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15/10/2021
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15/10/2021
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Befristeter Arbeitsvertrag – Klare Regeln, unklare Grenzen?

Mehr als ein Drittel der neu eingestellten Beschäftigten in deutschen Unternehmen haben nur einen Arbeitsvertrag auf Zeit – Tendenz weiter steigend. Wann und wie oft dürfen Arbeitgeber befristen und wo stößt der Befristungseifer an (gesetzliche) Grenzen? Und sind diese Vorschriften immer eindeutig? Mit diesen und weiteren Fragen zur Befristung von Beschäftigungsverhältnissen haben wir uns auseinandergesetzt.

Das deutsche Arbeitsrecht kennt viele und oftmals komplexe Regelungen, die meisten davon spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Dreht es sich jedoch um das Thema „befristete Arbeitsverhältnisse“, können sehr viele Leute mitreden. Das wundert kaum, denn in unserem Land arbeiten Millionen von Menschen gewissermaßen auf Dauerprobe. Nicht selten wird entsprechend praktizierenden Arbeitgebern die böswillige Ausnutzung gesetzlicher Möglichkeiten unterstellt, insbesondere bei den berühmten „Kettenbefristungen“. Doch um welche Gesetze geht es eigentlich und was steht genau darin??

Im Zentrum: Das Teilzeit- und Befristungsgesetz

Die Grundlage der Regelungen rund um das Thema befristete Arbeitsverträge ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).  In diesem Gesetz ist festgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber ihre Beschäftigten für eine begrenzte Zeit anstellen dürfen. So gibt es bestimmte Sachgründe, die eine Befristung des Arbeitsvertrages rechtfertigen. Auch die mehrfache Verlängerung einer sachlich begründeten Anstellung auf Zeit ist grundsätzlich möglich, sogar bei Angabe wechselnder Sachgründe. Außerdem ist unter bestimmten Umständen sogar eine befristete Beschäftigung ohne Sachgrund rechtens. Allerdings setzt das Regelwerk dem Treiben rund um die Befristung auch Grenzen.

Befristeter Arbeitsvertrag mit Sachgrund

In § 14 des „TzBfG“ sind sieben Sachgründe erläutert, welche eine Befristung beim Arbeitsvertrag rechtfertigen:

  • Vertretung auf Zeit

Dieser Sachgrund ist am geläufigsten und wird auch am häufigsten genutzt. Wir alle kennen das: Eine Mitarbeiterin geht in Elternzeit, ein Kollege ist längerfristig krank. In diesen Fällen sind befristete Einstellungen als Vertretung für temporär ausgefallene Beschäftigte sachlich gerechtfertigt.

  • Bedarf auf Zeit

Arbeitgeber dürfen befristete Einstellungen vornehmen, wenn nur ein erkennbar vorübergehender Bedarf besteht, zum Beispiel bei Saisongeschäften oder außergewöhnlichen und einmaligen Arbeiten wie im Rahmen des Umzuges an einen neuen Firmensitz. Sollte der Bedarf sich als dauerhaft herausstellen, fällt dieser Sachgrund weg.

  • Erster Arbeitsvertrag nach Ausbildung

Wird ein frisch ausgelernter Azubi oder eine Studentin mit gerade erfolgreich absolviertem Studium eingestellt, so darf dieser erste Arbeitsvertrag nach Ausbildung oder Studium ebenfalls befristet sein, allerdings nach allgemeiner Auffassung nicht länger als zwei Jahre.

  • Auf Wunsch des Beschäftigten

Das TzBfG kennt auch die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer auf dessen Wunsch hin vertraglich befristet zu beschäftigen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Kandidat zu einem bereits festgelegten Zeitpunkt andere berufliche Pläne hat, die Zeit bis dahin aber sinnvoll nutzen möchte.

  • Befristung für die Probezeit

Diese Art der Gestaltung sieht vor, dass der Arbeitsvertrag zum Ende der vereinbarten Probezeit ausläuft. Der Arbeitgeber muss anschließend mit dem Angebot eines unbefristeten Vertrages aktiv werden, wenn er den Kandidaten behalten möchte. In der arbeitsvertraglichen Praxis ist heutzutage allerdings eine initiale Probezeit üblich, an deren Ende die automatische Entfristung folgt, sofern der Arbeitgeber nicht rechtzeitig kündigt.

  • Haushaltsrechtliche Beschränkung im öffentlichen Dienst

Das TzBfG erlaubt im Bereich des öffentlichen Dienstes unter bestimmten Umständen Befristungen, sofern entsprechende zweckgebundene Haushaltsmittel nur für eine bestimmte Zeit genehmigt wurden.

  • Sonderfall Rundfunk und Fernsehen

Auch der Bereich Rundfunk und Fernsehen wird im TzBfG bedacht. So ist es üblich, dass programmgestaltende Beschäftigte wie Drehbuchautoren, Regisseure oder Moderatoren nur für die Dauer des jeweiligen Projektes befristet eingestellt werden. Dieses Vorgehen wird vom TzBfG abgedeckt.

  • Befristung bis Renteneintritt

Darüber hinaus gibt es jenseits des Teilzeit- und Befristungsgesetzes noch eine andere Art der Befristung, die üblicherweise in allen eigentlich unbefristeten Arbeitsverträgen stehen sollte. Sie wird oft vergessen, ist aber gesetzlicher Standard: Wer das individuelle Rentenalter erreicht hat, dessen Arbeitsverhältnis läuft in der Regel aus.

Befristeter Arbeitsvertrag ohne Sachgrund

Eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags ist grundsätzlich nur bei einer definitiven Neueinstellung möglich. Hat der Beschäftigte zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal in Festanstellung für das Unternehmen gearbeitet, so ist eine Befristung des Arbeitsvertrages ohne Sachgrund verboten. Die sachgrundlose Be­fris­tung ist zudem üblicherweise höchs­tens für 24 Monate zulässig. Innerhalb dieser Spanne ist eine dreimalige Verlängerung der Befristung erlaubt.

  • Ausnahmen

Ausnahmen bestätigen die Regel. Diese alte mathematische Weisheit gilt auch für die Befristung ohne Sachgrund. So sind diese Befristungen in bestimmten Fällen für eine Dauer von mehr als zwei Jahren möglich.

  • Startups

Junge Unternehmen dürfen ihre Beschäftigten in den ersten vier Jahren ab der Gründung bis zu vier Jahre lang ohne Angabe von Sachgründen befristen. Die Befristungen dürfen im Rahmen dieser vier Jahre sogar beliebig oft verlängert werden. In §14 TzBfG findet sich dazu ein eigener Absatz (2a).

  • Altersbefristung

Ist ein Kandidat mindestens 52 Jahre alt und auf Arbeitssuche, so kann unter bestimmten Voraussetzungen eine sachgrundlose Befristung bis zu fünf Jahren rechtens sein – und auch hier wären dann beliebig viele Verlängerungen innerhalb dieser Zeitspanne möglich. Der Kandidat muss zuvor mindestens vier Monate arbeitslos gewesen sein, Transferkurzarbeitergeld bezogen haben oder an einer Beschäftigungsmaßnahme gem. SGB II/III teilgenommen haben.

Kettenbefristungen

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Arbeitgeber dürfen Beschäftigte sogar mehrfach hintereinander befristet beschäftigen, wenn sie dafür jedes Mal einen der genannten sachlichen Gründe haben. Der Clou: die Gründe dürfen sogar wechseln. Im Teilzeit- und Befristungsgesetz finden sich keine eindeutigen Obergrenzen zu Anzahl und Dauer dieser Kettenbefristungen. Allerdings darf der Arbeitgeber die Sache nicht zu bunt treiben, denn Arbeitsgerichte prüfen befristete Beschäftigungsverhältnisse bei Vorliegen gewisser Anhaltspunkte auf Missbrauch.

Die Grenzen sind allerdings recht weit gefasst, denn eine solche Missbrauchskontrolle erfolgt erst dann, wenn ein Arbeitgeber ein schon länger als 8 Jahre andauerndes Arbeitsverhältnis erneut mit Sachgrund befristen will oder einen Arbeitnehmer bereits mehr als 12-mal befristet hat. Dasselbe gilt, wenn ein schon mindestens 6 Jahre andauerndes Arbeitsverhältnis mindestens 10-mal befristet verlängert wurde.

Also viel Holz bis zur Kontrolle – und von einem tatsächlichen Gesetzesmissbrauch gehen Gerichte erst bei nochmals weitaus höherer Betriebszugehörigkeit und bei noch mehr Befristungsverlängerungen aus.

Neue Impulse aus Berlin?

Bundesarbeitsminister Heil plant, mit Wirkung zum 1. Januar 2022 mit einigen Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Befristung von Arbeitsverträgen engere Grenzen zu setzen. Ein entsprechender Referentenentwurf liegt bereits seit April 2021 vor und befindet sich derzeit in der Abstimmung.

Der Entwurf schreibt die Höchstdauer sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge auf nur noch 18 Monate fest. Außerdem soll innerhalb dieser Spanne nur noch eine einzige Befristungsverlängerung möglich sein. Neu ist auch eine Obergrenze für sachgrundlos Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten. Dort sollen nur noch höchstens 2,5 Prozent der Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund haben dürfen.

Auch Befristungen mit Sachgrund sollen laut Entwurf ab 2022 auf höchstens fünf Jahre begrenzt werden – und etwaige Vorzeiten in Leiharbeit sollen angerechnet werden.

Entsprechend harsch fallen die Reaktionen aus dem Lager der Arbeitgeber aus. Es wird argumentiert, der Handlungsspielraum von Unternehmen mit Blick auf flexiblen Personalbedarf würde durch die geplanten Änderungen weiter eingeschränkt. Weiterhin monieren Vertreter, die neu geplante Obergrenze an sachgrundlos Beschäftigten für Unternehmen mit mehr als 75 Mitarbeitern treibe den bürokratischen Aufwand in die Höhe und träfe insbesondere den unternehmerischen Mittelstand hart.

Vertreter der Arbeitnehmerschaft äußern sich hingegen positiv über mehr Sicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer und sehen sich in ihrem Kampf gegen gängige Befristungsketten bestätigt. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die meisten Befristungen inzwischen ohne Sachgrund erfolgen, obwohl das Teilzeit- und Befristungen genau diese Art der Befristung als Ausnahme vorgesehen hat. Eine Deckelung gerade der sachgrundlosen Befristung sei daher im Sinne des Erfinders.

Fazit

Viele Arbeitnehmer sind hierzulande befristet beschäftigt, oftmals sogar wiederholt und über etliche Jahre hinweg. Obwohl das Teilzeit- und Befristungsgesetz sieben gewichtige Sachgründe für eine Befristung von Arbeitsverträgen vorsieht, erfolgen die meisten Befristungen sachgrundlos. Hinzu kommt ein seit Jahren stetiger Anstieg der befristeten Arbeitsverträge – sehen wir einmal vom Pandemiejahr 2020 ab.

Das Bundesarbeitsministerium möchte das TzBfG ab 2022 an verschiedenen Stellen ändern. Es sollen zum Schutze der Arbeitnehmer arbeitnehmerfreundlichere Grenzen im Rahmen sachgrundloser Befristungen definiert und für Kettenbefristungen mit Sachgrund eine klare zeitliche Obergrenze festlegt werden.

Die vorgesehenen Änderungen würden an wichtigen Stellen für Klarheit bei den Gestaltungsmöglichkeiten befristeter Arbeitsverträge sorgen. Das ist im Grundsatz zu begrüßen. Allerdings scheint die Umsetzung des Vorhabens bis zur Bundestagswahl eher unwahrscheinlich. Doch das Thema verlangt mehr gesetzliche Deutlichkeit – ob nun in dieser oder der kommenden Legislaturperiode.

 

 

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