Digitalisierung ist das Thema des 21. Jahrhunderts. Sie erfasst alle Bereiche der Unternehmen und der Arbeitswelt. Aber wo bleibt der Mensch in diesem Prozess? Es könnte durchaus das Gefühl entstehen, mit der Zeit obsolet zu werden. Digitalisierung und die persönliche Entwicklung des Menschen schließen sich aber keineswegs gegenseitig aus. Es geht nicht ohne die Menschen, die anpacken, Prozesse verstehen, Entscheidungen treffen.
Die vierte Kränkung
Sigmund Freud sprach von drei Kränkungen der Menschheit, durch das kopernikanische Weltbild, die Evolutionstheorie und das Unbewusste. Mit der Digitalisierung kommt eine vierte Kränkung dazu: Computer und Maschinen können viele Dinge besser, schneller und effizienter erledigen als Menschen.
Viele Menschen nehmen die Digitalisierung als Umbruch wahr. Das bezieht sich nicht nur auf den technischen Wandel. Digitalisierung ist gleichermaßen ein sozialer Wandel. Das Thema Homeoffice in der Coronakrise zeigt, dass Menschen zwar effizient und flexibel arbeiten wollen, aber es fehlen menschliche Nähe, Begegnungen und soziale Kontakte.
Da stellt sich auch die Frage, ob Homeoffice eine Dauerlösung sein kann. Nur wenn es gelingt, die sozialen Bedürfnisse des Menschen mit der Effizienz der Algorithmen zu verbinden, kann die Digitalisierung mit all ihren Begleiterscheinungen ein langfristiger Erfolg werden. Aber Digitalisierung sollte auch nicht als Selbstzweck verstanden werden.
Digitalisierung und HR
Wie können Unternehmen dazu beitragen, dass die Menschen die Digitalisierung als Chance wahrnehmen und nicht als Bedrohung? Studien für Digitale Transformation, wie die des Bayerischen Forschungsinstituts, verweisen auf das Konzept vom Empowerments. Die Digitalisierung muss dazu führen, dass die Menschen ihre Handlungsfähigkeiten erweitern können. In die Arbeitswelt übertragen bedeutet dies zum Beispiel, die Arbeitsbedingungen mitzugestalten.
Die Unternehmen sollten verstehen, dass die Digitalisierung im Kern nicht eine technische, sondern eine soziale Transformation ist, nämlich die des Denkens und Handelns der jeweiligen Mitarbeiter und Führungskräfte. Denn bei aller Freude über automatisierte Prozesse und digitale Zusammenarbeit geht es letzten Endes darum, ob die Menschen die grundlegenden Veränderungen mittragen.
Dazu müssen sie aber erst einmal abgeholt und mitgenommen werden auf dieser digitalen Reise. Gleiches gilt auch für neue agile Methoden, die ohne echte Teilhabe der Beschäftigten oft als aufgepfropft empfunden werden.
Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden. Mitarbeiter sind produktiver, wenn sie ihre Arbeit selbst organisieren. Das Gefühl, ernst genommen zu werden und ein Mitspracherecht zu haben, beseitigt Widerstände.
Apropos Gefühl: Das Well-Being der Mitarbeiter spielt gerade in Corona-Zeiten eine wichtige Rolle und gehört 2021 zu den Top-Trends in der Personalführung und im HR-Bereich. Personalverantwortliche, die ihre Mitarbeiter daheim im Homeoffice nicht allein lassen wollen, können dies zum Beispiel in Form von virtuellen Kaffeepausen tun.
HR-Abteilungen kommt dabei eine zentrale Rolle zu, um dies zu ermöglichen und zu unterstützen. Die Aufgabe von Personalern besteht zunehmend darin, die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen, aber auch die menschliche Kreativität und den Faktor Mensch insgesamt neu zu beleben und damit ein gutes Umfeld für Leistung und Entfaltung zu schaffen.
Das HCM kann Personalarbeit effizienter und zielgerichteter machen und der HR dazu verhelfen, mehr als bisher zum Unternehmenserfolg beizutragen.
Die Rolle des Personalers entwickelt sich in Richtung Gestaltung und Enablement. Sonst bleiben sie Personalverwalter und müssen sich Gedanken machen, ob sie oder ihre Position nicht am Ende selbst überflüssig wird. Der Personaler sollte daher zum Change Manager werden, er sollte zwischen Führungskräften und Mitarbeitern vermitteln und somit die Rahmenbedingungen für motiviertes Arbeiten schaffen.
HR muss ein innovatives Arbeitsumfeld ermöglichen, in dem Software für die virtuelle Zusammenarbeit zur Verfügung steht, flexible Arbeitszeiten etabliert sind und selbstbestimmtes, mobiles Arbeiten die Regel ist.
Agile Strukturen
Ein weiteres Schlüsselelement für eine erfolgreiche Digitalisierung, die die Menschen mitnimmt, sind flache Hierarchien. Im Silicon Valley sind diese weit verbreitet, in Deutschland eher weniger. Nicht zuletzt deshalb hinkt man hierzulande in Sachen Digitalisierung hinterher.
Oben schon angesprochene agile Führungsstrukturen sind gefragt, um Mitarbeiter zu motivieren, sich selbst einzubringen und ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern.
Agilität und Employee Voice (Mitarbeiter-Mitsprache) sind keine Buzzwords, sondern eine innere Haltung. Sie unterstützen die Menschen dabei, sich in dem wandelnden, komplexen und oftmals chaotischen Umfeld der Digitalisierung weiterzuentwickeln.
Starre und unflexible Strukturen hindern die Mitarbeiter daran, ihre Rolle im Prozess der Digitalisierung zu übernehmen: die Hauptrolle. Der Mensch steht im Zentrum der Digitalisierung, nicht die Technik. Dazu gehört auch Talent Management, denn kaum etwas ist wichtiger, als die richtigen Mitarbeiter zu finden und zu binden. Das senkt die Fluktuation und erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
So segensreich und nützlich die Digitalisierung und die damit oft einhergehenden neuen agilen Methoden für das Unternehmen auch sein mögen, darf dabei der Faktor Mensch nicht vergessen werden. Es gilt, die Mitarbeiter mitzunehmen, und richtig verstanden, kann der HR dabei eine ganz entscheidende Rolle zukommen.
Dazu ist aber auch nötig, dem Personalmanagement in der Organisation mehr Gewicht zu verleihen. Einen Personalvorstand können sich in der Regel nur große Unternehmen leisten, aber auch auf kleinerer Ebene kann die HR-Leitung viel bewegen, um Zukunft mitzugestalten und zu agieren, statt wie bisher nur Personal zu verwalten.