Der Begriff Mindestlohn bezeichnet ein Arbeitsentgelt, das den Arbeitnehmern mindestens für die Erbringung ihrer Arbeit zusteht. Diese Lohnuntergrenze wird entweder vom Staat oder von den Tarifparteien festgelegt. Demnach ist zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und tarifvertraglichen Mindestlöhnen zu unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
Arten von Mindestlöhnen
Ein Mindestlohn entspricht dem kleinsten rechtlich (gesetzlich oder tarifvertraglich) zulässigen Arbeitsentgelt. Regelmäßig wird der Mindestlohn über einen Stundensatz angegeben. Alternativ ist es möglich, diese Lohnuntergrenze über den Monatslohn bei Vollzeitbeschäftigung zu regeln.
Es gibt verschiedene Arten von Mindestlöhnen, nämlich einen bundesweit wirkenden Mindestlohn sowie regionale, branchen- und berufsspezifische Versionen. In Deutschland und den meisten anderen EU-Ländern gilt ein nationaler Mindestlohn. Anders ist die Situation in Österreich, Italien und Skandinavien. Hier gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn, aber eine starke Tarifbindung, die je nach Land durch eine verpflichtende Mitgliedschaft in den Kammern, per Kollektivvertrag oder verfassungsrechtlich geschützt ist.
Ziele von Mindestlöhnen
Mit der Einführung eines Mindestlohns greifen die Entscheidungsträger in den Arbeitsmarkt ein und verfolgen damit diese Ziele:
- Ziel 1: Arbeitnehmer vor Ausbeutung und Lohndumping durch den Arbeitgeber schützen und damit deren Verhandlungsposition stärken
- Ziel 2: Armut der Arbeitnehmer trotz bezahlter Arbeit verhindern
- Ziel 3: Subsistenzniveau sichern und angemessenen Lebensunterhalt garantieren
Das Hauptziel von Mindestlöhnen besteht darin, den Wohlstand der Gruppe der Geringst- und Geringverdiener durch einen höheren Lohn zu steigern und sie davor zu schützen, trotz Arbeit arm zu sein („Working Poor“). Die Absicherung der Existenz durch Arbeit dient auch dem öffentlichen Interesse und kann dazu beitragen, den sozialen Frieden in der Gesellschaft zu erhalten.
Allerdings ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns unter Ökonomen seit jeher umstritten, zumal sie in den Arbeitsmarkt eingreift. Die Kritiker stehen der Lohnuntergrenze skeptisch gegenüber, weil sie negative Auswirkungen auf Beschäftigungsniveau und Jobwachstum befürchten.
Auch bezüglich der Einführung von branchenspezifischen Mindestlöhnen gab es in Deutschland gegensätzliche Positionen. Die Mehrheit der Arbeitgeberverbände nahm eine ablehnende Haltung ein, weil sie negative Beschäftigungseffekte befürchtete. Eine andere Position vertraten die Gewerkschaften, die sich seit Mitte der 2000er-Jahre dafür aussprachen. Als Gründe nannten sie den deutlichen Anstieg atypischer Beschäftigungsverhältnisse, das erhebliche Wachstum des Niedriglohnsektors, eine steigende Zahl der Working Poor und die zunehmende soziale Ungerechtigkeit.
Mindestlöhne in Deutschland
In Deutschland gibt es mehrere Mindestlöhne mit unterschiedlichen Geltungsbereichen.
Gesetzlicher Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn gilt als allgemeiner bundesweiter Mindestlohn für alle Arbeitnehmer in Deutschland in gleicher Höhe, soweit keine Ausnahme vorliegt. Demnach hat jede unselbstständig beschäftigte Person einen Anspruch auf diese Mindestentlohnung. Unternehmen dürfen bundesweit in keiner Branche weniger zahlen als den gesetzlichen Mindestlohn. Allerdings gibt es Personengruppen, die vom Mindestlohn ausgenommen sind:
- Jugendliche unter 18 Jahren, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen
- Auszubildende jeden Alters während der Berufsausbildung
- Langzeitarbeitslose während der Wiedereingliederung (in den ersten sechs Monaten nach Aufnahme einer Beschäftigung)
- Praktikanten, die im Zuge einer schulischen Ausbildung oder eines Studiums ein verpflichtendes Praktikum absolvieren
- Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum mit einer Dauer von bis zu drei Monaten absolvieren, um sich beruflich zu orientieren oder ein Studium aufzunehmen
- ehrenamtliche Mitarbeiter
- Jugendliche, die eine Einstiegsqualifizierung absolvieren, um sich auf die Berufsausbildung vorzubereiten
Branchenmindestlöhne
Zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn existieren in Deutschland etliche Branchenmindestlöhne (zum Beispiel im Bauhauptgewerbe, in der Pflegebranche, im Elektrohandwerk oder in der Gebäudereinigung). Anders als der flächendeckende Mindestlohn gelten die branchenspezifischen Mindestlöhne nur für die Arbeitnehmer in den jeweiligen Branchen. Die Branchenmindestlöhne werden von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt und in Tarifverträgen festgeschrieben. Der Gesetzgeber erklärt diese für allgemein verbindlich.
Allgemeinverbindlichkeit bedeutet, dass der Branchenmindestlohn alle Beschäftigten in der jeweiligen Branche betrifft, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes und tarifgebunden ist. Branchenmindestlöhne sind regelmäßig höher als der gesetzliche Mindestlohn.
Entwicklung des Mindestlohns in Deutschland
Deutschland zählte viele Jahre zu den wenigen EU-Mitgliedstaaten, die keinen allgemeinen nationalen Mindestlohn hatten. Erst im Jahr 2014 wurde mit dem Gesetz zur Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns beschlossen.
Der flächendeckende Mindestlohn trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zum damaligen Zeitpunkt lag er bei 8,50 Euro (brutto) pro Stunde. Die erste Anpassung erfolgte im Jahr 2017 auf eine Höhe von 8,84 Euro.
Der deutsche Mindestlohn wurde seit seiner Einführung mehrere Male angehoben:
Jahr | Mindestlohn |
2015 | 8,50 Euro |
2017 | 8,84 Euro |
2019 | 9,19 Euro |
2020 | 9,35 Euro |
Januar 2021 | 9,50 Euro |
Juli 2021 | 9,60 Euro |
Januar 2022 | 9,82 Euro |
Juli 2022 | 10,45 Euro |
Oktober 2022 | 12,00 Euro |
Januar 2024 | 12,41 Euro |
Januar 2025 | 12,82 Euro |
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung kontrolliert, ob die Arbeitgeber die Zahlung des Mindestlohns einhalten. Bei Verstößen gegen die Mindestlohnvergütung drohen empfindliche Geldbußen und ein Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.
Auswirkungen des Mindestlohns auf Wirtschaft und Armutsbekämpfung
Seit der Einführung im Jahr 2015 steht die Frage im Raum, wie sich der gesetzliche Mindestlohn auf Wirtschaft und Armut auswirkt.
Beschäftigungsniveau
Entgegen einigen Befürchtungen gingen durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Arbeitsplätze nicht in großem Umfang verloren. Der befürchtete negative Effekt auf die Beschäftigung blieb aus. Es war sogar eine positive Entwicklung des Beschäftigungsniveaus seit 2015 zu beobachten.
Bei der Anzahl der Minijobs gab es einen moderaten Rückgang. Einige Minijobber wechselten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Vor allem Arbeitnehmer aus privaten Dienstleistungsbranchen wie Einzelhandel, Gastgewerbe und Wach- und Sicherheitsdienste spürten positive Auswirkungen.
Wettbewerbsfähigkeit
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns dürfte die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen nicht negativ beeinflusst haben. Dies ergab eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die die Mindestlohnkommission in Auftrag gegeben hatte. Demnach verursachten die Mindestlohneinführung im Jahr 2015 und die erste Anpassung im Jahr 2017 kaum Marktaustritte. Einige Branchen konnten ihre Produktivität teilweise sogar steigern.
Armutsbekämpfung
Im Falle einer Mindestlohnerhöhung ist ein Anstieg der Kaufkraft zu erwarten. Zur Bekämpfung der Armut von Arbeitnehmern sind Mindestlöhne nur bedingt geeignet. Diese Lohnuntergrenzen können sich nur dann positiv auf den Wohlstand auswirken, wenn die Beschäftigten in hinreichendem Maß am Arbeitsmarkt teilnehmen. Dies trifft auf atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Minijobber nicht zu. Hier spielt auch die individuelle Lebens- und Haushaltssituation eine Rolle. Bei einer niedrigen Erwerbstätigkeit mit wenigen Arbeitsstunden und einem Haushalt mit vielen Mitgliedern bringt ein gesetzlicher Mindestlohn auf Stundenbasis nur eine geringfügige Entlastung.
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