Starre Gehaltsmodelle genügen den Ansprüchen der digitalen Arbeitswelt nicht mehr. Mitarbeiter*innen wünschen sich mehr Flexibilität und reagieren positiv auf Leistungsanreize. Aber stimmt das auch noch in Zeiten der Pandemie? Denn was lange im Trend lag und beinahe unausweichlich erschien, ist längst nicht mehr so in Stein gemeißelt, wie es noch vor COVID-19 war.
Jack Welsh, der legendäre ehemalige CEO von General Electric (GE), war bekannt für seinen rabiaten Führungsstil und seinen Rat, dass Unternehmen jährlich zehn Prozent Ihrer Mitarbeiter*innen feuern sollten. Als Chef eines echten Mischkonzerns verfügte er über Erfahrung darüber, wie unterschiedliche Branchen ticken. Finanzleute ließen sich nur durch Geldanreize locken, Chemiker zögen ihre Motivation aus erfolgreichen Projekten, lautete seine Devise. Für ihn lag daher nahe, je nach Branche und Job unterschiedliche Kompensationsmodelle anzubieten und auf flexible Gehälter zu setzen.
Boni in der Krise
Nachdem bekannt wurde, dass mit Milliarden gestützte Unternehmen weiter Boni an ihre Vorstände auszahlen wollten, ging ein Aufschrei durch die Bundesrepublik. Wie Jens Koenen vom Handelsblatt schreibt, sind sie aber nicht „willkürliche Zusatzeinnahmen von Managern, die sich nur bereichern wollen“, sondern Teil der Vergütung.
Geradezu legendär sind Jahresendboni von teils über 9.000 Euro in der deutschen Automobilindustrie, wie sie der langjährige Spitzenreiter Porsche unisono an jeden Mitarbeiter ausgezahlt hat. Kritiker fragen sich allerdings, wo bei dem Gießkannenprinzip der Leistungsanreiz bleibt.
Führungskräfte und Außendienstmitarbeiter*innen im Vertrieb werden schon seit Jahrzehnten variabel vergütet und erhalten Boni und Provisionen für Geschäfts- oder Verkaufserfolge. Jetzt wird dieses Modell auch für „normale“ Angestellte interessant und ausdrücklich gewünscht, besonders von jüngeren männlichen Mitarbeitern, wie eine Studie der Universität Niederrhein ergab. In der aktuellen Krise werden traditionelle Modelle angesichts des massenhaften Aufbruchs ins Homeoffice ohnehin stärker hinterfragt. „Das haben wir immer schon so gemacht“, ist out.
Allerdings muss dabei mit alten Gewohnheiten gebrochen werden, denn das Fixgehalt ist weiterhin fest in der Unternehmenswelt verankert. Doch mit der Forderung nach Transparenz am aktuellen Arbeitsplatz sowie den sich ändernden Bedürfnissen und Präferenzen (insbesondere bei den jüngeren Generationen) beginnen viele Arbeitgeber damit, ihre Vergütungsmodelle weiterzuentwickeln. Der Zusammenhang zwischen Leistung und Belohnung tritt immer deutlicher zutage.
Viele Unternehmen wollen auch in der Krise weiterhin an Bonus- und Prämienzahlungen für Fach- und Führungskräfte in den Zielvereinbarungen festhalten und lehnen Kürzungen ab, so das Ergebnis der erst im Spätsommer veröffentlichten neuen „Führungskräftebefragung 2020“ der Wertekommission Technischen Universität München. Demnach spricht sich rund ein Drittel der Führungskräfte uneingeschränkt dafür aus, Boni und Dividenden zu zahlen, 22 Prozent sind eher dafür, nur weniger als jeder fünfte Manager ist dagegen.
Die Pandemie als “Brandbeschleuniger”
Total Rewards nennt eine Studie von Willis Towers Watson, wonach rund drei Viertel aller Unternehmen erwarten, dass sich die Vergütung durch agile und neuartige Arbeitsformen stark wandeln wird, auch wenn es derzeit meist noch an einem entsprechenden Stellenwertungssystem fehle. Florian Frank, Leiter Talent & Rewards bei dem internationalen Beratungsunternehmen aus Dublin, denkt allerdings, dass die Pandemie sich diesbezüglich noch als „Brandbeschleuniger“ erweisen werde.
Wichtig sei, die erforderlichen Veränderungen der Mitarbeiter im Blick zu behalten. Dazu gehörten auch sich verstärkende Trendthemen wie mehr Homeoffice, mehr Mobilität, Projektarbeit und das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine. Dies werde sich auch in der Vergütung widerspiegeln, ist Frank überzeugt und rät bei dessen Ausgestaltung, auch die „Employee Experience“ mit zu bedenken. Strategische Investitionen diesbezüglich würden sich auszahlen.
Krise trifft viele, bietet aber auch Chancen
Natürlich gibt es auch sogenannte „Corona-Gewinner“, allen voran die Bauunternehmen und Raumausstatter. Diese können sich vor Aufträgen in der Krise kaum retten, leisten Überstunden- und Sonderzahlungen, wo sie nur können, müssen ihre Mitarbeiter dennoch oft bremsen, weil sie gar nicht genug Material- und Warenlieferungen an Land ziehen können.
Aber Unternehmen und Mitarbeiter vieler anderer Branchen müssen in der Krise weiterhin bangen und aufgrund eines drohenden zweiten Lockdowns im Herbst oder Winter 2020 der Wahrheit ins Gesicht schauen. Bei vielen Gaststätten, Hotels und Tourismus sowie Freiberuflern sind Entlassungen und Firmenpleiten unausweichlich. In anderen Wirtschaftszweigen in Deutschland hilft die Kurzarbeit diese Vorgänge abzumildern. Ein Allheilmittel ist diese dennoch nicht, sondern ein metaphorisches Pflaster, um das Unvermeidliche hinauszuzögern, aber keineswegs aufzuhalten. Viele Führungskräfte zeigen sich daher solidarisch und verzichten auf Teile ihres Gehaltes, um die schlimmsten Härten abzufedern.
Angesichts von Kurzarbeit und vielen Branchen bzw. Berufszweigen, die sich am Boden befinden, ist allerdings fraglich, ob die Beschäftigten in der Krise nicht lieber doch ein höheres Fixum statt variabler Vergütung bevorzugen würden. Mündliche Versprechen für Prämien, Provisionen und Bonuszahlungen haben sich für so manche Fach- und Führungskraft in der Krise als wertlos erwiesen.
Eine Entwicklung, die sich nicht erst seit der Krise herauskristallisiert hat, sondern durch diese wohl nur noch weiter verstärkt wurde. Tatsache ist, dass die Gesellschaft der Arbeitnehmer*innen schon seit Jahren bei dieser Thematik ziemlich genau zweigeteilt ist. Auf der einen Seite stehen jene, die trotz der Krise weiterhin auf sich, ihre Arbeit und attraktive Boni setzen, weshalb sie einen variablen Gehaltsbestandteil weiterhin bevorzugen. Auf der anderen Seite halten sich allerdings die Angestellten auf, die auf Nummer sicher gehen und ein Festgehalt präferieren, auch auf die Gefahr hin, dass sie am Ende beim Jahresgehalt Einbußen gegenüber ihren Kollegen in Kauf nehmen müssen. Die Furcht zunächst einen Teil des Fixgehaltes auf die Gefahr hin abtreten zu müssen, dass sich die finanziellen Anreize aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht wieder hereinholen lassen, spukt wahrscheinlich in den Köpfen von vielen Mitarbeitenden herum wie ein gepeinigtes Schlossgespenst.
Hinzu kommen Unsicherheiten, was genau wo einzuordnen ist. Sind Sonderzahlungen wie Schichtzulagen und Provisionen variable Bestandteile des Monatsgehaltes? Laut anwalt.de müssen diese bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes Berücksichtigung finden, während dieses auf einmalig gezahlte Vergütungen wie Boni nach § 106 Abs. 4 SGB III nicht zutrifft. Schwierig ist den Juristen zufolge auch, dass der Paragraf bei der Berechnung den Durchschnitt der letzten drei Monate als Messlatte sieht, die Bundesagentur für Arbeit aber nur den letzten Monat berechnet.
Nichtsdestotrotz bietet jede Krise auch Chancen, und es ist an der Zeit, sich mit den langfristigen Effekten der Gehaltssituation auseinanderzusetzen und alles bisherige auf den Prüfstand zu stellen. „Für Unternehmen ist die Krise auch eine gute Gelegenheit, überholte Systeme anzupassen und bewährte noch einfacher und effizienter zu gestalten“, urteilt Dr. Christina Abel, HPK Deutschland, beim Round Table Compensation & Benefits von www.personalwirtschaft.de.
Der Wunsch nach Wandel
Der Digitalverband Bitkom hat festgestellt, dass viele Arbeitgeber ihren Angestellten neueste digitale Technik, Gratisverpflegung und flexibles Arbeiten anbieten.
Es scheint, dass diese indirekten Leistungen ebenso wie Mobilitätszuschüsse bei Tickets für den Öffentlichen Personen- und Nahverkehr, Job-Fahrrädern oder gemieteten Elektrorollern ebenso zu starken zusätzlichen Motivatoren und einem Instrumenten zur Mitarbeiterbindung werden wie Mitgliedschaften im Fitnessstudio oder Sportangebote mit Personal Trainern direkt im eigenen Unternehmen. Hingegen erfreut sich der gute alte Firmenwagen längst nicht mehr der gleichen Beliebtheit, wie er es noch vor zehn oder zwanzig Jahren getan hat. Da sich die Vergütungsstruktur ändert, fordern die Arbeitnehmer*innen Leistungen von Unternehmen, die einen Mehrwert für ihr Leben schaffen und sie zufriedener machen. Fortschrittliche Arbeitgeber bieten vom Unternehmen gesponserte Sabbaticals, Jobsharing-Vereinbarungen und produktivitätsorientierte Arbeitszeiten, um die Work-Life-Balance zu verbessern und die Hürden bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie effektiver zu meistern.
Zufriedene Mitarbeiter*innen sind also längst nicht mehr allein durch Geld zu motivieren, wenn überhaupt haben Bonuszahlungen nur einen kurzfristigen Effekt, der nach einer geringen Zeitspanne einfach verpufft. Was ist also der nächste Schritt, wenn Angestellte aus der traditionellen Entlohnung herauswachsen? Eindeutig höhere Anreize. Sie fördern das Produktivitätsniveau der Mitarbeiter*innen und vertiefen die Unternehmenskultur. Die Arbeitgeber müssen flexible Vergütungspläne entdecken, die Anreize einsetzen, die für ihr Unternehmen am besten geeignet sind.
Viele Start-ups setzen als Incentives beispielsweise auf flexible Arbeitszeiten, Gratisgetränke und Speisen, Teamevents, ortsunabhängiges Arbeiten, Ruheräume, Yoga, Kicker oder Tischtennis. Einige bieten sogar kostenfreie Massagen während der Arbeitszeit an.
Motivieren können Zeitwertkonten, mit denen Arbeitszeit angespart und zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeit umgewandelt werden kann. Eine betriebliche Altersversorgung kann helfen, die Deckungslücken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu schließen. Jungen Leuten unter 40 kann man damit aber oft nicht groß imponieren, weil sie noch gar nicht wissen, welchen Umfang ihre Rente tatsächlich haben wird.
Zielvereinbarungen als Motivator
Kurzfristige Anreize belohnen Tatkraft, Produktivität und Verhaltensweisen, die sich auf das Endergebnis des Unternehmens auswirken. Anreize fördern auch Teamarbeit und Zusammenarbeit. Spielerische Elemente und Wettbewerbe (Gamifizierung) und die Anerkennung geleisteter Arbeit (soziale Validierung) sind auf dem Vormarsch.
Wettbewerbe und Programmanreize sorgen dafür, dass Ziele auf unterhaltsame und verständliche Weise erreicht werden. Auszeichnungen und Awards wie beispielsweise „Mitarbeiter*innen des Monats“ können die Zufriedenheit der einzelnen Personen stark erhöhen. Ein anderes Beispiel ist ein „Innovation Award“, mit dem besonders gute Ideen gewürdigt werden.
Händigen Sie Ihren Angestellten dabei nicht einfach grußlos eine Urkunde aus, sondern zelebrieren Sie das Ganze auf Ihrer Weihnachtsfeier, lautet der Rat von rexx systems. Die Freude ist viel größer, wenn die gesamte Firma mitbekommt, wer Ausgezeichnetes geleistet hat.
Ein Unternehmen, das bei Arbeitgeberwettbewerben wie „Great Place to Work“ oder dem „rexx Recruiting Award“ teilnimmt und erfolgreich ist, demonstriert den Angestellten, dass sie wirklich in einer sehr guten Firma arbeiten.
Am Ende sind das aber alles Maßnahmen, die nur kurzfristig von Erfolg gekrönt sind und sich aber selten auf lange Sicht im wahrsten Sinne des Wortes für beide Seiten auszahlen. Um aber genau dies zu erreichen, empfiehlt es sich, sich an der These des österreichischen Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl zu orientieren, um die Angestelltenmotivation und Mitarbeitermotivation hochzuhalten. Der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse sieht den Grundstein der Motivation für Menschen im Erleben von Sinn. Gemeint ist: Das Menschen im beruflichen wie im privaten Kontext etwas schaffen, etwas gestalten. Das kann ein Projekt sein, ein kreatives Werk, um ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Fähigkeiten zu gleichen Teilen geschätzt und gebraucht werden.
Das heißt jetzt aber nicht, dass dem Mitarbeitenden nur Aufgaben zugeteilt werden, die ihm Spaß machen oder er sich diese womöglich noch selber aussucht. Tatsächlich kommt es darauf, der Belegschaft zu vermitteln, dass diese die übertragenen Aufgaben als sinnvoll erlebt und notwendig für den Erfolg erachtet. Das lästige Pflegen von Excel-Tabellen oder der langwierige Monatsreport sind nur zwei Beispiele, die selten vom Personal geliebt werden, aber für die Nachverfolgung und Protokollierung von Zielvorgaben notwendig sind.
Bei der Dokumentation von Veränderungen spielen betriebsinterne Umfragen eben so eine wichtige Rolle, wie stets ein offenes Ohr zu haben. Was motiviert einen Mitarbeitenden? Was wirkt sich demotivierend aus? Welche neu eingeführte Maßnahmen und Motivationsanreize greifen und welche nicht? Aber auch diese Aspekte sind immer mit Vorsicht zu genießen. Am Ende sollten Personaler sich grundlegend von der Vorstellung verabschieden, dass man es allen Angestellten recht machen kann.
Manche wollen die Sicherheit eines Festgehalts nicht verlieren, während andere lieber auf sich selber und ihre Arbeit setzen, um daraus ihre Motivation zu ziehen und ihre Ziele zu erreichen und wieder andere möchten vielleicht ein Mix aus beiden Optionen oder noch etwas ganz anderes.
Jeder Mitarbeitende ist verschiedene und hat seine eigenen, individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen.
Sicherlich sollten diese in der Unternehmenskultur und dem Betriebsklima Berücksichtigung finden. Dennoch darf man nicht alles auf die Goldwaage legen, da man sonst Gefahr läuft sich im Kleinen zu verlieren, anstatt das große Ganze im Blick zu behalten. Daher sollten Personalverantwortliche ihre Fantasie spielen lassen, sich Neues überlegen und darüber informieren, was anderswo funktioniert, um es auf das eigene Unternehmen zu übertragen.
Gleichzeitig sollte man weiterdenken, vor allem in der derzeitigen Coronakrise … aber auch darüber hinaus. Denn gerade jetzt sollte man alles auf den Prüfstand stellen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Zusammenfassung und Abschlussgedanken
Ob nun Bonuszahlungen und variable Vergütung oder Festgehalt sind nur ein Teil davon. Und auch hier wird die Zeit erst zeigen, wohin sich der Trend entwickelt, da eine aussagekräftige Studie zu diesem Thema mit Fokus auf vor und nach COVID-19 derzeit noch aussteht. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sich auch unabhängig von der Branche die Tendenz eher zurück in Richtung Fixgehalt wandelt, zumal auch etliche Fach- und Führungskräfte in Coronazeiten auf ihr flexible Vergütung verzichtet haben oder verzichten mussten.
Andererseits hat die Krise auch viele Trendthemen im Personalmanagement, Talentmanagement und Recruiting noch verstärkt. Themen wie Homeoffice, Remote Work und mobiles Arbeiten sind da nur die Spitze des Eisbergs. Und das werden, wenn auch nicht sofort, die wahren „Brandbeschleuniger“ für flexible Vergütungsmodelle sein. Dazu gehören nicht nur Bonus- und Prämienzahlungen, sondern auch Zeitkonten, Zuschüsse zu Fitnessstudios und Betriebsrenten, auch wenn die Auszahlung für viele junge Leute noch in weiter Ferne liegt.
Genau deshalb ist es für ein Unternehmen essenziell, auf die eigenen Angestellten zu hören und ihnen in einigen bis vielen Belangen auch entgegenzukommen. Da sind weiterhin unterschiedliche bzw. individuelle Kompensationsmodelle einer von vielen möglichen Wegen. Komplett versteifen sollte man sich darauf aber nicht und stattdessen den Fokus darauf legen, dass sich die Belegschaft mit den eigenen Zielen und den Unternehmenszielen arrangiert und im besten Fall identifiziert. Mehr kann und sollte man nicht erwarten.
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