Die Gender-Pay-Gap ist inzwischen längst kein Geheimnis mehr. Dem Statistischen Bundesamt zufolge verdienen Frauen durchschnittlich 7 Prozent weniger als männliche Kollegen, selbst wenn Qualifikation, Tätigkeit und berufliche Entwicklung vergleichbar sind. Aber sogar unter männlichen Arbeitnehmern gibt es in deutschen Unternehmen oft ein enormes Gehaltsgefälle. Dem will ein neues Gesetz auf EU-Ebene einen Riegel vorschieben. In diesem Zusammenhang könnten auch spezielle Vergütungsmodelle wie der Provisionslohn zusätzliche Herausforderungen bedingen.
Gesetz zu mehr Gehaltstransparenz: Die EU macht Druck
Im Juni 2023 ist das neue Gehaltstransparenz-Gesetz der EU in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten haben nun drei Jahre lang Zeit, um entsprechende nationale Regelungen zu schaffen. Mit dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) hat Deutschland bereits seit 2017 ein Gesetz, das für mehr Gehaltstransparenz sorgen soll.
Dieses ist jedoch gewissermaßen ein zahnloser Tiger. Arbeitnehmer haben demnach heute schon einen Auskunftsanspruch in Bezug auf die Gehälter von Kollegen. So richtig gebracht hat das aber nichts: Die Gender-Pay-Gap ist in den vergangenen 16 Jahren lediglich um wenige Prozentpunkte gesunken, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut berichtet.
Das EU-Gehaltstransparenz-Gesetz geht deshalb weiter und führt unter anderem diese Regelungen ein:
• Auskunftsanspruch zum Lohngefüge der künftigen Kollegen auch für Bewerber
• verpflichtende Berichterstattung mittelständischer und größerer Unternehmen über das geschlechtsspezifische Lohngefälle
• verpflichtende Entgeltbewertung zusammen mit dem Betriebsrat bei einer Gender-Pay-Gap von mindestens 5 Prozent
• finanzielle Entschädigung in Form einer Nachzahlung für Arbeitnehmer, die bei ihrem Lohn diskriminiert wurden
• Geldstrafen und andere Konsequenzen bei Zuwiderhandlung
Im Klartext bedeutet das: Arbeitnehmer können künftig vor Gericht eine Nachzahlung erstreiten, wenn sie gegenüber vergleichbaren Kollegen deutlich weniger verdient haben.
Wie ist es um die Gehaltstransparenz in Deutschland bestellt?
Die Deutschen gelten als recht verschwiegenes Volk, was Gespräche über die Höhe des Einkommens angeht. Vielen Arbeitnehmern fällt es schwer, offen mit Kollegen oder Freunden darüber zu sprechen. Das macht Gehaltstransparenz umso schwieriger, zumal der Arbeitnehmer nach dem deutschen Entgelttransparenzgesetz eher in der Holschuld ist, wenn er Informationen zum Gehaltsgefüge im Unternehmen erhalten möchte.
Wie es mit der Gehaltstransparenz in der EU und in Deutschland bestellt ist, hat im Frühjahr 2023 eine Umfrage des HR-Unternehmens SD Worx unter mehr als 16.000 Arbeitnehmern in 16 Ländern untersucht. Die wichtigsten Insights, bezogen auf Deutschland:
• Nicht einmal die Hälfte der Deutschen spricht gerne über ihr individuelles Gehalt. 26 Prozent behandeln das Thema lieber diskret.
• Fast jeder zweite Arbeitgeber spricht offen über seine Lohnpolitik und mögliche Gehaltspakete.
• 37 Prozent der Arbeitnehmer wissen, wie viel vergleichbare Kollegen verdienen.
• Nur rund zwei Drittel der Deutschen verstehen die Inhalte ihrer Lohnabrechnung vollständig. 10 Prozent haben bei der Komplexität der Lohnabrechnung und der Vielfalt an Benefits den Überblick verloren und können die Zusammensetzung im Einzelnen nicht nachvollziehen.
Auch wenn Deutschland insgesamt betrachtet, weitgehend im europäischen Durchschnitt liegt, ist ein Handlungsbedarf nicht zu übersehen.
Umsetzung der Gehaltstransparenz: Herausforderung Gehaltspaket
Erhalten die Arbeitnehmer lediglich ein einfaches Festgehalt, lässt sich dieses wunderbar vergleichen. Heute bestehen Gehälter jedoch meist nicht mehr aus einem einzigen festen Gehalt, sondern aus einem ganzen Gehaltspaket. In dieses fließen neben dem Grundlohn auch Leistungszulagen und Boni, der Kita-Zuschuss für die Kinderbetreuung oder ein Firmenwagen ein.
Für die Arbeitnehmer wird es so schwieriger, das eigene Gehalt mit dem der Kollegen zu vergleichen. Das Grundgehalt an sich ist nicht aussagekräftig, wenn beispielsweise ein Kollege einen teuren Firmenwagen fährt und der andere nicht. Es müssen also stets alle Gehaltsbestandteile in den Vergleich einbezogen werden. Das erschwert die Gehaltstransparenz.
Variable Gehälter erschweren Gehaltstransparenz
Enthält das Gehalt zusätzlich noch variable Gehaltsbestandteile, ist ein transparenter Vergleich noch schwieriger. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Provisionslohn. Arbeitgeber schätzen den Provisionslohn, weil sie so ihre fixen Lohnkosten durch variable Kosten ersetzen können – in umsatzschwachen Zeiten sinken die Lohnkosten. Auch viele Arbeitnehmer sehen den Provisionslohn positiv, ermöglicht er ihnen doch, bei entsprechend hoher Leistung die Höhe ihres Einkommens aktiv mitzugestalten.
Bei Provisionen denkt man natürlich zuerst an Außendienstmitarbeiter, deren Lohn an den generierten Umsatz gekoppelt wird. Provisionslöhne werden jedoch in vielen Bereichen gezahlt, etwa an Verkäufer im Einzelhandel oder in Form einer Gewinn- oder Umsatzbeteiligung für die gesamte Belegschaft. Und auch die Führungskraft, deren vertraglich vereinbarter Bonus per Zielvereinbarung an eine Bedingung wie das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft ist, fällt darunter.
Mit der rexx Talent Management Software wird es einfacher, Provisionslöhne transparent abzurechnen. Messbare Ziele lassen sich mit dem Modul Zielvereinbarungen individuell definieren und überprüfen. Das Modul Compensation & Benefits hingegen hilft Arbeitgebern und Arbeitnehmern, den Überblick über ihr Gehaltspaket zu behalten und die Löhne fair und transparent abzurechnen.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang aber die Frage, inwieweit die Gehälter von Mitarbeitern mit Provisionslohn künftig vollständig offengelegt werden müssen. Um etwa bei umsatzgebundenen Außendienstmitarbeitern einen fairen Vergleich ziehen zu können, müsste man die Höhe des Grundlohns und die prozentuale Höhe der Provision vergleichen – nicht jedoch die am Ende des Monats auf dem Gehaltszettel vermerkte Gesamtsumme. Sie ist ja kein Gegenstand der Gehaltsvereinbarung, sondern ergibt sich vielmehr aus der guten oder schlechten Leistung.
In den Raum gestellt sei die Frage: Werden sich Arbeitnehmer künftig eine höhere Entlohnung auf der Basis höherer Provisionslöhne von Kollegen erstreiten können, obwohl der Grundlohn identisch ist und nur die Leistung variiert? Dies könnte das gesamte Prinzip des Provisionslohns ad absurdum führen.
Ein weiter Weg zur Gehaltstransparenz in Deutschland
Deutsche Arbeitgeber dürfen gespannt sein, wie das EU-Entgelttransparenz-Gesetz schlussendlich im nationalen Recht verankert wird. Im schlimmsten Fall könnte es eine Gehaltsklagewelle auslösen, vergleichbar mit den gehäuften Diskriminierungsklagen angeblich oder tatsächlich diskriminierter Bewerber nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
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