Hartnäckige Erkältung, eine Woche Krankschreibung, danach wieder gesund zur Arbeit – und im Normalfall alles wie vorher. So geht es Mitarbeitenden mit „normalen“ Krankheiten. Ein Zustand, von dem viele Angestellte mit chronischen Beschwerden nur träumen können. Für sie ist es nicht einfach, täglich alles abzuschütteln.
Laut einer Studie der Goethe-Universität in Frankfurt sind es 50 Prozent, die Stiftung Gesundheitswesen geht von 40 Prozent aus. Ob die eine oder andere Erhebung – klar ist: Es gibt eine sehr hohe Zahl an chronisch Erkrankten. Fast die Hälfte aller Deutschen leidet unter Beschwerden, die nicht einfach wieder aufhören. Blicken Sie einmal im Büro oder im nächsten Videocall um sich – die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ihrer Kolleginnen oder Kollegen chronisch krank ist, ist sehr hoch. HR-Abteilungen können und sollten diese Mitarbeitenden unterstützen. Doch wie geht das?
Die wichtigsten Takeaways für HR-Abteilungen
- Chronische Erkrankungen gibt es überall, sie sind aber nicht immer sichtbar – fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist betroffen.
- Mitarbeitende mit chronischen Beschwerden bringen oft besondere Stärken wie Resilienz, gutes Zeitmanagement und hohe Empathie mit.
- Flexible Arbeitsmodelle und individuell angepasste Lösungen sind entscheidend, um Betroffenen eine langfristige berufliche Perspektive zu ermöglichen.
- Unternehmen sollten eine offene, wertschätzende Kommunikationskultur fördern – gleichzeitig aber auch die Privatsphäre aller Mitarbeitenden respektieren.
Chronische Erkrankungen sind überall und nicht immer sichtbar
Chronische Erkrankungen begleiten betroffene Mitarbeitende teils ein Leben lang – und oft wissen Unternehmen gar nichts davon. Klar: Manche Krankheiten bringen sichtbare Einschränkungen mit sich. Andere aber bleiben auf einen schnellen Blick unentdeckt in einer dunklen, verborgenen Ecke. Dazu zählen etwa:
- Rheuma
- Diabetes
- chronische Migräne
- Multiple Sklerose
- Essstörungen
- psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen
Für die Betroffenen bedeuten diese chronischen Krankheiten aber (oft) eine dauerhafte Belastung, die sie im Arbeitsalltag einschränkt.
Besonders herausfordernd: Der Gesundheitszustand kann schwanken. An manchen Tagen ist alles gut, an anderen fällt selbst die einfachste Aufgabe schwer. Hinzu kommt, dass chronische Erkrankungen häufig Müdigkeit, Konzentrationsproblemen oder Schmerzen im Gepäck haben.
Chronisch Erkrankte – Fähigkeiten, die nicht alle mitbringen
Natürlich möchten betroffene Angestellte nicht auf ihre Krankheit eingeschränkt werden und wie alle anderen auch normal ihrem Job nachgehen. HR-Abteilungen sind dabei wichtig: Durch Verständnis, Flexibilität und gezielte Unterstützung können sie dafür sorgen, dass chronisch erkrankte Mitarbeitende nicht nur im Job bleiben, sondern auch ihr Potenzial entfalten können.
Denn: Sie bringen teilweise ganz besondere Fähigkeiten mit sich – die andere womöglich nicht haben:
- Resilienz: Sie lernen, mit Rückschlägen umzugehen und passen sich bei Unerwartetem besser und schneller an.
- Effizientes Zeitmanagement: Weil hier und da die Energie fehlt, haben sie ein Talent für effiziente Priorisierung von Aufgaben.
- Hohe Empathie: Eigene Erfahrungen mit Herausforderungen schärfen das Gespür für die Bedürfnisse anderer im Unternehmen – oder auch kundenseitig.
5 Tipps für den Umgang mit chronisch erkrankten Mitarbeitenden
Ein offenes, wertschätzendes Arbeitsumfeld ist die Grundlage dafür, dass sich chronisch erkrankte Mitarbeitende wohlfühlen und ihr Potenzial ausschöpfen können. Dabei geht es nicht nur um Rücksichtnahme, sondern auch um gezielte Maßnahmen, die den Arbeitsalltag erleichtern.
Hier sind einige grundlegende Tipps:
- Individuelle Lösungen finden: Jede chronische Erkrankung ist und wirkt anders. Es gibt keine allgemeingültige Formel, keinen Leitfaden, der auf alle zutrifft. Das heißt für HR-Abteilungen – individuelle Lösungen müssen her. Am besten gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet.
- Flexibilität ermöglichen: Diese Individualität erfordert Flexibilität. Angepasste Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen, Ruhezeiten, etwas andere Regeln als für Nicht-Betroffene – es ist mehr Variabilität gefragt, damit die Betroffenen ihre Arbeit besser mit ihrer Gesundheit in Einklang bringen können.
- Leistungsfähigkeit realistisch einschätzen: Nicht jeder Tag ist gleich: HR-Abteilungen, Personalverantwortliche und die Geschäftsführung sollten das berücksichtigen und sich darauf einstellen, dass es schwächere Phasen geben kann – Stichwort Flexibilität.
- Sensibilisierung im Team fördern: Verständnis ist wichtig, aber niemand sollte zu privaten Gesundheitsdetails gezwungen werden – dazu später mehr. Dennoch ist ein allgemeines Bewusstsein für chronische Erkrankungen wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Gespräche auf Augenhöhe führen: Es geht nicht darum, Mitleid zu zeigen, sondern Lösungen zu finden. Fragen wie „Was brauchst du, um gut arbeiten zu können?“ sind hilfreicher als ungefragt dahergepolterte Ratschläge.
Gerade die offene Kommunikation mit dem Thema ist neben der Flexibilität in der Arbeitsplatz- und Arbeitsaufgabengestaltung entscheidend.
Die Apotheken Umschau titelt in einem Artikel: „Chronisch krank: Sag ich’s am Arbeitsplatz?“ Die Antwort sollte in einem verständnisvollen und von Wertschätzung und Aufmerksamkeit geprägten Arbeitsumfeld ein klares „Ja!“ sein. Die Voraussetzung ist aber eben genau das – dass ein Unternehmen, seine Führungskräfte und HR-Abteilungen solch transparente Kommunikation zulassen.
Schmaler Grat zwischen Fürsorge und roter Linie
Bei all der offenen Kommunikation, die an vielen Stellen rund um dieses Thema vorgeschlagen wird, sollten Personalverantwortliche eines jedoch nicht vergessen: Es gibt kein Recht darauf, zu erfahren, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter chronisch krank ist. Die Gesundheit ist stets Privatsache – wie immer gibt es aber eine Ausnahme. „Wer krankheitsbedingt sich selbst oder andere gefährdet, muss das dem Arbeitgeber mitteilen“, erklärt Manfred Schmid, der als Arbeitsrecht-Anwalt in der Kanzlei Pinsent Masons arbeitet.
Das führt in der Praxis für HR-Abteilungen und Führungskräfte zu einem Spagat. Zum einen gilt es, aufmerksam zu sein – mit offenen Augen durch den Alltag zu gehen, bei klaren Anzeichen einer chronischen Krankheit sensibel nachzufragen und wie beschrieben Angebote zu schaffen und Maßnahmen zu treffen, um zu helfen.
Auf der anderen Seite möchten manche Angestellte vielleicht gar nicht transparent mit ihrer Erkrankung umgehen. Diesen Wunsch gilt es dann zu berücksichtigen – und nicht verkrampft das Richtige tun zu wollen, das sich später als das Falsche und Verletzende der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter gegenüber entpuppt.
Dokumentation hilft bei chronischen Erkrankungen
Wichtige Informationen rund um chronische Krankheiten von Mitarbeitenden zu dokumentieren, hilft – vor allem dann, wenn die Beschwerden eine Gefahr für die Betroffenen oder ihre Kolleginnen und Kunden darstellen. Natürlich dürfen Sie nicht willkürlich Gesundheitsdaten der Angestellten speichern. Es muss laut Art. 9 Abs. 2 DSGVO eine gesetzliche Legitimation dafür geben.
Liegt diese vor, müssen Sie Daten in jedem Falle gesetzeskonform speichern und dafür sorgen, dass keine Weitergabe an Dritte erfolgt. Das mit einer klassischen Papierakte oder einem unsicheren Speicher digital abzuwickeln, ist mindestens fragwürdig im Hinblick auf die Datensicherheit. Besser und vor allem sicherer geht es mit einer digitalen Personalakte. Neben der sichergestellten Compliance bringt die digitale Form der Jahrzehnte lang praktizierten physischen Personalakte vor allem eines – Zeitersparnis.
Fazit: Es braucht flexible Angebote und Arbeitsumgebungen
Grob die Hälfte der deutschen Bevölkerung leidet unter chronischen Erkrankungen, die sich im Arbeitsalltag nicht unter den Tisch kehren lassen. Für HR-Abteilungen ist es daher wichtig, transparent und offen mit diesem Thema umzugehen. Es sollten flexible Angebote und Arbeitsumgebungen geschaffen werden, in denen sich die Betroffenen mit ihrer Einschränkung entfalten können.
Für einige Unternehmen mag das zu Beginn eine Herausforderung sein. Die Angestellten werden es aber mit Loyalität und Weiterempfehlungen danken – zwei Aspekte, die in Zeiten des Fachkräftemangels mehr als wertvoll sind.
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