Die Corona-Pandemie und die zunehmende Digitalisierung sorgen für einen grundlegenden Wandel in der Arbeitswelt. Flexible Arbeitsmodelle, wie Homeoffice, Remote Work oder Jobsharing gewinnen immer mehr an Bedeutung und haben sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmende Vorteile. In diese Reihe zählt inzwischen ein neuer Trend, der auf dem Vormarsch ist: Workation.
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Die Idee hinter Workation ist denkbar einfach: Arbeitnehmende arbeiten dort, wo andere ihren Urlaub verbringen. Der Begriff ist eine Wortneuschöpfung aus den englischen Wörtern „Work“ und „Vacation“ und beschreibt die Verschmelzung von Arbeit und Urlaub. Was sich auf den ersten Blick ausschließen mag, findet hier zusammen. Dank der digitalen Vernetzung ist es inzwischen in zahlreichen Berufen möglich, flexibel von Urlaubsorten aus zu arbeiten.
Dabei ist Workation nicht mit dem sogenannten Work and Travel zu verwechseln, bei dem vornehmlich junge Menschen um die Welt reisen und ihren Aufenthalt im Ausland durch Gelegenheitsjobs finanzieren. Im Unterschied dazu gehen Arbeitnehmende bei Workation ihrem Hauptjob im Ausland nach. Das Arbeitsmodell ist ein wachsender Trend, was auch die Tourismusbranche zu spüren bekommt. Inzwischen gibt es entsprechende Angebote, das heißt, einige Hotels bieten dieser neuen Zielgruppe Zimmer mit Büroausstattung, WLAN und Druckern an oder Coworking-Spaces. Bei einigen Reiseanbietern ist es sogar möglich, Workation-Angebote als Gesamtpaket zu buchen.
Auch für Arbeitgeber kann Workation als flexibles Arbeitsmodell ein wertvolles Mittel in Zeiten des Fachkräftemangels sein. Die PwC-Studie “Workation zwischen Wunsch und Wirklichkeit 2024” zeigt, dass mobiles Arbeiten aus dem Ausland für viele Arbeitnehmer attraktiv ist. 57 % der Befragten sehen Workation als wichtiges Kriterium bei der Jobwahl, und 30 % würden eine Stelle ablehnen, wenn dies nicht angeboten wird. Dennoch sind Workation-Regelungen oft unklar: 19 % der Beschäftigten kennen die Prozesse nicht.
Workation: Für wen ist Arbeiten im Urlaub geeignet?
Der Trend ist nicht mehr länger nur digitalen Nomaden oder Freelancern vorbehalten. Durch die zunehmende Digitalisierung von Arbeitsabläufen und der Option im Homeoffice zu arbeiten, ist Workation auch für andere Mitarbeitende möglich. Allerdings eignet es sich nicht für alle Berufsgruppen, sondern nur für solche Jobs, für die keine Anwesenheit im Betrieb erforderlich ist und die vollständig oder teilweise im Homeoffice ausführbar sind. Dazu zählen zum Beispiel:
- Programmierer und Softwareentwickler
- Blogger und Texter
- Vlogger und Podcaster
- Projekt- und Marketingmitarbeitende
- Business-Analysten
- SEO-Spezialisten
- Grafikdesigner
- Übersetzer
- Coaches
- PR-Experten
- Lektoren
- Anforderungsanalytiker
- Buchhalter
Sie arbeiten ausschließlich digital und nutzen dafür mobile Endgeräte. In welchem Land sie sich während der Workation aufhalten, ist individuell unterschiedlich. Manche nutzen das Arbeitsmodell, um in der kalten Jahreszeit ihren Lebensmittelpunkt in wärmere Länder zu verlegen.
Aber auch Urlaubsgebiete im Inland, wie Nord- und Ostsee, oder andere Urlaubsländer eignen sich für die Verschmelzung von Arbeit und Erholungsurlaub.
Rechtliche Anforderungen beim Homeoffice im Ausland
Arbeitnehmende, die ihre Arbeit an einen Urlaubsort verlegen möchten, müssen das in jedem Fall mit ihrem Arbeitgeber bzw. Auftraggeber abstimmen. Es ist empfehlenswert, die wichtigsten Details schriftlich zu fixieren, wie zum Beispiel Regelungen in Bezug auf die Arbeitszeit, die Erreichbarkeit, die Dauer der Workation sowie die Erstattung von Kosten.
Besondere Berücksichtigung sollten rechtliche Aspekte finden, etwa in Bezug auf das Arbeitsrecht, Steuerrecht und die Sozialversicherungspflicht. Folgende rechtliche Anforderungen ergeben sich bei einer Workation, die es vorab zu klären gilt:
- Arbeitserlaubnis: Aufgrund des Freizügigkeitsabkommens, das innerhalb der EU und in der Schweiz gilt, benötigen Arbeitnehmende keine Arbeitserlaubnis, wenn sie im Ausland aus dem Homeoffice arbeiten. Außerhalb der EU sind jedoch die nationalen Vorschriften des jeweiligen Landes zu beachten.
- Arbeitsrecht: Das deutsche Arbeitsrecht greift allerdings nur bei Auslandstätigkeiten von maximal vier Wochen, vorausgesetzt das Arbeitsverhältnis und die Beschäftigung haben ihren Schwerpunkt in Deutschland. Bei einem längeren Aufenthalt sind die nationalen Regelungen der Länder zu beachten und es ist gegebenenfalls ein Arbeitsvisum zu beantragen. Unternehmen können zudem eine Auftragnehmer-Vereinbarung abschließen, sodass der Arbeitnehmende als Freelancer gilt und nicht mehr als Angestellter.
- Arbeitszeitgesetz: Bei einer Workation, die nur für einen bestimmten Zeitraum vorgesehen ist, gilt aus rechtlicher Sicht das deutsche Arbeitszeitgesetz. Das bedeutet, dass Arbeitnehmende dazu verpflichtet sind, ihre tägliche Arbeitszeit zu dokumentieren.
- Sozialversicherung: Bei Aufenthalten in einem EU-Land sowie der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island, greift die deutsche Sozialversicherungspflicht, wenn der Arbeitnehmende mindestens 25 Prozent seiner Arbeitszeit in Deutschland ableistet. Voraussetzung ist, dass es sich um einen deutschen Arbeitgeber handelt und der Mitarbeitende seinen dauerhaften Wohnsitz in Deutschland hat. Befindet sich der Tätigkeitsort in der EU und dauert die Workation mehr als drei Monate, ist der Arbeitnehmende im jeweiligen Land sozialversicherungspflichtig. Wer für einen bestimmten Zeitraum in einem anderen EU-Land leben und arbeiten möchte, kann von seinem Arbeitgeber eine A1-Bescheinigung verlangen. Außerhalb der Europäischen Union gilt bezüglich des Sozialversicherungsrechts das jeweilige Abkommen zwischen Deutschland und dem betreffenden Land.
- Steuern: Bei einer Workation, die nicht mehr als 183 Tage im Jahr beträgt, gilt das deutsche Lohnsteuerrecht. Dauert die Beschäftigung länger, ist der Arbeitnehmende im Urlaubsland steuerpflichtig.
Workation: Vor- und Nachteile
Die Verbindung von Urlaub und Arbeit ist sowohl für Arbeitnehmende als auch Arbeitgeber mit einigen Vorteilen verbunden.
Workation-Vorteile für Arbeitnehmende:
- mehr Flexibilität
- Perspektivwechsel
- Austausch mit Gleichgesinnten, Kontakte knüpfen und Netzwerk erweitern (Coworking)
- fördert Kreativität und Arbeitsmotivation
Workation-Vorteile für Arbeitgeber:
- steigert die Attraktivität als Arbeitgeber (Employer Branding)
- junge Nachwuchskräfte gewinnen und binden
- wirkt sich positiv auf Mitarbeitermotivation und Arbeitsproduktivität aus
- stärkt das Teambuilding, wenn ganze Teams Workation nutzen
Auf der anderen Seite können mit dem Homeoffice im Ausland allerdings auch Risiken und Herausforderungen verbunden sein. Das sind die Nachteile:
Workation-Nachteile für Arbeitnehmende:
- nicht jeder kommt mit der Vermischung von Arbeit und Freizeit zurecht
- direkter Austausch mit den anderen Kollegen fehlt ggf. auf Dauer
- Kritik durch Arbeitskollegen, die aus Neid oder Missgunst entsteht
Workation-Nachteile für Arbeitgeber:
- Hoher Kommunikations- und Koordinationsaufwand
- Keine Kontrolle darüber, wie der “Workationer” seine Aufgaben erledigt
- Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit (Erreichbarkeit, Arbeitszeiten)
Wie kann Workation gelingen? Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmende:
Damit Workation funktioniert, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. In erster Linie sollten Arbeitgeber das Arbeitsmodell nur dann anbieten, wenn sie es tatsächlich organisieren können und Arbeitnehmende von sich aus bereit dazu sind. Beide Seiten sollten sich genau abstimmen und vorab ihre Erwartungen deutlich machen, wie das Workation-Modell gelingen kann. Dazu gehört nicht allein, Ort und Dauer festzulegen, sondern auch Arbeitszeiten, Erreichbarkeit oder den Umgang mit kurzfristigen Aufgaben zu klären. Folgende Aspekte sollten vorab überprüft und abgeklärt werden:
- Arbeitsausstattung klären: Das Equipment kann erhebliche Auswirkungen auf die Effizienz der Arbeit haben. Eine entsprechende Ausstattung im Hotelzimmer ist deshalb Grundvoraussetzung. Dazu gehört ein Schreibtisch oder das Vorhandensein eines Coworking-Spaces. Das Wichtigste ist jedoch eine schnelle Internetverbindung, vor allem bei großen Datenmengen. Auch ein klimatisierter Arbeitsraum kann bei hohen Außentemperaturen sinnvoll sein.
- Arbeitszeiten: Vor dem Antritt der Workation sollte klar sein, wann der Mitarbeitende arbeitet. Es spielt keine Rolle, ob er seine Arbeit täglich acht Stunden lang zu den üblichen Bürozeiten erledigt, oder wochenweise zwischen Urlaub und normaler Arbeitszeit. Arbeitnehmende können ihre Arbeitszeit zusätzlich durch Fokuszeiten oder Timeboxing besser strukturieren.
- Erreichbarkeit: Um den Austausch mit Arbeitskollegen zu ermöglichen und zu erleichtern, ist es sinnvoll, Zeitfenster für Video- und Telefongespräche zu fixieren sowie die Erreichbarkeit zu den Geschäftszeiten zu klären. Im besten Fall befinden sich Urlaubs- bzw. Arbeitsort und Unternehmenssitz in derselben Zeitzone.
- Inhaltliches Ziel definieren: Arbeitnehmende können gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber vorab klären, an welcher Aufgabe sie während der Workation konkret arbeiten und welches Ziel sie erreichen wollen.
- Organisation: Gemeint ist die gesamte Planung und Umsetzung, von der Suche nach einem geeigneten Reiseort, der Buchung von Hotel sowie Hin- und Rückflügen, der Klärung der Finanzierung der Reisekosten und dem Festlegen der Regelungen für Reiserücktritt oder -abbruch. Wichtig ist zudem dafür zu sorgen, dass alle Kommunikations- und Zahlungsmittel im Ausland funktionieren.
- Versicherungsschutz eindeutig klären und regeln, wie zum Beispiel Auslandskrankenversicherung, Sozialversicherung etc.
- Regelmäßig die Empfehlungen und Warnungen des Auswärtigen Bundesamts prüfen und beachten.
- Wichtige Personen, die mit dem “Workationer” zusammenarbeiten, sind zu informieren, wie zum Beispiel Kollegen im Unternehmenssitz, Geschäftspartner oder Kunden.
Zudem spielen die Kompetenzen des Arbeitnehmenden eine entscheidende Rolle. Nicht jeder ist für Workation gemacht. Wichtig sind neben einem hohen Maß an Disziplin und Eigenverantwortung, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Arbeitsmodellen, ein gutes Zeitmanagement, Selbstbewusstsein sowie sehr gute Kommunikationsfähigkeiten.
Workation: Zwischen Vorurteilen und Chancen – Warum Arbeitgeber umdenken sollten
Viele Arbeitgeber stehen dem Konzept der Workation skeptisch gegenüber. Häufige Vorurteile beinhalten die Sorge, dass die Produktivität leidet, da das Arbeiten in einem Urlaubsumfeld potenzielle Ablenkungen mit sich bringt. Auch die Zusammenarbeit im Team wird kritisch gesehen, da unterschiedliche Orte und Zeitzonen spontane Absprachen erschweren könnten. Technische und rechtliche Herausforderungen, wie unsicherer Internetzugang oder Fragen zur Arbeitszeiterfassung und zum Datenschutz, bereiten ebenfalls Kopfzerbrechen. Zudem besteht die Befürchtung, dass die Workation eher als erweiterter Urlaub genutzt wird und dadurch Arbeitsdisziplin und -zeiten vernachlässigt werden. Ein weiteres Argument gegen Workation ist die potenzielle Ungleichbehandlung im Team, da nicht alle Mitarbeiter von dieser Möglichkeit gleichermaßen profitieren können. Schließlich sorgt sich mancher Arbeitgeber, dass häufige Workations das Zugehörigkeitsgefühl und die Unternehmenskultur schwächen könnten. Diese Vorurteile entspringen oft Unsicherheiten gegenüber flexiblen Arbeitsmodellen und mangelnder Erfahrung damit.
Dennoch stehen diesen Vorurteilen viele Vorteile gegenüber. Workations können nicht nur die Motivation und Kreativität der Mitarbeitenden steigern, sondern auch zur Work-Life-Balance beitragen und das Employer Branding stärken. Flexible Arbeitsmodelle wie diese fördern oft das Wohlbefinden der Belegschaft und steigern langfristig die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung. Wenn klar definierte Strukturen und klare Kommunikation gewährleistet sind, können Unternehmen von einer gesteigerten Produktivität und einer moderneren, flexibleren Unternehmenskultur profitieren.