Weiterbildung ist wichtig. Das wissen auch die deutschen Arbeitgeber. Die Studie „HR Realities 2022“ der Fosway Group zeigt: 95 Prozent der befragten HR-Entscheiderinnen und -Entscheider sehen die Bewältigung von Qualifikationslücken als essenziell für die Zukunftssicherheit von Unternehmen an. Viele Arbeitskräfte sind auch bereit, sich weiterzubilden. Mit der Unterstützung des Arbeitgebers fällt es ihnen leichter, selbst umfangreiche Fortbildungen anzugehen.
Vom Arbeitgeber organisierte Seminare: großes Angebot
Schon heute bieten viele Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Qualifizierungsmaßnahmen an, beispielsweise durch die Möglichkeiten der digitalen Weiterbildung. Der sechsten europäischen Erhebung über berufliche Weiterbildung im Unternehmen (CVTS) zufolge sogar drei von vier Unternehmen. Dabei gibt es einen klaren Zusammenhang mit der Unternehmensgröße: Je mehr Arbeitskräfte ein Arbeitgeber beschäftigt, desto höher statistisch die Wahrscheinlichkeit von Weiterbildungsangeboten.
Überwiegend handelt es sich dabei um interne oder externe Lehrveranstaltungen sowie andere Formen der betrieblichen Weiterbildung wie
- Job-Rotation,
- Austauschprogramme,
- Studienbesuche,
- Teilnahme an Lern- und Qualitätszirkeln,
- Informationsveranstaltungen und
- selbstgesteuertes Lernen.
Diese Option der betrieblichen Weiterbildung ist zwar wichtig, hat jedoch meist einen direkten Bezug zum betreffenden Arbeitsplatz oder dient der betrieblichen Gesundheitsförderung. Nicht davon erfasst sind in den meisten Unternehmen Aufstiegsfortbildungen oder Seminare zur persönlichen Weiterentwicklung. Doch auch und gerade solche Weiterbildungen sollten gefördert werden. Dazu haben Arbeitgeber eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Förderung privater Weiterbildung: wie Arbeitgeber unterstützen können
Entscheiden sich Beschäftigte für eine private Weiterbildung, ist dies zunächst aus Arbeitgebersicht löblich – zumal der oder die Mitarbeitende die Kosten dafür im Regelfall selbst übernimmt. In der Praxis scheitern solche Pläne jedoch häufig an der Organisation von Berufs- und Privatleben sowie der Weiterbildung und an der Finanzierung. An beiden Punkten können Arbeitgeber ansetzen, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fortbildung im Beruf zu unterstützen. Optionen sind etwa:
- Flexible Arbeitszeiten: Teilzeit-Weiterbildungsmodelle verlangen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einiges ab. So müssen sie beispielsweise abends nach der Arbeit noch Kurse besuchen, ihre Wochenenden für Hausarbeiten opfern oder Urlaubstage für Prüfungen nehmen. Arbeitgeber können ihnen mit flexiblen Arbeitszeiten entgegenkommen, etwa im Rahmen eines Gleitzeit- oder Arbeitszeitkontos.
- Unbezahlter Urlaub: Reicht der Jahresurlaub wegen mehrerer Präsenzseminare oder Blockunterrichtsphasen nichts aus, um alle Seminartage abzudecken? Arbeitgeber können unbezahlten Urlaub gewähren und so eine Freistellung ermöglichen. Achtung: Eine unbezahlte Freistellung von mehr als einem Monat bedeutet den Verlust des Sozialversicherungsschutzes.
- Zuschuss: Auch finanzielle Zuschüsse sind denkbar und gerade dann ein gerne genutztes Mittel, wenn sich der oder die Mitarbeitende zum Wohle des Unternehmens weiterbildet. Typische Beispiele sind eine Meisterausbildung, eine berufliche Fortbildung oder ein Sprachkurs. Liegt ein betriebliches Interesse vor oder verbessert die Fortbildung die Beschäftigungsfähigkeit, kann der Arbeitgeber diesen Zuschuss sogar steuer- und sozialversicherungsfrei auszahlen. Häufig werden finanzielle Zuschüsse zu Lehrgangskosten oder Prüfungsgebühren an eine verpflichtende Bindung ans Unternehmen verknüpft (Rückzahlungsvereinbarung bei vorzeitiger Kündigung durch den Beschäftigten).
- Darlehen: Auch ein Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung der Fortbildungskosten kommt infrage. Hier ist ebenfalls die steuerfreie Auszahlung möglich – lediglich etwaige Zinsvorteile für zinslose Darlehen müssen versteuert werden.
- Bildungsurlaub: In fast allen deutschen Bundesländern besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Bildungsurlaub von bis zu zehn Tagen in zwei Jahren (Ausnahmen: Bayern und Sachsen). Auch aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen können sich entsprechende Ansprüche ableiten. So erhalten Weiterbildungswillige zusätzliche Urlaubstage, um ihre Seminar- oder Prüfungstage abzudecken.
- Befristete Teilzeit: Ein Teilzeitstudium oder eine nebenberufliche Meister-, Techniker-, Fachwirt- oder Betriebswirtsfortbildung kann mehrere Jahre dauern und viel Zeit in Anspruch nehmen. Damit Teilnehmende dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stehen, kann der Arbeitgeber eine befristete Teilzeit (z. B. für zwei Jahre) gewähren. Einen Anspruch darauf haben nach § 9a Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits mindestens sechs Monate lang im Unternehmen beschäftigt sind – allerdings je nach Unternehmensgröße mit Einschränkungen.
Bildungszeit: Geplantes Weiterbildungsgesetz stärkt Weiterbildungsrecht der Beschäftigten
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil brachte kürzlich den Referentenentwurf für das bereits im Koalitionsvertrag angedachte Recht auf Bildungszeit auf den Weg. Ganz neu ist die Idee nicht. Der Blick über die Landesgrenzen hin zu Österreich zeigt, dass dort bereits ein vergleichbares Modell erfolgreich im Einsatz ist. Daran orientiert, soll die geplante Bildungszeit auch in Deutschland mit diesen Eckdaten eingeführt werden:
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- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich für maximal ein Jahr von ihrer Arbeit freistellen lassen, um eine Weiterbildung zu absolvieren.
- Während dieser Zeit erhalten sie von der Bundesagentur für Arbeit einen finanziellen Ausgleich (Bildungszeitgeld) in Höhe des Arbeitslosengeldes, also 60 Prozent des bisherigen Gehalts für Alleinstehende und 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern.
- Alternativ können Arbeitnehmende Bildungsteilzeit beanspruchen. Bis zu 24 Monate können sie so Teilzeit arbeiten und neben dem Beruf ihre Weiterbildung absolvieren.
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich für maximal ein Jahr von ihrer Arbeit freistellen lassen, um eine Weiterbildung zu absolvieren.
Die Finanzierung der Bildungszeit erfolgt größtenteils über Mittel der Bundesagentur für Arbeit sowie teilweise aus dem Bundeshaushalt. Ob sich die Bildungszeit durchsetzen wird und die Beschäftigten sie annehmen, dürfte abzuwarten bleiben. Arbeitgebern beschert sie nämlich einen erheblichen Aufwand, um für Ersatz zu sorgen. Hinzu kommt das Risiko, dass die Beschäftigten nach ihrer Bildungszeit zu anderen Arbeitgebern abwandern.
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