Weibliche Führungskräfte wechseln häufiger als ihre männlichen Kollegen das Unternehmen – und zugleich häufiger als je zuvor. Die Beweggründe dafür? Könnten unterschiedlicher nicht sein. Noch dazu sind Frauen in Führungspositionen ohnehin deutlich unterrepräsentiert. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen US-Organisation LeanIn.Org geht den Ursachen auf den Grund.
Über die Umfrage „Women in the Workplace“
Die Umfrage „Women in the Workplace” wurde nun bereits zum achten Mal in Folge durchgeführt. Sie untersucht, wie Frauen ihre (Führungs-)Arbeit und Karriere in US-amerikanischen Unternehmen sehen. Zwar sind die Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsmärkte nicht repräsentativ für Deutschland, geben aber doch wertvolle Impulse. Immerhin wurden mehr als 40.000 Mitarbeiter:innen aus gut 330 Unternehmen befragt, die insgesamt über 12 Millionen Menschen beschäftigen.
Weibliche Führungskräfte wechseln häufiger
Eine Kernaussage der aktuellen Studie: Frauen in Führungspositionen verlassen ihre Firmen häufiger als je zuvor – und signifikant öfter als männliche Führungskräfte. Jeder weiblichen Managerin, die die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmt, stehen zwei gegenüber, die sich für einen Unternehmenswechsel entscheiden.
Gründe für die höhere Wechselbereitschaft
Die Gründe für die höhere Wechselbereitschaft weiblicher Führungskräfte sind vielschichtig:
- Mangelnde Aufstiegschancen: Viele Frauen können sich bei ihrem Arbeitgeber nicht in dem Maße weiterentwickeln, wie sie es sich wünschen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass es diese Möglichkeit nicht gäbe. Sondern vielmehr daran, dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Ein oft genanntes Hindernis sind sogenannte Mikroaggressionen. Dabei zweifeln Kollegen etwa das Urteilsvermögen und die Qualifikation weiblicher Führungskräfte an. Oder Frauen wird aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Elternschaft verweigert, was ihnen zusteht – ob Beförderung oder Gehaltserhöhung. Viele andere Aspekte können zur Frustration führen, etwa wenn männliche Kollegen die Ideen einer weiblichen Führungskraft als ihre eigene ausgeben und die Lorbeeren dafür einheimsen.
- Wunsch nach mehr Flexibilität: Die hohe Homeoffice-Rate während der COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie viel mehr Lebensqualität flexible Arbeitszeitmodelle bieten können. Ein häufiges Motiv für einen Wechsel des Arbeitgebers ist deshalb die Suche nach mehr Flexibilität und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Der Studie zufolge will nur eine von zehn Frauen tatsächlich voll in Präsenz arbeiten. Die meisten weiblichen Führungskräfte bevorzugen Remote- und Hybrid-Modelle. Sie erlauben ihnen, sich nicht zwischen der Karriere und der Familie entscheiden zu müssen. Sie können beide Bereiche ihres Lebens in Einklang bringen.
- Fehlender Cultural Fit: Der Führungsstil vieler Frauen ist von Diversität, Chancengleichheit und Inklusion geprägt. Sie engagieren sich überdurchschnittlich häufig für Projekte in diesem Bereich und leisten so einen großen Beitrag, um die Mitarbeiterbindung zu fördern. Dieses Engagement wird jedoch von vielen Arbeitgebern nicht belohnt und überdies nicht wirklich gesehen. 40 Prozent der befragten Frauen in Führungspositionen geben an, dass ihre Bemühungen in Leistungsbeurteilungen nicht berücksichtigt werden.
Arbeitgeber sehen sich einer großen Herausforderung gegenüber. Denn der Verlust weiblicher Führungskräfte lässt sich durch die Einstellung männlicher Pendants nur bedingt auffangen. Frauen führen anders. Und gerade diese Andersartigkeit macht sich in der modernen Führungsarbeit bezahlt, etwa wenn es um Themen wie Diversität und Chancengleichheit geht.
Frauen in der Führungsriege unterrepräsentiert
Ohnehin sind Frauen in der Führungsebene deutlich unterrepräsentiert. Mit nur 29,2 Prozent war dem Statistischen Bundesamt zufolge 2021 nicht einmal jede dritte Führungsposition in Deutschland mit einer Frau besetzt. Eine Umfrage der Personalberatung Odgers Berndtson zeigt: Es gibt vielfältige Gründe für diese Ungleichgewicht – und Frauen und Männer schätzen diese völlig unterschiedlich ein.
Frauen sehen Selbstzweifel im Hinblick auf ihre eigene Führungsqualität als wichtigsten Grund dafür an, dass sie in der Führungsriege unterrepräsentiert sind. Auch haben sie das Gefühl, dass gesellschaftliche Erwartungen sie zurückhalten (z. B. an ihre elterliche Rolle). Zudem sind sie der Auffassung, nicht hart genug zu verhandeln und ihren eigenen Erfolg nicht ausreichend zu bewerben. Schließlich fühlen sie sich mit ihrem Führungsstil von Männern häufig nicht akzeptiert.
Die Mehrzahl der Männer hingegen geht davon aus, dass Frauen wegen eines unzureichenden Angebots an Kinderbetreuungsangeboten zurückstecken und ihre Familie einer Top-Führungsposition vorziehen. Zudem gehen zwei Drittel der männlichen Führungskräfte davon aus, dass Frauen das nötige Machtstreben fehlt, das viele Männer antreibt.
Zwei Strategien für Unternehmen
Arbeitgeber, die ihre Führungsetage mit weiblicher Intuition ergänzen wollen, stehen vor zwei wesentlichen Aufgaben:
- Sie müssen daran arbeiten, ihre weiblichen Führungskräfte im Unternehmen zu halten. Dafür muss es ihnen gelingen, Aufstiegsmöglichkeiten beiden Geschlechtern gleichermaßen zugänglich zu machen, Werte wie Diversität oder Chancengleichheit in ihrer gelebten (!) Unternehmenskultur zu verankern und flexible Arbeitsmodelle zu schaffen.
- Zugleich sollten Arbeitgeber mehr Frauen für Führungspositionen gewinnen. Ihnen sollten dieselben Möglichkeiten wie Männern offenstehen. Für Frauen ist der Sprung in die Führungsriege oft ungleich schwerer. Das bedeutet aber auch, dass etwa im Bewerbungsprozess Vorurteile abgebaut werden müssen.
Nur wenn es Arbeitgebern gelingt, ihre Führungspositionen für Frauen attraktiver zu gestalten, können sie sie langfristig halten und ihre Frauenquote ausbauen. Dies sollte ihnen auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben zur Frauenquote ein Anliegen sein.
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