Neben der Arbeit mal eben die neuesten Posts auf Twitter checken? Im Homeoffice kurz mal zum Supermarkt, um Brot zu kaufen? Abends vom Sofa aus noch eben eine geschäftliche E-Mail beantworten? Lange Jahre waren Arbeitnehmer darauf bedacht, Berufliches und Privates so gut wie möglich voneinander zu trennen – Job ist Job und Privatleben ist Privatleben. Seit einiger Zeit ist jedoch ein Gegentrend erkennbar: die bewusste Verknüpfung von Beruf und Privatem. Aus Work-Life-Balance wird Work-Life-Integration.
Abgrenzung oder Integration?
Bereits seit vielen Jahren geistert die Work-Life-Balance als großes Ziel durch Deutschlands Personalabteilungen. Vollzeitmitarbeiter verbringen einen nicht unwesentlichen Teil ihres Lebens mit ihrer Arbeit und wünschen sich deshalb, im privaten Umfeld davon verschont zu bleiben. Ihren Feierabend und ihren Urlaub möchten sie ausschließlich der Familie widmen, ihren Hobbys nachgehen oder sich um ihren Haushalt kümmern.
Doch sehen wir uns das Konzept der Work-Life-Balance genauer an. Wann liegt diese Balance eigentlich vor? Wenn es uns gelingt, unsere Arbeit ohne Überstunden zu schaffen? Wenn wir es schaffen, die Anrufe des Chefs nach Feierabend zu ignorieren? Eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben ist unerlässlich, um die vermeintlich erstrebenswerte Work-Life-Balance zu erreichen.
Zu starre Arbeitszeiten können Stress verursachen
Dabei übersehen viele jedoch den Stress, den sie mit ihrem festen, klar abgegrenzten Arbeitstag hab. Die Eltern, deren Kind früher als geplant von der Schule nach Hause kommt. Der Arbeitnehmer, der ab und an seine Mutter zu einem Arzttermin bringen muss. Oder die Mitarbeiterin, deren Lieblings-Yoga-Kurs um zwei Stunden vorverlegt wurde. Zu starre Arbeitszeiten und enge Anforderungen des Arbeitgebers können Stress verursachen.
Was wäre, wenn man die Arbeit einfach auf später verschieben könnte, ohne sich dafür rechtfertigen oder ein schlechtes Gewissen haben zu müssen? Genau an diesem Punkt setzt die Work-Life-Integration an.
Work-Life-Integration: Arbeit und Privatleben verschmelzen
Die COVID-19-Pandemie hat die Verbreitung von alternativen Arbeitsmodellen wie Homeoffice und Remote-Work stark beschleunigt. Die fortschreitende Digitalisierung bietet unendliche Möglichkeiten, um den Arbeitsalltag individueller einzurichten.
Eltern können davon ein Lied singen: Während des Lockdowns arbeiteten sie vom Homeoffice aus, mussten aber zwischendurch immer wieder pausieren, wenn die Kinder Probleme mit der Homeschooling-Technik hatten oder sie ihnen die Matheaufgaben erklären mussten. Die verloren gegangene Arbeitszeit holten sie später am Nachmittag oder am Wochenende nach. Dadurch stieg zwar die Belastung insgesamt. Doch es gelang ihnen dadurch, ihren Beruf und ihr Privatleben zu vereinen.
Was 2020 und 2021 für viele Arbeitnehmer zwingend erforderlich war, um den Alltag bestreiten zu können, hat sich bewährt. Und so kommt es, dass immer mehr Arbeitgeber ihrer Belegschaft eine flexible Einteilung ihrer Arbeitszeit ermöglichen. Können die Mitarbeiter frei entscheiden, wann sie ihre Arbeit erledigen, können sie ihren Tag optimal ausnutzen. Zum Beispiel schon frühmorgens arbeiten, um nachmittags die Sonne im Garten genießen zu können. Oder die Mittagspause anders legen, um die Kinder vom Kindergarten abholen zu können. Oder einen Arzttermin im Terminkalender unterbringen, ohne dafür extra Urlaub nehmen zu müssen.
Work-Life-Integration in der Praxis umsetzen: So geht’s
Ehe Arbeitgeber das Kapitel Work-Life-Integration eröffnen können, müssen sie sich Gedanken darüber machen, wie viel Freiraum sie ihren Mitarbeitern zugestehen möchten. Hier gibt es eine riesige Bandbreite von simplen Gleitzeitmodellen mit Kernarbeitszeit bis hin zur völlig freien Vertrauensarbeitszeit. Und dann gibt es ja noch die Herausforderung der Dokumentation der Arbeitszeiten, die der Europäische Gerichtshof verpflichtend vorschreibt.
Entscheidend ist wie so oft nicht, was auf dem Papier geschrieben steht, sondern was gelebt wird. So ist in vielen Unternehmen Gleitzeit schon heute Standard. Aber der Abteilungsleiter verlangt von seinen Teammitgliedern dennoch, dass sie von 8.00 bis 16.00 Uhr abwesend sind, und schreibt die Lage der Mittagspause vor. Eine gute Kommunikation in alle Richtungen ist für eine sinnvolle Umsetzung der Work-Life-Integration zwingend erforderlich. Das gilt besonders, wenn in einer Abteilung eine feste Besetzung erforderlich ist, etwa um Öffnungszeiten abzudecken.
Um ihren Arbeitnehmern die Work-Life-Integration zu ermöglichen, können Arbeitgeber an diesem Punkten ansetzen:
- Flexible Arbeitszeiten: Ob Teilzeitmodell, Homeoffice, Remote-Work, Lebensarbeitszeit oder Vertrauensarbeitszeit, es gibt viele Möglichkeiten, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Arbeitgeber sollten ein Modell wählen, das zum Unternehmen ebenso wie zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter passt. Klassische, feste Arbeitszeiten haben in diesem Szenario ausgedient.
- Angebote für Familien: Der Arbeitgeber kann gezielt Anreize setzen, um Arbeitnehmer mit Kindern für das Unternehmen zu gewinnen und sie zu halten. So kann er etwa erlauben, die Kinder an Schließtagen in der Kita mit zur Arbeit zu bringen oder sogar gezielt Eltern-Kind-Büros einrichten. Auch organisierte Angebote wie Feriencamps oder Ferienbetreuungsangebote können den Eltern helfen, ihren Job und ihr Privatleben unter einen Hut zu bekommen.
- Persönliche Beziehungen: Arbeitgeber können Angebote schaffen, damit die Mitarbeiter gezielt miteinander Zeit verbringen und sich besser kennenlernen, ob After-Work-Partys, Teambuilding-Events oder gemeinsame kulturelle Aktivitäten.
- Sport & Gesundheit: Die betriebliche Gesundheitsförderung liegt klar im Trend – seit der Verbreitung des Homeoffice mehr denn je. Sportangebote, die am Arbeitsplatz stattfinden, passen perfekt in das Konzept der Work-Life-Integration. Die Arbeitnehmer müssen nicht mehr ihre wertvolle Erholungszeit am Abend für Sport opfern und der Arbeitgeber profitiert von gesünderen und fitteren Mitarbeitern.
Work-Life-Integration: Jedem das Seine!
Die Work-Life-Integration ist nicht für jedermann etwas. Eine Studie des Unternehmens awork, die Ende 2021 gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Appinio durchgeführt wurde, zeigt: Nur knapp ein Drittel der befragten Arbeitnehmer wünscht sich, dass Beruf und Privatleben miteinander verknüpft werden, während mehr als die Hälfte eine klare Abgrenzung bevorzugen.
Aufgabe des Arbeitgebers ist, Angebote und Optionen zu schaffen. Ob die Arbeitnehmer diese nutzen möchten, sollte ihnen selbst überlassen bleiben. So können sie bei Bedarf etwas Druck aus hektischen Arbeitstagen herausnehmen. Dennoch muss es ihnen schon aus Gründen des Arbeitsschutzes selbst obliegen, ob sie die Arbeit mit nach Hause nehmen wollen oder lieber im Büro lassen. Von Zeit zu Zeit nach Feierabend geschäftliche Telefonate anzunehmen, ist für viele kein Problem. Sinn und Zweck ist aber nicht, nach Feierabend jederzeit erreichbar sein zu müssen.
Hier sind Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gefragt, ein gewisses Maß an Integration zu ermöglichen, gleichzeitig aber trotz aller Flexibilität Grenzen zu ziehen.
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