Kürzlich hat das Bundesarbeitsgericht ein Urteil im Volltext veröffentlicht, welches rege diskutiert wird: Ein sogenannter AGG-Hopper hat sich systematisch und zielgerichtet bei diversen Arbeitgebenden auf Stellenanzeigen beworben und dann eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts geltend gemacht. Was Arbeitgebende beachten müssen und welche Risiken bestehen, erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Nils Wigger von der Kanzlei Wittig Ünalp.
Regelmäßig liest man in der Presse und den Fachzeitschriften über arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu AGG-Hoppern, die sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz AGG) zunutze machen und von Arbeitgebenden erhebliche Entschädigungsansprüche fordern. Viele Arbeitgebende haben inzwischen selbst die Erfahrung machen müssen, nach Stellenausschreibungen vorgefertigte Schreiben mit Entschädigungsforderungen und zugleich vorformulierten Vergleichsangeboten zu erhalten.
Was sind AGG-Hopper?
AGG-Hopper sind Personen, die gezielt im Internet auf Stellenportalen nach – möglicherweise – diskriminierenden Ausschreibungen suchen, um sich auf diese ausgeschriebenen Stellen zu bewerben. Anknüpfungspunkte in den Stellenanzeigen sind Formulierungen wie „jung und dynamisch“, „Muttersprachler“ oder Ausschreibungen, die sich nur an ein Geschlecht richten, wie zum Beispiel „Sekretärin“. Die AGG-Hopper suchen sich gezielt Merkmale aus, die auf sie nicht zutreffen, und bewerben sich darauf. Ist der AGG-Hopper zum Beispiel etwas älter, so bewirbt er sich auf Stellenausschreibungen, die „junge und dynamische Mitarbeitende“ anspricht. Das Interesse der Personen ist nicht die Stelle tatsächlich zu erhalten, sondern nach einer (eingeplanten) Absage Ansprüche auf Entschädigung nach dem AGG geltend zu machen.
Anknüpfungspunkt der Ansprüche: Das AGG
Die AGG-Hopper berufen sich auf das AGG, welches unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen aufgrund bestimmter persönlicher Merkmale verhindern und gleiche Chancen sicherstellen soll. Das Gesetz gilt nicht nur für Arbeitnehmende, sondern auch für Bewerber und verbietet nach §§ 1, 7 AGG insbesondere die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuellen Orientierung.
Verstößt der Arbeitgebende gegen das vorgenannte Benachteiligungsverbot, so kann die benachteiligte Person einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG sowie einen Entschädigungsanspruch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen. Geht es bei der Diskriminierung um eine Nichteinstellung, so darf die Entschädigung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der benachteiligte Bewerbende auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Bei einem Bruttomonatsgehalt der ausgeschriebenen Stelle von € 4.000 kommt also eine Entschädigung von bis zu € 12.000 in Betracht.
Das Problem für Arbeitgebende ist oftmals, dass den anspruchsberechtigten Personen nach § 22 AGG eine Beweiserleichterung zugutekommt. Insofern hat der Bewerbende lediglich Indizien darzulegen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt. Eine solche Vermutung, dass eine Diskriminierung vorliegt, greift daher in der Regel schon dann, wenn die Formulierung in der Stellenanzeige potenziell diskriminieren kann. Die oben genannten Formulierungen wie „jung und dynamisch“, „Muttersprachler“ oder „Sekretärin“ sind von den Arbeitsgerichten bereits als Indiz anerkannt worden.
Was können Arbeitgebende tun?
Grundsätzlich ist es für Arbeitgebende weiterhin wichtig, die Stellenausschreibungen nicht diskriminierend zu verfassen und verpönte Formulierungen tunlichst zu vermeiden. Ist der Arbeitgebende sich nicht sicher, so lohnt es sich, die Anzeige von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen.
Ist die potenziell diskriminierende Ausschreibung jedoch bereits geschaltet und der Arbeitgebende hat ein Forderungsschreiben erhalten, so muss er den Beweis erbringen, dass eine Benachteiligung bei der Stellenbesetzung nicht vorgelegen hat beziehungsweise im Einzelfall gerechtfertigt gewesen ist. Der Arbeitgeber kann sich hier exkulpieren, wenn er nachweisen kann, dass kein in § 1 AGG genanntes Merkmal für die Ablehnung des Bewerbenden ursächlich gewesen ist. Ein solcher Nachweis kann dem Arbeitgebenden insbesondere dann gelingen, wenn die bewerbende Person keine fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle hat.
Wann liegt ein Rechtsmissbrauch vor?
Darüber hinaus kann der Arbeitgebende dem Entschädigungsanspruch der bewerbenden Person auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Bewerbende nur auf die Stelle beworben hat, um später Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
Dieser Einwand des Arbeitgebenden hat auch bei dem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 19.09.2024 – 8 AZR 21/24) gegriffen. In dem Fall hatte sich der Kläger auf zahlreiche nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ bei verschiedenen Arbeitgebenden beworben. Nach der jeweiligen Nichteinstellung führte er Entschädigungsprozesse aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Das Bundesarbeitsgericht hat die Ansprüche zurückgewiesen, da der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB den Ansprüchen entgegensteht. Der Kläger sei systematisch und zielgerichtet vorgegangen, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche „zu erarbeiten“, ohne ein Interesse am Erhalt der ausgeschriebenen Stelle gehabt zu haben.
Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehören sämtliche Schreiben des Bewerbenden, sein Verhalten im Zusammenhang mit seiner Bewerbung und ein Zusammenhang mit der konkreten Stellenausschreibung.
Entschädigung bei Verfahrensfehlern
Nach der Rechtsprechung des BAG (siehe BAG, Urteil vom 14.06.2023 – 8 AZR 136/22) kann auch ein Verstoß gegen Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen einen Verstoß gegen das AGG begründen. Beachtet der Arbeitgebende die Verfahrensvorschriften bei schwerbehinderten Menschen, zum Beispiel die Informationspflicht des Betriebsrats nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, nicht, so sei dieses Verhalten grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein. Dies kann einen Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsanspruch des schwerbehinderten Bewerbenden nach sich ziehen.
Machen sich AGG-Hopper strafbar?
Das AGG-Hopping ist aber nicht nur für die Arbeitgebende ein Risiko, sondern auch für die Bewerbenden. Zielt das Verhalten des AGG-Hoppers einzig darauf ab, einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch zu erlangen, so kann dies einen strafbaren Betrug im Sinne von § 263 StGB darstellen. Wie der BGH (Urteil vom 04.05.2022 – 1 StR 3/21) festgestellt hat, ist in der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs ein Prozessbetrug zu sehen, wenn der AGG Hopper vor Gericht über die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung täuscht und behaupte, dass die Bewerbung nicht nur erfolgt sei, um sich Ansprüche zu generieren.
Fazit
Das AGG-Hopping ist nach wie vor ein relevantes Thema für Arbeitgebende. Diese können Ansprüche vermeiden, indem die Personalverantwortlichen hinreichend im Umgang mit dem AGG geschult werden, um sich diskriminierungsfrei zu verhalten.
Wenn die Arbeitgebenden doch einmal in Anspruch genommen werden sollten, so sollten die geltend gemachten Forderungen dahingehend sorgfältig geprüft werden, ob auch tatsächlich ein Anspruch besteht. Hier können Arbeitgebende sich exkulpieren, indem sie die gesetzliche Vermutung der Diskriminierung widerlegen oder dem Anspruch einen Rechtsmissbrauch entgegenhalten.
Über den Autor: Nils Wigger berät und vertritt als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Wittig Ünalp Arbeitgeber bei sämtlichen individual- und kollektivrechtlichen Themen.
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