Über „Fridays for Future“ sind die Deutschen längst hinaus. Das Bewusstsein, dass der Erhalt einer lebenswerten (Um-)Welt alle angeht, hat sich in ihren Köpfen verankert – und beeinflusst sie auch bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Eine österreichische Deloitte-Studie zeigt: Rund 40 Prozent der befragten 25- bis 40-Jährigen wollen nicht für ein Unternehmen arbeiten, das Umweltsünden begeht. Für Unternehmen bedeutet das: Nachhaltiges Handeln ist nicht nur aus hehren Zielen heraus wichtig, sondern auch im Hinblick auf das Gewinnen und Halten von Personal. Doch was, wenn die angeblich nachhaltigen Bestrebungen von Unternehmen eigentlich auf Greenwashing beruhen?
Was ist Greenwashing?
Nachhaltig und „grün“ zu agieren, ist für Unternehmen heute wichtiger denn je. Nicht nur, weil sie ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten wollen oder sollen. Sondern weil die Konsumenten die Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes erkannt haben. Mehr als zwei Drittel der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für sehr wichtig. Dies schlägt sich dem Umweltbundesamt zufolge auch in ihrem Einkaufsverhalten nieder. Es ist deshalb für Unternehmen beinahe zur Selbstverständlichkeit geworden, ihre Produkte mit Begriffen wie „klimaneutral“, „klimafreundlich“, oder „umweltfreundlich“ zu bewerben. Das Problem ist nur: Wo „nachhaltig“ draufsteht, ist nicht zwingend auch „nachhaltig“ drin. Geschützt sind die Begriffe nämlich nicht – dafür aber umso werbewirksamer. Dasselbe erreicht man mit einer cleveren Bildwahl, beispielsweise einem glücklichen Huhn im grünen Gras auf der Eierschachtel (voller Eier aus Bodenhaltung).
Von Greenwashing spricht man, wenn Unternehmen versuchen, ihr Image durch Marketingaktionen mit Bezug zum Umwelt- und Klimaschutz aufzupimpen, ohne diesen Ankündigungen tatsächlich Taten folgen zu lassen. Das Spektrum von Greenwashing ist groß:
- Manche Unternehmen erfinden scheinbare Tatsachen und lügen bewusst, um sich ein nicht gerechtfertigtes grünes Image zu verpassen.
- Andere verschleiern lediglich negative Aspekte und legen keinen Wert auf eine transparente Darstellung der tatsächlichen Produktionsbedingungen (auch in den vorgelagerten Beschaffungsprozessen).
- Auch die Überbetonung positiver Aspekte und von Sachverhalten, die für das Hauptgeschäft nur von untergeordneter Bedeutung sind, lassen sich als Greenwashing interpretieren.
Je nach Perspektive beginnt Greenwashing im Prinzip bereits dort, wo keine vollständige Transparenz in Bezug auf die ökologischen Auswirkungen der Produktion und das soziale Verhalten des Unternehmens in der kompletten Wertschöpfungskette vorliegt.
Conscious-Quitting: Wenn sich fehlende Nachhaltigkeit auf die Mitarbeiterbindung auswirkt
Die Beratungsgesellschaft KPMG veröffentlichte im Januar 2023 eine Studie, die den Einfluss von ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) auf Entscheidungen von Arbeitnehmenden untersuchte. Dazu befragte das Unternehmen rund 6.000 Arbeitnehmer im UK zu ihrer Haltung. Die Key-Facts aus der Studie:
- Fast jedem zweiten Befragten ist es wichtig, dass sich sein Arbeitgeber für ESG-Belange einsetzt (46 Prozent).
- Jeder Fünfte hat schon einmal ein Jobangebot abgelehnt, weil er die Nachhaltigkeitsbestrebungen des Unternehmens als nicht ausreichend eingeschätzt hatte.
- Ebenfalls jeder Fünfte hat bereits aus denselben Gründen einen Job gekündigt – bei den 18- bis 24-Jährigen gilt das sogar für jeden Dritten.
- 82 Prozent der Befragten ist es wichtig, dass der Arbeitgeber dieselben Werte teilt wie sie selbst.
Dieses Phänomen ist in den USA und im UK bereits als Climate-Quitting oder Conscious-Quitting bekannt und wird vermutlich früher oder später auch den deutschen Arbeitsmarkt erreichen.
Vorbeugen mit einem gezielten Employer Branding – aber ohne Greenwashing
Eine gehörige Prise Greenwashing kann Arbeitgebern attraktiv erscheinen, um positive Effekte im Employer-Branding zu erreichen. Diese Strategie kann jedoch auch nach hinten losgehen. Wird die Wahrheit nämlich aufgedeckt, drohen schwere Imageverluste. Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, von vornherein mit offenen Karten zu spielen. Besser legen sie ihre tatsächlichen Bemühungen rund um das Thema Nachhaltigkeit offen (oder klammern es in ihrer Kommunikation einfach aus), als etwas zu beschönigen oder gar scheinbare Tatsachen zu erfinden.
Wer etwas für die Umwelt und das Klima tut, sollte allerdings auch darüber reden. In Sachen Employer-Branding verschenken die meisten Arbeitgeber hier echte Chancen. Eine 2020er-Studie der Personalmarketing-Agentur Königsteiner unter dem Titel „Jobfaktor Klima“ zeigt: Fast zwei Drittel der Befragten haben auf Karriereseiten noch nie Informationen zum Thema Nachhaltigkeit bemerkt. Mehr als jeder Zweite hat in Stellenanzeigen noch keine entsprechenden Hinweise entdeckt. Selbst wer sich bewusst auf die Suche nach solchen Informationen macht, wird auf vielen Karriereseiten nicht fündig. Und das, obwohl die Studie klar zeigt, dass vielen Bewerbern der Umwelt- und Klimaschutz fast ebenso wichtig ist wie ein gutes Gehalt, die persönlichen Aufstiegschancen oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.
100 Prozent Klimaneutralität? Für viele Arbeitgeber nicht erreichbar
Beruht das Geschäftsmodell eines Unternehmens beispielsweise auf der Herstellung umweltfreundlicher Verpackungsmaterialien, für deren Produktion regenerative Energien und natürliche, nachwachsende Rohstoffe verwendet werden, kann es in Sachen Nachhaltigkeit problemlos ehrlich und transparent sein. Doch längst nicht jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, auf die Schnelle klimaneutral zu werden. Das gilt ganz besonders, wenn das ganze Geschäftsmodell auf einem klimaschädlichen Produkt beruht (z. B. Produktion von Autos mit Verbrennermotoren, Massentierhaltung, Vertrieb von billigen Wegwerfartikeln). Sie können zwar versuchen, Produktionsprozesse zu optimieren, Lieferketten zu hinterfragen und faire Produktionsbedingungen zu schaffen – aber das ändert zunächst nichts am Geschäftsmodell.
Doch auch wenn Unternehmen in Sachen Produktionsprozesse bereits alles in ihrer Macht Stehende unternommen haben und dennoch weit davon entfernt sind, klimaneutral zu arbeiten, können sie das Thema Nachhaltigkeit für ihr Employer-Branding nutzen. Zum einen, indem sie über bereits erreichte Erfolge berichten, und zum anderen, indem sie ehrlich zu noch offenen Herausforderungen stehen.
Davon abgesehen können Arbeitgeber und ihre Mitarbeitenden Nachhaltigkeit auch im kleinen Maßstab leben und darüber reden. Beim Klimaschutz geht es nicht immer nur um große Themen, die ganze Wertschöpfungsketten betreffen. Kleine Maßnahmen, die im Employer-Branding eine fantastische Außenwirkung erreichen können, sind beispielsweise:
- Beteiligung der Mitarbeiter bis hin zur Geschäftsleitung an einer Ramadama-Aktion
- Einsatz regenerativer Energien wie einer Photovoltaik- oder Solaranlage
- Ausweitung vegetarischer/veganer Angebote in der Kantine
- Animation der Mitarbeiter, das Auto stehen zu lassen (z. B. über Bahntickets, Jobräder)
- Ersatz von Geschäftsreisen per Auto oder Flug durch Videokonferenzen
- Reduzierung von Papierverschwendung
- Mülltrennung in den Büros
- Verringerung von Fahrtwegen dank Homeoffice-Regelungen
Hier verschwimmen die Grenzen zum Greenwashing. Umso wichtiger ist deshalb, dass Arbeitgeber klar kommunizieren: „Wir sind noch lange nicht am Ziel, was Nachhaltigkeit angeht. Aber wir sind auf dem Weg und packen alle zusammen an, um unseren Beitrag zum Erhalt der Umwelt und zum Schutz des Klimas zu leisten.“ Dann können sie die positiven Effekte des Employer-Brandings mit Nachhaltigkeitsfaktoren auch nutzen, wenn sie ihre Produktion gerade nicht auf Bio-Gurken umstellen wollen.
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