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28/06/2021
Mobbing und Fürsorgepflicht
28/06/2021
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Mobbing & Fürsorgepflicht: Warum Arbeitgeber das Problem nicht ignorieren sollten

Mobbing – dieser Begriff scheint im Sprachgebrauch heute schon für das kleinste Fehlverhalten am Arbeitsplatz zu gelten. Tatsächlich steckt hinter Mobbing viel mehr als eine einmalige verbale Entgleisung oder eine vermeintlich unfaire Aufgabenstellung. Vielmehr geht es darum, einen Kollegen systematisch zu zermürben.

Wann liegt überhaupt Mobbing vor?

Nicht immer, wenn ein Mitarbeiter aus seiner Perspektive unfair behandelt wird, handelt es sich um Mobbing. Die Definition von Mobbing stellt vor allem auf zwei Anforderungen ab: Die Schikanen müssen systematisch und wiederholt auftreten, also über einen längeren Zeitraum hinweg. Mobbing kann unterschiedliche Auswüchse annehmen. Typisch sind aber diese Verhaltensweisen des Mobbenden:

  • grundlose Kritik, die die Kompetenz des Gemobbten in ihrer Gänze anzweifelt
  • Spott und Häme für die Kleidung, Figur oder Frisur
  • ungerechte und mitunter falsche Bewertung der Leistung durch den Chef
  • soziale Ausgrenzung (z. B. aus Gesprächen, gemeinsamen Mittagessen, Abteilungsmeetings)
  • gezielt verbreitete Lügen, um den Ruf des Betroffenen zu schädigen (auch üble Nachrede)
  • Sabotage (z. B. Manipulation des Computers, Telefonterror)
  • Beleidigungen
  • Demütigungen
  • gehäufte Kontrollen der Arbeit ohne Grund
  • Vorenthalten von Informationen
  • sexuelle Belästigung, Einschüchterungstaktiken und Gewalt(androhungen)
  • Unterforderung (Übertragung von Aufgaben, die weit unter dem Niveau des Betroffenen liegen, z. B. Ordner kopieren)
  • Überforderung (Übertragung von Aufgaben, deren Anforderungen nicht schaffbar sind)

Wie Mobbing entsteht

Manche Betroffene tragen unbewusst dazu bei, dass gerade sie Opfer der Mobbingattacken werden. Dies kann etwa in einem guten Auskommen mit dem Vorgesetzten, mit herausragenden Leistungen oder abweichenden privaten Lebensumständen begründet sein. Selbst ein falsches Wort oder schlampige Kleidung können ausreichen. Die Ursachen für das Fehlverhalten des Chefs oder der Kollegen liegt jedoch in deren eigener Sphäre, etwa wenn sie über- oder unterfordert sind oder unter Langeweile leiden. Über das Ventil des Mobbings versuchen sie, Druck abzubauen.

Warum Arbeitgeber Mobbing nicht dulden dürfen

Systematisches Mobbing hinterlässt bei den Opfern seine Spuren:

  • psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Essstörungen
  • Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit
  • verringertes Selbstbewusstsein
  • gesundheitliche Probleme wie Schlafstörungen, Rücken-, Kopf- oder Magenschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme
  • Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch
  • Selbstmord(gedanken)

Diese Folgen wirken sich langfristig auf das Arbeitsverhältnis aus. So kann sich die Zahl der Krankheitstage deutlich erhöhen. Zudem schmälern die Attacken häufig die Arbeitsleistung des Betroffenen. Unabhängig von diesen Faktoren ist der Arbeitgeber allerdings auch verpflichtet, Verdachtsmomenten des Mobbings nachzugehen. Der Grund dafür liegt in seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Mobbing

Aus dem Arbeitsvertrag ergeben sich verschiedene Nebenpflichten. Hierzu gehört auch die sogenannte Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer vor physischen und psychischen Gefahren für seine Gesundheit zu schützen und dessen berechtigte Interessen zu wahren. Erfährt der Arbeitgeber von Mobbingvorfällen, so muss er diese untersuchen, aufklären und verifizieren. Eine besonders große Rolle kommt dabei der Glaubwürdigkeit der Beteiligten sowie etwaiger Zeugen zu. Auch die Abgrenzung zwischen einmaligen Vorkommnissen und gehäuften Mobbing-Aktionen ist wichtig. Der Arbeitgeber muss abwägen, ob die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt sind oder ob sich der Chef oder Kollegen einem nicht gerechtfertigten Vorwurf gegenübersehen.

Was Arbeitgeber gegen Mobbing tun können

Erhärtet sich der Verdacht, dass Mobbing vorliegt, sollte der Arbeitgeber unverzüglich handeln und dagegen vorgehen. Ist der Konflikt noch nicht zu weit fortgeschritten, lässt er sich durch eine Schlichtung häufig noch deeskalieren. Sinnvoll sind die folgenden Maßnahmen:

  • Mobbing-Tagebuch: Das Opfer sollte in einem Tagebuch alle Vorfälle sorgfältig dokumentieren und Beweise sammeln (z. B. E-Mails). In einem etwaigen Gerichtsprozess dient das Tagebuch als Nachweis. Zudem ist es im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung eine wichtige Basis für die Darlegung der Kündigungsgründe.
  • Sanfte Maßnahmen: Ist der Konflikt noch nicht zu weit fortgeschritten, könnte eine Mediation, eine Thema-Supervision oder ein Coaching deeskalierend wirken.
  • Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, sollte der Arbeitgeber das gesamte arbeitsrechtliche Spektrum ausschöpfen. Er kann eine Ermahnung oder Abmahnung aussprechen, den Mobber an einen anderen Arbeitsplatz um- bzw. versetzen oder als letztes mögliches Mittel die Kündigung aussprechen. Grundlage hierfür ist der Verstoß des Mobbers gegen seine Treuepflicht, nach der er verpflichtet ist, den Betriebsfrieden zu wahren.
  • Versetzung des Opfers: Mit Einverständnis des Mobbingopfers kommt auch dessen Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich infrage, um die Angelegenheit aufzulösen.

Verletzung der Fürsorgepflicht: welche Folgen drohen

Ignoriert der Arbeitgeber die Vorwürfe und ergreift die notwendigen Maßnahmen nicht, so verstößt er gegen seine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den Ausgleich des entstandenen Schadens. So kann er etwa Schmerzensgeld für gesundheitliche Folgen, eine Geldentschädigung für die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte oder Schadenersatz für finanzielle Verluste (z. B. Verdienstausfall durch längere Erkrankung) einfordern. Wird der Arbeitnehmer aufgrund eines im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) beschriebenen Merkmals diskriminiert, kommt auch ein Schadenersatzanspruch nach dem AGG in Frage. Dies ist der Fall, wenn das Mobbing aufgrund

  • der ethnischen Herkunft,
  • des Geschlechts,
  • der Religion,
  • der Weltanschauung,
  • einer Behinderung,
  • des Alters oder
  • der sexuellen Orientierung erfolgt.

Achtung: Mobbing ist rechtlich nicht nur für den Arbeitgeber relevant, sondern auch für den Mobber selbst. Mobbing an sich ist zwar in Deutschland nicht strafbar, weil es kein Anti-Mobbinggesetz gibt. Einzelne Verhaltensweisen des Mobbing-Täters können jedoch strafrechtlich relevant sein. So kommen je nach Ausprägung der Taten die Straftatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Verleumdung und der Körperverletzung in Betracht.

Um eine Verschlechterung des Betriebsklimas und eine Erhöhung der Fehlzeiten zu vermeiden, sollten Arbeitgeber vorsorgen und eine klare Haltung zum Thema Mobbing vertreten. Konkrete Regeln für den Umgang miteinander in der Belegschaft, die Einrichtung einer internen Beratungsstelle für mögliche Opfer und die Einbeziehung des Betriebsrats in die Anti-Mobbing-Strategie sind wichtige Eckpfeiler für die Prävention.

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