Die Vertrauensarbeitszeit ist ein besonderes Privileg zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten und basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Das Arbeitszeitmodell ist aufgrund seiner großen Freiräume in Hinblick auf die Arbeitszeitgestaltung besonders attraktiv. Es geht aber ebenfalls mit großer Verantwortung und einer Reihe von Rechten und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber einher.
Inhaltsverzeichnis
Definition: Was ist Vertrauensarbeitszeit?
Die Vertrauensarbeitszeit ist ein Arbeitszeitmodell, bei dem Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich gestalten und einteilen können. Es gibt keine vorgeschriebenen Zeiten, wann mit der Arbeit begonnen und wann diese wieder beendet wird. Das Modell basiert in erster Linie auf dem Vertrauen des Arbeitgebers und der Selbstorganisation des Arbeitnehmers.
Die Anwesenheitszeiten werden nicht durch den Arbeitgeber dahin gehend kontrolliert, ob der Angestellte die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit einhält. Stattdessen erfolgt die Steuerung der Arbeit über Zielvereinbarungen, die der Arbeitnehmer erfüllen muss. Dem Arbeitnehmer ist es dabei selbst überlassen, wann und wo er arbeitet.
Ziel ist eine höhere Eigenverantwortung und Produktivität der Mitarbeiter. Allerdings ist das Arbeitszeitmodell mit höheren Anforderungen an Vorgesetzte und Beschäftigte verbunden.
Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit
Das Arbeitszeitmodell eignet sich in der Regel für Angestellte, die ihre Arbeit ohnehin weitgehend souverän erledigen können. Das betrifft etwa Mitarbeiter im Außendienst, Remote Worker oder Mitarbeiter im kreativen Bereich.
Auf Vertrauensarbeitszeit besteht kein allgemeiner Anspruch und es gibt auch keine gesetzliche Regelung. Sie wird schriftlich in der Betriebsvereinbarung oder dem individuellen Arbeitsvertrag des Angestellten festgehalten. Da lediglich der Output des Arbeitnehmers relevant ist und nicht, wann und wie lange er an einem Projekt gearbeitet hat, ist eine gesonderte Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter erforderlich.
Diese beinhaltet in der Regel folgende Punkte:
- Ziele
- Arbeitszeit
- Sonderaufgaben
- Fristen
Bei der Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit ist die Vertrauenskultur zwischen Beschäftigtem und Vorgesetztem eine zentrale und unabdingbare Voraussetzung. Während Arbeitnehmer über ein hohes Maß an Selbstorganisation verfügen müssen, benötigen Führungskräfte ausreichend Erfahrung, um Arbeitsergebnisse unabhängig von der Arbeitszeit objektiv beurteilen und realistische Zielvereinbarungen formulieren zu können.
Schließlich müssen Arbeitnehmer die entsprechende Arbeitsleistung, in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfüllen können. Zu den weiteren relevanten Rahmenbedingungen gehören Spielregeln, wie zum Beispiel mit Überlastung oder mangelnder Auslastung umgegangen wird.
Wie Unternehmen die Vertrauensarbeitszeit umsetzen, ist hingegen unterschiedlich. Eine Variante des Arbeitszeitmodells ist zum Beispiel die Vertrauensarbeitszeit mit Kernzeiten, bei der zu bestimmten Zeiten am Tag oder in der Woche eine Anwesenheitspflicht für alle Beschäftigten gilt, etwa für Teambesprechungen, Kundenmeetings oder zur allgemeinen Pflege der Teamkultur. Herausforderungen ergeben sich dagegen bei der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen im Arbeitszeitgesetz.
Arbeitszeitgesetz berücksichtigen
Auch bei der Vertrauensarbeitszeit müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Hinblick auf die tägliche maximale Arbeitszeit, Pausen und Erholungszeiten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZg) beachten. Die Verantwortung, dass der Arbeitnehmer die gesetzlichen Arbeits- und Pausenzeiten einhält, liegt beim Arbeitgeber.
Bei einem Verstoß drohen unter Umständen hohe Geldbußen oder gegebenenfalls sogar eine Haftstrafe. Gerade bei der Vertrauensarbeitszeit ist das Risiko groß, dass sich Arbeitnehmer für ihre eigene Arbeit so sehr engagieren, dass sie Regenerationszeiten vernachlässigen oder versäumen. Langfristig gefährden sie damit ihre Gesundheit und riskieren ein Burnout.
Somit gilt auch bei diesem Arbeitsmodell eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden bzw. eine Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden. Bei einer Arbeitszeit über sechs Stunden sieht das Arbeitszeitgesetz eine Pausenzeit von 30 Minuten, bei über neun Stunden eine Pause von 45 Minuten vor. Zwischen zwei Arbeitstagen ist eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden einzuhalten.
Darüber hinaus muss die Arbeitszeit, die täglich mehr als acht Stunden beträgt, gemäß §16 (2) ArbZG aufgezeichnet und mindestens zwei Jahre aufgehoben werden. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 besteht sogar für alle Arbeitgeber in der EU eine lückenlose Dokumentationspflicht aller Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiter, die mit Zeiterfassungssystemen umsetzbar ist.
In Bezug auf die Vertrauensarbeitszeit kann das sogar im Interesse beider Seiten sein, insbesondere in Hinblick auf Überstunden. Da der Arbeitgeber die Arbeitszeit bei diesem Arbeitszeitmodell nicht kontrolliert, fällt Mehrarbeit nicht auf und wird dementsprechend auch nicht honoriert oder ausgeglichen.
Vor- und Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die Vertrauensarbeitszeit geht sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen und Risiken einher. Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren gleichermaßen von der hohen Flexibilität. Beschäftigte können Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbaren und sind infolge der Freiräume bei der Arbeitszeitgestaltung deutlich zufriedener, was sich langfristig positiv auf ihre Gesundheit auswirkt.
Unternehmen in Branchen mit saisonalen Schwankungen können ihre Mitarbeiter hingegen bei niedrigem oder hohem Arbeitsaufkommen flexibel und gezielt einsetzen. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit bei geringer Auftragsauslastung nicht „absitzen“ müssen, dafür aber in Spitzenzeiten Überstunden leisten.
Zu den Risiken auf beiden Seiten zählen dagegen ein größeres Konfliktpotenzial bei Überlastungssituationen und der Missbrauch des Arbeitszeitmodells, z.B. durch Arbeitszeitbetrug.
Für Arbeitgeber besteht die Gefahr, dass Angestellte weniger Arbeit bei gleichem Lohn leisten, für Arbeitnehmer wiederum, dass Arbeitgeber mehr Arbeit für gleichen Lohn verlangen. Insbesondere auf der Arbeitnehmerseite kommt noch erschwerend hinzu, dass etwa Zielvereinbarungen nicht realistisch eingeschätzt werden könnten und die Mehrarbeit die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet.
Vor- und Nachteile für Arbeitgeber
- höhere Mitarbeitermotivation durch Selbstbestimmtheit
- Vertrauenskultur und besseres Betriebsklima
- höhere Attraktivität (Employer Branding)
- weniger Personalkosten erforderlich
- Dokumentation der Arbeitszeit erschwert
- Führungskräfte verlieren Kontrolle
- Arbeitsklima verschlechtert sich
Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer
- flexible und eigenverantwortliche Arbeitszeitgestaltung
- bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben (Work-Life-Balance)
- keine Kontrolle der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber
- kein Ausgleich für Überstunden
- ständige Erreichbarkeit und entgrenzte Arbeitszeiten
- Freizeit ist abhängig vom Arbeitsaufwand
Tipps für Arbeitgeber: Was bei der Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit zu beachten ist
Bei der Implementierung der Vertrauensarbeitszeit haben Arbeitgeber hauptsächlich arbeitsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Gemäß §87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Gleitzeit.
Zudem ist laut Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und §8 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unbedingt die tägliche Höchstarbeitszeit von Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden zu beachten.
Ferner ist die Arbeitsorganisation im Unternehmen anzupassen: Bei der Vertrauensarbeitszeit liegt der Fokus nicht auf den Zeiteinheiten, sondern im Erreichen von Zielen und vereinbarten Lösungen.
Dafür sind gegebenenfalls ausreichend Personalkapazitäten und eine transparente Personaleinsatzplanung erforderlich. Viel wichtiger ist jedoch, dass bei der Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit Vorgesetzte über ausreichend Erfahrung verfügen, um realistische Zielvereinbarungen treffen zu können.
Um erwartete Arbeitsergebnisse zu definieren und Arbeitnehmern das Anzeigen von Überlastung zu ermöglichen, sind klare Regeln wichtig, die schriftlich und verbindlich für alle festgehalten werden. Es kann ebenfalls sinnvoll sein, feste Kernzeiten zu vereinbaren, um die Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten zu verbessern.