Der Ukraine-Krieg hat eine riesige Welle der humanitären Hilfe ausgelöst. Zeitgleich bietet sie Arbeitgebern Chancen. Mit der Flüchtlingswelle sind bereits über 380.000 Menschen nach Deutschland gekommen, darunter zahlreiche Fachkräfte und Akademiker. Arbeitgeber, die ukrainische Geflüchtete dabei unterstützen wollen, in Deutschland Fuß zu fassen, können diese beschäftigen. Allerdings nur, wenn die erforderlichen Voraussetzungen rund um den Aufenthaltstitel und die Arbeitserlaubnis erfüllt sind.
Massenzustrom-Richtlinie erleichtert Arbeitsaufnahme
Eigentlich müssten Geflüchtete aus Drittländern einen Asylantrag stellen und abwarten, bis ihnen eine Arbeitsgenehmigung erteilt wird. Allerdings haben die Mitgliedstaaten der EU 2001 infolge der Balkankriege die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie (2001/55/EG) geschaffen. Um die aktuelle Situation unbürokratisch bewältigen zu können, wurde die Richtlinie reaktiviert.
Für ukrainische Flüchtlinge bedeutet dies:
- Sie müssen keinen Asylantrag stellen.
- Sie stellen einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz.
- Die Behörde stellt eine „Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz“ aus, die befristet für ein Jahr gilt. Eine Verlängerung auf bis zu drei Jahre ist möglich.
- Wurde dennoch ein Asylantrag gestellt, ruht das Verfahren, solange die Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz gilt.
Beantragen können die Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz ukrainische Staatsangehörige sowie Staatenlose und Staatsangehörige von Drittländern, die vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs einen internationalen Schutz genossen haben oder eine gültige unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Ukraine hatten. Ebenso fallen ihre Familienangehörigen unter die Regelung.
Arbeitserlaubnis: ukrainische Geflüchtete in Deutschland beschäftigen
Artikel 12 der Massenzustrom-Richtlinie ermöglicht ukrainischen Flüchtlingen, eine Arbeitsstelle anzunehmen oder sich selbstständig zu machen. Grundsätzlich reicht eine Aufenthaltserlaubnis nicht automatisch, um eine Tätigkeit im Inland aufnehmen zu dürfen. Allerdings gibt es in der aktuellen Situation Besonderheiten.
Flüchtlinge dürfen bereits die Arbeit aufnehmen, wenn sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gestellt haben. Sie erhalten eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, die für die Arbeitsaufnahme ausreicht. Sobald die Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde ausgestellt wird, erfolgt die Eintragung, dass die Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Weist das Aufenthaltsdokument lediglich eine erlaubte „Beschäftigung“ aus, ist nur eine unselbstständige Tätigkeit möglich.
Trotz dieser Sonderregelung müssen Arbeitgeber kontrollieren, ob eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis besteht. Ist dies nicht der Fall, können sie ihre zukünftigen ukrainischen Arbeitnehmer dabei unterstützen, die erforderlichen Dokumente zu beschaffen. Eine Beschäftigung ist dann aber noch nicht möglich. Eine Genehmigung seitens der Agentur für Arbeit ist für ukrainische Flüchtlinge nicht notwendig. Teil der derzeitigen Sonderregelungen ist, dass sowohl die sogenannte Vorrangprüfung entfallen kann als auch für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis kein bestehendes Arbeitsverhältnis oder eine bestimmte Qualifikation nachgewiesen werden muss.
Arbeitsverträge mit ukrainischen Flüchtlingen: einige Besonderheiten
Jeder ukrainische Flüchtling, der mit seiner Aufenthaltserlaubnis auch die Arbeitserlaubnis erhalten hat, kann wie ein normaler deutscher Arbeitnehmer eingestellt werden. Insoweit gibt es zunächst keine speziellen Anforderungen an den Arbeitsvertrag. Dennoch ist es im Hinblick auf die besondere Situation sinnvoll, einige weitere Regelungen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen:
- Befristung: Ukrainische Geflüchtete erhalten vorerst nur eine zeitlich befristete Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr. Es ist deshalb sinnvoll, einen befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag sachgrundlos von vornherein auf die aktuell genehmigte Dauer der Arbeitserlaubnis befristen. Wird diese verlängert, kann analog eine Verlängerung der Befristung erfolgen. Alternativ bietet sich ein Arbeitsvertrag ohne festes Ende, dafür aber mit Zweckbefristung an. Das Arbeitsverhältnis endet dann automatisch, sobald die Arbeitserlaubnis endet – entweder nach einem Jahr oder bei einer Verlängerung spätestens nach drei Jahren.
- Arbeitsrecht: Auch bei ukrainischen Mitarbeitern ist es erforderlich, alle in Deutschland gängigen Arbeitsrechtsregelungen einzuhalten. So sind auf das Arbeitsverhältnis etwa der Mindestlohn, der Urlaubsanspruch, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung und das Arbeitszeitgesetz anzuwenden.
- Beendigung: Viele ukrainische Flüchtlinge werden wieder in ihr Heimatland zurückkehren, sobald die politische Situation es dort zulässt. Arbeitgeber sollten deshalb den Arbeitsvertrag so gestalten, dass bei Bedarf eine kurzfristige Beendigung möglich ist, etwa durch eine kurze Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer. Insbesondere sollte in befristeten Arbeitsverträgen explizit die Option einer ordentlichen Kündigung vorgesehen werden. Andernfalls wäre lediglich eine fristlose Kündigung möglich. Alternativ können auch Aufhebungsvereinbarungen geschlossen werden.
- Mehrsprachigkeit: Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, den Arbeitsvertrag in ukrainischer Sprache abzufassen. Sofern Einigkeit über den Inhalt besteht, kann dieser auch in deutscher Sprache geschrieben sein. Sollte sich allerdings im Nachgang herausstellen, dass der Arbeitnehmer den Inhalt mangels Sprachkenntnissen nicht verstehen konnte, könnte dies nachträglich zur Unwirksamkeit von einzelnen Klauseln führen. Es kann deshalb sinnvoll sein, wenigstens eine englische Fassung anzubieten.
Viele Arbeitgeber stellen sich die Frage, ob sie überhaupt berechtigt sind, sich den Aufenthaltstitel und die Arbeitserlaubnis vorlegen lassen. Da deren Vorliegen aber Voraussetzung für eine rechtmäßige Beschäftigung von ukrainischen Flüchtlingen ist, ist die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten mit der DSGVO konform.
Wie sieht die dauerhafte Perspektive aus?
Falls der Krieg in der Ukraine länger als ein Jahr andauern sollte, können ukrainische Geflüchtete ihre Aufenthaltserlaubnis in Übereinstimmung mit der Massenzustrom-Richtlinie auf höchstens drei Jahre verlängern. Doch was passiert danach? Eine weitere Verlängerung ist nicht zulässig.
Die Geflüchteten müssten demnach einen anderen Aufenthaltstitel beantragen. In Frage kommen hier vor allem befristete Aufenthaltstitel, um eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung aufzunehmen (§§ 16 ff. AufenthG). Dann sind allerdings wieder die üblichen Voraussetzungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittländern einzuhalten. Unter anderem muss der Geflüchtete ein Arbeitsplatzangebot eines deutschen Arbeitgebers und eine mit einer deutschen Berufsausbildung vergleichbare Qualifikation vorweisen können.
Hinzu kommt, dass die Geflüchteten dann für den Aufenthalt in Deutschland ein Visum benötigen. Aktuell dürfte die Pflicht, dieses im Heimatland zu beantragen, ausgesetzt werden. Falls der Krieg allerdings beendet wird und Ukrainer dennoch in Deutschland bleiben möchten, wird diese Verpflichtung voraussichtlich wieder zum Tragen kommen.
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