Das Scoring-Verfahren bietet im Bereich Human Resources (HR) zahlreiche Möglichkeiten, um das Recruiting zu erleichtern und effektiver zu gestalten. Indem die Merkmale von Bewerbern mit einer bestimmten Punktzahl ausgedrückt werden, ist das Scoring-Verfahren eine wichtige Entscheidungsgrundlage im Personalauswahlprozess.
Definition: Was versteht man unter dem Scoring-Verfahren?
Der Begriff Scoring-Verfahren leitet sich vom englischen Wort „to score“ oder „score“ ab und bedeutet übersetzt „punkten“ oder „Punktestand“. Darunter wird ein mathematisch-statistisches Punktebewertungsverfahren verstanden, das bei der Personalauswahl im Rahmen des Recruitings Anwendung findet. Die Grundlage bilden verschiedene Einzelinformationen und -daten von Personen, die durch eine bestimmte Punktzahl oder eine Prozentzahl ausgedrückt werden. Das bedeutet, die erreichte Gesamtpunktzahl bzw. der Prozentsatz eines Bewerbers oder Mitarbeitenden gibt Aufschluss darüber, ob dieser die Anforderungen einer ausgeschriebenen Stelle erfüllt oder nicht.
Relevanz des Scorings für HR und Recruiting
Mithilfe von Scoring-Tools können Personaler potenzielle Kandidaten nicht nur besser einschätzen und eine erste Vorauswahl treffen. Sie erleichtert ihnen auch die Entscheidung zwischen schwer zu unterscheidenden Alternativen. Das Scoring-Verfahren gewinnt insbesondere für große Unternehmen an Relevanz, die auf Stellenanzeigen eine Vielzahl von Bewerbungen erhalten. Die Sichtung der eingehenden Bewerbungsunterlagen erfolgt in der Regel händisch und ist mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Indem der Algorithmus Bewerberprofile und Anforderungsprofil der Stelle anhand vorab definierter Kriterien miteinander abgleicht, erleichtert er die Vorauswahl geeigneter Kandidaten. Das spart Zeit und verkürzt das Auswahlverfahren merklich.
Darüber hinaus kann es passieren, dass sich Personaler auf Details in Bewerbungen und Lebensläufen fokussieren, die ihr Urteil beeinflussen. Die Software trifft dagegen Entscheidung basierend auf objektiven Kriterien, was das Fehlerrisiko minimiert. Zudem gewährleistet sie ein höheres Maß an Chancengleichheit, da sich der Algorithmus im Unterschied zu einem Personaler von Geschlecht oder Herkunft eines Bewerbers nicht ablenken lässt.
Wie funktioniert das Scoring-Verfahren bei Bewerbungen und Co.?
Damit Scoring-Tools geeignete Kandidaten für eine Vakanz herausfiltern können, gilt es zunächst einige Vorbereitungen zu treffen. Es ist erforderlich, die Durchführung des Scoring-Verfahrens genau zu durchdenken und gegebenenfalls an die offenen Stellen anzupassen. Entscheidend ist jedoch, dass die Ergebnisse vergleichbar, transparent und nachvollziehbar sind.
Im ersten Schritt erfolgt daher zunächst das Erfassen der wichtigsten Kriterien und Eigenschaften, die ein Bewerber aufweisen soll. Wichtig ist, dass es sich um objektiv messbare Merkmale handelt, wie zum Beispiel relevante Sprach- oder Softwarekenntnisse. Zudem ist sicherzustellen, dass diese überschneidungsfrei sein. Das heißt, ein Kriterium darf gegenüber einem anderen nicht zu stark gewichtet und in mehreren Zeilen erfasst werden.
Im zweiten Schritt folgt die Gewichtung der Kriterien, indem eine Bewertungsskala festgelegt wird, wie zum Beispiel ein Punktesystem von 1 bis 6. Hierbei sind bei allen Aspekten entsprechende Spielräume zu berücksichtigen. Um Subjektivität zu vermeiden, ist außerdem darauf zu achten, dass die Abstimmung durch mehrere Personen erfolgt.
Bei der Durchführung entspricht jedes abgefragte Kriterium einer bestimmen Anzahl von Punkten auf einer Bewertungsskala. Ein mögliches Punktebewertungsmodell für ein Kriterium wäre zum Beispiel: 0 Punkte = nein, 1 Punkt = teilweise, 2 Punkte = ja. Für jeden Bewerber wird im Scoring-Verfahren schließlich eine gewichtete Punktzahl ermittelt. Je höher die Punktzahl, desto besser passt der Bewerber auf eine ausgeschriebene Stelle. Abhängig von der Höhe der Punktzahl und der Übereinstimmung mit der Stellenbeschreibung besteht dann die Möglichkeit, einen Kandidaten
- direkt zu einem Vorstellungsgespräch beim Personaler einzuladen (Eins-zu-eins-Übersteinstimmung),
- genauer anzuschauen, um ihn besser einzuordnen, z.B. bei einem Telefoninterview (hohe Übereinstimmung)
- einzuladen, mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben, um ihn später auf neue Jobangebote aufmerksam zu machen, oder ihn in den Talentpool aufzunehmen (geringe Übereinstimmung).
In der Regel wird der Kandidat mit der höchsten Punktzahl favorisiert, wodurch das Scoring-Verfahren meist objektiver ist als die einseitige Einschätzung durch einen Personaler. Scoring-Tools bieten zudem zahlreiche Automatisierungsfunktionen, die das Auswahlverfahren zusätzlich erleichtern, wie zum Beispiel die automatische Einladung des Kandidaten sich in einen Talentpool einzutragen.
Einsatzbereiche von Scoring-Tools und Beispiele: Welche Daten werden ermittelt?
Das computergestützte Scoring-Verfahren bietet sich vor allem für den ersten Schritt des Auswahlprozesses an, wenn es darum geht, eine erste Vorauswahl zu treffen. Das automatisierte Scoring macht es beispielsweise möglich, Lebenslauf-Daten in Echtzeit mit den Anforderungen eines Stellenprofils abzugleichen. Die Bewertung der Passgenauigkeit erfolgt dann wie bereits oben ausgeführt, mithilfe eines Punktestands. Mögliche Kriterien, die der Algorithmus vergleichen kann, sind zum Beispiel:
- erste Sprachkenntnisse
- notwendige Softwarekenntnisse
- Berufserfahrung: 10 Jahre in einem Unternehmen oder 10 verschiedene Jobs in 10 Jahren?
- Ausbildung (Diplom, Meisterbrief etc.)
- Wünsche und Bedürfnisse des Bewerbers: Teilzeit oder Vollzeit, befristetes oder unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, Festanstellung oder freiberufliche Tätigkeit, Reisebereitschaft?
Scoring-Verfahren können aber ebenfalls dazu verwendet werden, dass Bewerber mit der Software vorgefertigte Aufgaben erledigen. Zudem kommen die Scoring-Tools häufig in Assessment-Centern zum Einsatz, etwa im Rahmen von Rechen-, Grammatik- oder IQ-Tests. Sie können aber auch eingesetzt werden, um die Motivation der Mitarbeitenden zu analysieren und zum Beispiel frühzeitig zu erkennen, ob einzelne Angestellte bereit sind, den Job zu wechseln und das Unternehmen zu verlassen.
Subjektive Kriterien und Datenschutz als Herausforderungen beim Scoring
Das Scoring-Verfahren und die Verwendung von Algorithmen können bei der Personalbeschaffung zwar viel Zeit sparen und die Vorauswahl erleichtern. Allerdings stößt das Entscheidungsverfahren dort an seine Grenzen, wo es einen Bewerber in seiner ganzen Persönlichkeit zu erfassen gilt und subjektive Kriterien ins Spiel kommen. Viele wichtige weiche Faktoren lassen sich mit dem Scoring-Verfahren nur schwer erfassen, darunter die Persönlichkeit eines Bewerbers, seine Passfähigkeit zur Unternehmenskultur sowie Soft Skills, zum Beispiel:
- Teamfähigkeit
- Kreativität
- Organisationstalent
- Empathie
- Stressresistenz
- Auffassungsgabe
Derartige subjektive Kriterien kann im weiteren Auswahlverfahren nur ein Mensch beurteilen, sodass sich das Scoring-Verfahren am besten für den ersten Schritt im Personalauswahlprozess eignet.
Bei der Erhebung und Verarbeitung der Informationen haben Arbeitgeber zudem darauf zu achten, dass sie sich an die gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzes halten, die im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt sind. Gemäß § 31 BDSG gelten folgende Bedingungen für ein datenschutzkonformes und zulässiges Scoring:
- Daten müssen nachweislich erheblich sein für die Berechnung
- Verantwortliche halten die Datenschutzrecht-Vorschriften ein
- die Berechnung ist ein anerkanntes mathematisch-statistisches Verfahren
- für die Berechnung werden nicht ausschließlich Adressdaten verwendet – falls doch, sind Arbeitnehmende bzw. Bewerber über die Nutzung ihrer Daten zu informieren, was (schriftlich) zu dokumentieren ist
Darüber hinaus muss das Unternehmen im Vorfeld eine Datenschutz-Folgeabschätzung (DSFA) vornehmen (§ 35 DSGVO).