zeiten Probleme anzugehen, realistische Perspektiven zu bieten und Zuversicht auszustrahlen. Klare Worte und nachvollziehbare Entscheidungen vermitteln das Gefühl, dass Verantwortung übernommen wird – ein wertvolles Signal in unsicheren Momenten.
Doch Klarheit zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in Strukturen, Prioritäten und Orientierung. Führungskräfte müssen nicht nur die Richtung vorgeben, sondern ihre Teams aktiv einbinden und selbst vorangehen. Verbindlichkeit und Zuversicht stärken das Vertrauen und schaffen Stabilität.
Diese Ansätze fördern die Resilienz von Organisationen gegenüber gesellschaftlichen Herausforderungen. Zwar können wir die Dynamiken des Umfelds oft nicht ändern, aber unser Verhalten in der Arbeitswelt liegt in unserem Einflussbereich. Dieses Potenzial sollten wir nutzen, um mehr Zuversicht zu schaffen.
Führung in unsicheren Zeiten erfordert mehr als Fachwissen. Es braucht Verständnis für menschliches Verhalten, die Fähigkeit, Orientierung zu geben, und die Bereitschaft, Halt zu bieten. So können Führungskräfte ihre Teams auch in turbulenten Phasen sicher voranbringen. Hierzu bedarf es allerdings auch Unterstützung durch eine nachhaltige Führungskräfteentwicklung, die dabei unterstützt.
Warum HR-Manager eine Schlüsselrolle einnehmen
HR-Verantwortliche sind oft das Bindeglied zwischen Unternehmensstrategie und Mitarbeitenden. Beispielsweise können Sie Schulungen zur Stressbewältigung anbieten oder Programme zur Förderung einer positiven Fehlerkultur etablieren.
Eine nachhaltige Führungskräfteentwicklung, die auf diese Herausforderungen eingeht, kann Organisationen helfen, auch in turbulenten Zeiten stabil zu bleiben. Dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern um die Entwicklung von Empathie, Kommunikationsstärke und der Fähigkeit, Orientierung zu geben.
Führung in unsicheren Zeiten erfordert ein tiefes Verständnis für menschliches Verhalten und die Bereitschaft, Halt zu bieten. Mit den richtigen Strategien können Sie Ihre Teams auch in ungewissen Phasen erfolgreich begleiten und Ihre Organisation für die Zukunft stärken.
Online Talkrunde ROTH INSTITUT- rexx systems
In Kooperation mit dem ROTH INSTITUT bietet rexx systems eine Talkrunde zum Thema “Führen in unsicheren Zeiten – Wie unser Gehirn reagiert und was hilft” für Personaler und Führungskräfte an:
Freitag, den 28. Februar 2025 von 10:00 – 11:00 Uhr
>> Weitere Infos und Anmeldung
Über den Autor: Sebastian Herbst ist Geschäftsführer des ROTH INSTITUTs, erfahrener Change- und Führungsexperte, Diplom-Betriebswirt und Dozent an der Hochschule Bremen.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth entwickelte er die Idee des ROTH INSTITUTs und überführte wissenschaftliche Erkenntnisse in praxisnahe Konzepte, um Führungskräfte und Organisationen nachhaltig zu stärken.