Unterschreiten Mitarbeiter die vertraglich geschuldete Arbeitszeit, ist das für den Arbeitgeber ärgerlich. Und es wirft früher oder später eine große Frage auf: Darf der Arbeitgeber aufgelaufene Minusstunden vom Lohn abziehen? Dies kann tatsächlich zulässig sein – aber es kommt auf die Umstände an, unter denen die Minusstunden entstanden sind.
Wie entstehen Minusstunden?
Von Minusstunden spricht man, wenn der Arbeitnehmer weniger Arbeitszeit erbringt, als er vertraglich schuldet. Sie stehen somit Überstunden gegenüber, die eine längere Arbeitszeit vorsehen, als im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.
Die Definition von Minusstunden greift allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer selbst für deren Entstehen verantwortlich ist. Dies kann etwa passieren, wenn er zu spät zur Arbeit kommt, früher geht, länger Mittagspause macht oder während der Arbeitszeit private Besorgungen erledigt. Auch vermehrte Raucherpausen, für die in vielen Betrieben ausgestempelt werden muss, kann zur Entstehung von Minusstunden führen.
Minusstunden können Mitarbeiter nur ausgleichen, indem sie mehr arbeiten (z. B. früherer Arbeitsbeginn). Die Mittagspause durchzuarbeiten, ist aufgrund des Arbeitszeitgesetzes nicht zulässig. Alternativ kann der Arbeitgeber die Minusstunden vom Gehalt abziehen.
In vielen Unternehmen gibt es einen festgelegten Ausgleichszeitraum, innerhalb dessen die Stunden nachgearbeitet werden müssen.
Ausgefallene Arbeitszeit = Minusstunden?
Nicht jede Abwesenheit vom Arbeitsplatz führt automatisch dazu, dass Minusstunden entstehen. So gibt es eine ganze Reihe von Sachverhalten, die von den Arbeitsgesetzen abgedeckt sind oder in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen:
- Erkrankung: Arbeitnehmer haben einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Demnach darf der Arbeitgeber Krankheitstage nicht als Minusstunden verzeichnen. Anders kann es allerdings aussehen, wenn keine Entgeltfortzahlungspflicht besteht, etwa aufgrund einer selbst verschuldeten Erkrankung (z. B. Unfall nach einer Trunkenheitsfahrt, selbst provozierte Schlägerei).
- Urlaub & Feiertage: Analog zu Erkrankungen dürfen auch Urlaubstage und Feiertage, an denen nicht gearbeitet wurde, nicht als Minusstunden gezählt werden.
- Arbeitsausfall: Hat der Arbeitgeber nicht genügend Arbeit, um alle Mitarbeiter zu beschäftigen, und schickt sie deshalb früher nach Hause, fällt dies in seinen eigenen Verantwortungsbereich. Er befindet sich im Annahmeverzug und muss den Lohn deshalb weiterzahlen, als hätte der Mitarbeiter voll gearbeitet.
- Weiterbildung: Schickt der Arbeitgeber einen Mitarbeiter auf eine Fortbildung, darf er die ausgefallene Arbeitszeit nicht als Minusstunden anrechnen, selbst wenn der Arbeitnehmer dadurch einen Vorteil erlangt. Anders ist der Fall gelagert, wenn der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb eine Fortbildung absolviert und der Arbeitgeber ihn hierfür freistellt. Er muss die ausgefallene Arbeitszeit dann wieder einarbeiten.
- Zeitarbeiter: Hat ein Zeitarbeitsunternehmen für einen Leiharbeiter keine durchgängigen Einsätze, darf es Zeiten der Nichtbeschäftigung nicht als Minuszeiten verrechnen.
Grundsätzlich können Minusstunden nur dann aufgezeichnet werden, wenn im Betrieb Arbeitszeitkonten die gearbeiteten Stunden dokumentieren. Sind keine Arbeitszeitkonten vorhanden, kann der Arbeitgeber keine Minusstunden geltend machen.
Minusstunden: ab wann ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag vorliegt
So mancher Arbeitgeber fragt sich, wie viele Minusstunden er seitens seiner Mitarbeiter dulden muss. Sieht der Arbeitsvertrag hierzu keine Details vor, wird der Arbeitnehmer im Prinzip schon bei einer kleinen Abweichung „vertragsbrüchig“.
Also selbst eine einmalige Überschreitung der Mittagspause um eine halbe Stunde kann bereits ausreichen, um zur Abmahnung oder Kürzung des Gehalts zu berechtigen.
Teilweise gibt es einzelvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen dazu, wie viele Minusstunden geduldet werden. Zum Beispiel: Jeder Mitarbeiter darf seine Arbeitszeit um bis zu 16 Stunden über- oder unterschreiten. Dies ist vor allem bei Gleitzeitvereinbarungen und ähnlichen flexiblen Arbeitszeitmodellen üblich.
Wann der Arbeitgeber Minusstunden vom Gehalt abziehen darf
Häuft der Mitarbeiter mehr selbst verschuldete Minusstunden an, als erlaubt ist, darf der Arbeitgeber diese vom Gehalt abziehen. Soweit im Betrieb ein Ausgleichszeitraum besteht, innerhalb dessen er die Stunden nachzuarbeiten hat, muss dieser abgelaufen sein. Der Lohnabzug ist nicht zulässig, wenn die Minusstunden in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen.
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber darauf achten, dass er die monatliche Pfändungsfreigrenze des Mitarbeiters nicht unterschreitet. Diese beträgt aktuell mindestens 1.491,75 Euro monatlich (ab 1. Juli 2024), mehr bei vorliegenden Unterhaltsverpflichtungen.
Sie dient der Sicherung des Existenzminimums. Liegen also sehr viele Minusstunden vor, muss die Lohnkürzung gegebenenfalls verteilt über mehrere Monate erfolgen.
Um die Lohnkürzung zu umgehen, tendiert mancher Arbeitnehmer dazu, die Minusstunden einfach mit übrigen Urlaubstagen zu verrechnen. Dies ist allerdings arbeitsrechtlich nicht haltbar. Urlaub darf lediglich für künftige Zeiträume genommen, nicht aber nachträglich genehmigt werden.
Minusstunden & Kündigung: Verfallen die Stunden?
Kündigt ein Arbeitnehmer und hat noch Minusstunden auf seinem Arbeitszeitkonto, kann der Arbeitgeber diese mit der letzten Lohnabrechnung einbehalten. Aber auch hier sind die Pfändungsfreigrenzen einzuhalten. Der Abzug ist nur bei zulässig, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden verursacht hat.
Etwas schwieriger ist die Situation gelagert, wenn es sich um eine schwangere Mitarbeiterin handelt. Da während der Schwangerschaft Einschränkungen bei Überstunden gelten, ist es oft nicht mehr möglich, bestehende Minusstunden vor dem Mutterschutz nachzuarbeiten.
In diesem Fall dürfen diese ebenfalls vom Lohn abgezogen werden. Die Minusstunden in Form zusätzlicher Arbeitstage auf den Mutterschutz anzurechnen oder währenddessen nacharbeiten zu lassen, ist nicht zulässig.
Voraussetzung für einen Lohnabzug ist jedoch immer, dass ein Arbeitszeitkonto vorhanden ist, das die Minusstunden detailliert erfasst. Unterstützung erhalten Arbeitgeber durch leistungsfähige HR-Software mit durchdachten Zeitwirtschaftsfunktionen, die die Arbeitszeit der Mitarbeiter detailliert mit Beginn, Ende und Lage der Mittagspause erfasst. Sie kann die gearbeiteten Wochenstunden automatisiert errechnen und angefallene Minusstunden erfassen.
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