Der Krieg in der Ukraine bewegt die Menschen und löste eine nie dagewesene Welle der humanitären Hilfe aus. Zugleich wirft er allerdings auch arbeitsrechtliche Fragen auf den Plan, die einer Klärung bedürfen. Dieser Beitrag gibt Antworten auf die aktuell am häufigsten gestellten Fragen.
Haben Arbeitnehmer ein Anrecht auf eine Freistellung, um ehrenamtlich zu helfen?
Viele Menschen möchten in der jetzigen Situation helfen, sei es mit Sachspenden oder mit ehrenamtlichen Tätigkeiten. Doch wer vor Ort hilft, etwa an der Grenze oder in den Flüchtlingsunterkünften, braucht Zeit. Deshalb stellt sich vielen Ehrenamtlichen in diesen Tagen die Frage, ob sie sich von der Arbeit freistellen lassen können. So könnten sie sich auf ihre Hilfsprojekte konzentrieren. Doch hierbei hat der Arbeitgeber auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Freistellung für ehrenamtliche Tätigkeiten besteht grundsätzlich nicht – weder bezahlt noch unbezahlt. Wer einfach nicht zur Arbeit kommt, riskiert eine Abmahnung oder im schlimmsten Fall sogar die Kündigung. Nur wenn der Arbeitgeber einverstanden ist, ist eine einvernehmliche Freistellung möglich – ob bezahlt oder unbezahlt, kann individuell vereinbart werden. Der Arbeitgeber darf den Antrag auf Freistellung aber ohne Begründung ablehnen.
Eine Ausnahme stellt die Tätigkeit für die Freiwillige Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk dar. Wird ein Einsatz notwendig, muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter dafür freistellen und erhält eine Entschädigung für die gezahlte Vergütung. Außerdem kann eine (bezahlte!) Freistellung angezeigt sein, wenn ein Mitarbeiter enge Verwandte aus dem ukrainischen Grenzgebiet holen will.
Soweit möglich, können ehrenamtliche Helfer Urlaub nehmen, Überstunden abbauen oder sich mit Erlaubnis des Arbeitgebers unbezahlt freistellen lassen. Zudem kommt es immer wieder vor, dass andere Mitarbeiter Urlaubstage an Ehrenamtliche „verschenken“ – hier ist jedoch darauf zu achten, dass diese ihren gesetzlichen Mindesturlaub nicht unterschreiten. Bildungsurlaub kann für ehrenamtliche Tätigkeiten nicht beantragt werden.
Worauf ist bei einer Freistellung zu achten?
Wie lang eine Freistellung andauert, vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Allerdings sollten sie im Detail klären, wie es währenddessen mit der Lohnfortzahlung aussieht. Lässt sich der Mitarbeitende länger als einen Monat unbezahlt freistellen, ruht die Sozialversicherungspflicht und der Arbeitgeber führt keine Beiträge mehr ab.
Können Arbeitgeber Kurzarbeit anmelden, wenn wegen der Ukraine-Krise die Produktion steht?
Viele Arbeitgeber kämpfen aktuell mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil infolge des Ukraine-Kriegs die nötigen Rohstoffe knapp sind, Aufträge auf Eis gelegt werden, Absatzmärkte wegbrechen oder ganze Zulieferer ausfallen. Kommt es deshalb zu unvermeidbaren Arbeitsausfällen, die voraussichtlich vorübergehender Natur sind, können Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragen.
Dürfen deutsche Arbeitgeber russischen Mitarbeitende kündigen?
Weitreichende Blockaden des russischen Volks machen auch vor deutschen Unternehmen nicht halt. So überlegen viele Arbeitgeber, ob sie russischstämmige Mitarbeiter in diesen Tagen weiterbeschäftigen müssen. Unabhängig davon, dass dies moralisch höchst fragwürdig ist, ist die Kündigung eines Mitarbeiters wegen seiner russischen Herkunft nicht statthaft. In mittleren und großen Betrieben verhindert dies bereits das Kündigungsschutzgesetz – es liegt weder ein verhaltens- noch ein personenbedingter Kündigungsgrund vor.
In Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern gilt dieser Kündigungsschutz zwar nicht. Aber ebenso wie in großen Unternehmen steht auch hier das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) einer Kündigung russischer Arbeitnehmer entgegen. Ein solches Vorgehen wäre ein Verstoß gegen das AGG. Arbeitgeber würden damit nicht nur eine unwirksame Kündigung riskieren, sondern auch eine Schadenersatzklage.
Gilt für ausländische Mitarbeitende das Arbeitsplatzschutzgesetz, wenn sie eingezogen werden?
Das Arbeitsplatzschutzgesetz gilt gemäß § 16 Abs. 6 ArbPlSchG für Staatsbürger aus Ländern, die am 18. Oktober 1961 die Europäische Sozialcharta unterschrieben haben. Dazu gehören insgesamt 27 Staaten – darunter aber weder die Ukraine noch Russland oder Belarus. Aktuell können sich somit Staatsangehörige dieser Länder nicht auf das Arbeitsplatzschutzgesetz berufen, wenn sie Wehrdienst leisten müssen. Insbesondere steht ihnen während ihrer Abwesenheit kein besonderer Kündigungsschutz zu.
Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich mit diesem Problem bereits vor vielen Jahren (Urteile vom 20. Mai 1988, Az. 2 AZR 682/87, und 22. Dezember 1982, Az. 2 AZR 282/82) und führte dazu aus:
- Ist das Arbeitsplatzschutzgesetz nicht anwendbar, kann der ausländische Mitarbeiter nur dann die Leistung zu Recht verweigern, wenn die Wehrpflicht weniger als zwei Monate lang andauert. Das Arbeitsverhältnis ruht während dieser Zeitspanne.
- Die Vorgaben von § 616 BGB zur Freistellung wegen einer vorübergehenden Verhinderung greifen im Falle eines Wehrdienstes nicht, weil es sich nicht um eine „nicht erhebliche“ Zeitspanne handelt.
- Dauert sie länger als zwei Monate an, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, eine personenbedingte Kündigung auszusprechen. Dies ist allerdings nur zulässig, wenn der Ausfall des Mitarbeiters dazu führt, dass die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt werden, und der Arbeitgeber den Ausfall nicht durch zumutbare Maßnahmen überbrücken kann (z. B. Einstellung einer Aushilfskraft).
Es steht dem Arbeitgeber aber natürlich frei, für betroffene Mitarbeiter eine andere Lösung zu suchen. Möglich sind etwa eine bezahlte oder unbezahlte Freistellung, der Abbau von Überstunden (bis hin zum Aufbau von Minusstunden) und von Urlaubstagen. Auch hier ist zu prüfen, wie sich die Vorgehensweise auf die Sozialversicherungspflicht auswirkt (z. B. bei längerer unbezahlter Freistellung).
Dürfen geflüchtete Ukrainer in Deutschland arbeiten?
Weit mehr als hunderttausend Ukrainer sind inzwischen nach Deutschland geflüchtet, um sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen. Viele Arbeitgeber möchten ihnen die Chance bieten, sich schnell zu integrieren und in Deutschland Fuß zu fassen.
Um eine Überlastung der Behörden zu vermeiden, wurde die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie in Kraft gesetzt. Dadurch erhalten Geflüchtete aus der Ukraine nun unbürokratisch und schnell einen Aufenthaltstitel befristet für ein Jahr, der auf bis zu drei Jahre verlängerbar ist. Sobald sie den Aufenthaltstitel in der Tasche haben, können sie uneingeschränkt für deutsche Arbeitgeber arbeiten. Eigentlich benötigen sie dafür die Erlaubnis der Ausländerbehörde. Infolge einer entsprechenden Empfehlung des Bundesinnenministeriums tragen viele Ausländerbehörden diese Erlaubnis schon von vornherein in die Aufenthaltstitel ein, um zusätzliche Bürokratie zu vermeiden.
Arbeitgeber können geflüchtete Ukrainer demnach weitgehend problemfrei einstellen. In reglementierten Berufen kann es allerdings erforderlich sein, die berufliche Qualifikation aus der Ukraine anerkennen zu lassen.
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