In Unternehmen kann es Situationen geben, in denen ein schnelles Eingreifen erforderlich ist – selbst nach den regulären Arbeitszeiten. Deshalb bestimmen viele Arbeitgeber Mitarbeiter, die nachts oder am Wochenende eine Rufbereitschaft übernehmen. Im Notfall sind sie in kurzer Zeit bereit, die Arbeit aufzunehmen.
Was ist Rufbereitschaft?
Von Rufbereitschaft spricht man, wenn ein Mitarbeiter nach Ende seiner normalen Arbeitszeit erreichbar bleiben muss, um in bestimmten Fällen die Arbeit wieder aufzunehmen. Während dieser Rufbereitschaft dürfen die Mitarbeiter selbst bestimmen, wo sie sich aufhalten, müssen jedoch im Regelfall innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne bereit sein, die Arbeit anzutreten. Ebenso dürfen sie selbst wählen, wie sie ihre Freizeit verbringen. Lediglich der Genuss von Rauschmitteln ist nicht erlaubt.
Rufbereitschaft ist in Berufen üblich, in denen häufiger ein schnelles Eingreifen erforderlich ist, beispielsweise:
- ein IT-Servicetechniker, der den dauerhaften Betrieb wichtiger IT-Infrastruktur sicherstellen muss
- eine Sicherheitskraft, die auf eine Alarmmeldung reagieren muss
- Mitarbeitende im Gesundheitswesen, die bei zu starker Belastung einspringen
- Heizungsbauer, die während der Störsaison im Winter kurzfristig auf Heizungsstörungen am Wochenende reagieren
- Personal in der Gastronomie, das bei unerwartet hohem Gästeaufkommen einspringt
Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden unter „Bereitschaft“ verschiedene Begrifflichkeiten vermischt. Beim Bereitschaftsdienst gilt die gesamte Dauer als Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer über seine Freizeitgestaltung nicht frei entscheiden kann. Arbeitsbereitschaft entsteht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, diese aber gerade nicht genutzt werden kann – etwa wenn in der Produktion eine Maschine stillsteht oder im Einzelhandel gerade kein Kunde in den Laden kommt. Diese Phasen dürfen nicht einfach als Pause verbucht werden. So lassen sich die drei Begriffe abgrenzen:
1. Rufbereitschaft
- Aufenthaltsort: Frei wählbar, solange die pünktliche Arbeitsaufnahme möglich ist;
- Arbeitszeit: Lediglich die tatsächliche gearbeitete Arbeitszeit (Bereitschaftszeit ist Ruhezeit);
- Vergütung: Vergütung von Einsätzen wie Arbeitszeit; ggf. pauschale Abgeltung der Rufbereitschaft.
2. Bereitschaftsdienst
- Aufenthaltsort: Vom Arbeitgeber bestimmt, meist vor Ort im Unternehmen;
- Arbeitszeit: Die gesamte Dauer der Bereitschaft;
- Vergütung: Vollständige Vergütung der gesamten Bereitschaftszeit als Arbeitszeit.
3. Arbeitsbereitschaft
- Aufenthaltsort: Am Arbeitsplatz;
- Arbeitszeit: Die gesamte Dauer der Bereitschaft;
- Vergütung: Vergütung als Arbeitszeit.
Wann Rufbereitschaft als Arbeitszeit gilt
Da der Arbeitnehmer bei der Rufbereitschaft weitgehend frei bestimmen kann, wie er seine Freizeit verbringt, gilt diese nicht als Arbeitszeit. Als Arbeitszeit vergütet werden lediglich Zeiten, in denen es tatsächlich zu einem Einsatz kommt. Die Fahrtzeit zählt hier nicht zur Arbeitszeit.
Im Regelfall vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen gewissen Rahmen für die Einsätze. Zum Beispiel muss ein Heizungsbauer im Stördienst die betroffenen Kunden innerhalb von zwei Stunden anfahren. Er kann seine Freizeit also so frei gestalten, dass er diese Frist einhalten kann. Ob er seine Rufbereitschaft zu Hause auf dem Sofa verbringt oder auf einer Geburtstagsfeier, spielt keine Rolle. Ein Wochenendtrip ins Ausland ist hingegen nicht drin.
Schränkt diese Vereinbarung die Freizeitgestaltung zu stark ein, kann die Zeit der Rufbereitschaft hingegen doch als Arbeitszeit gewertet werden. Dies zeigte sich etwa in einem Urteil des EuGH zur Situation eines Feuerwehrmanns. Dieser klagte auf Anerkennung der Rufbereitschaft als Arbeitszeit. Er hatte die Vorgabe, innerhalb von 20 Minuten in voller Montur und mit Einsatzfahrzeug am Einsatzort eintreffen zu müssen. Dies beurteilten die EuGH-Richter als zu knapp – und sahen die Rufbereitschaft als zu vergütende Arbeitszeit an (Urteil des EuGH vom 9. März 2021, Az. C-580/19).
Vergütung der Rufbereitschaft
Grundsätzlich muss die Rufbereitschaft an sich nicht vergütet werden, da die Bereitschaftszeit als Ruhezeit eingestuft wird. Wenn der Arbeitnehmer zum Einsatz gerufen wird, ist er grundsätzlich mit der vertraglich vereinbarten Vergütung zu entlohnen. Je nach Zeitpunkt des Einsatzes können Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit infrage kommen.
Viele Arbeitgeber entscheiden sich jedoch, die Arbeitnehmer auch für die Bereitschaft zu entlohnen, Rufbereitschaftsdienste zu übernehmen. Dies geschieht dann häufig über eine vereinbarte Pauschale. Die Arbeitszeit wird dann zusätzlich bezahlt.
Arbeitsrechtliche Themen rund um die Rufbereitschaft
Zur Rufbereitschaft mangelt es im deutschen Arbeitsrecht an konkreten Detailregelungen. Entsprechend stellen sich Arbeitgebern und -nehmern hier in der Praxis häufig arbeitsrechtliche Fragestellungen.
Ablehnung der Rufbereitschaft
Arbeitnehmer müssen die Anordnung einer Rufbereitschaft nicht zwingend hinnehmen, wenn diese nicht vertraglich vereinbart wurde. In entsprechenden Branchen, in denen diese Dienste üblich sind, werden sie jedoch häufig bereits im Arbeitsvertrag vereinbart oder in Betriebsvereinbarungen geregelt. Dann käme die Ablehnung einer angeordneten Rufbereitschaft einer Arbeitsverweigerung gleich. Dies kann der Arbeitgeber mit einer Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar mit einer Kündigung ahnden.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Die Anordnung von Rufbereitschaft betrifft Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG muss der Betriebsrat mitbestimmen dürfen. Dies umfasst einem BAG-Urteil zufolge auch das Erstellen eines Rufbereitschaftsplans (Urteil vom 21. Dezember 1982, Az. 1 ABR 14/81).
Häufigkeit der Rufbereitschaft
Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben dazu, wie häufig Rufbereitschaftsdienste erlaubt sind. Schon aus eigenem Interesse sollten Arbeitgeber jedoch darauf achten, diese etwa nach dem Rotationsprinzip soweit möglich auf viele Schultern zu verteilen. Dabei sollten sie auch Besonderheiten wie weite Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder Betreuungspflichten berücksichtigen. Unzufriedenheit wegen zu vieler Rufbereitschaftsphasen führt schnell zu Kündigungen.
Rufbereitschaft und Ruhezeit
Nach § 5 Abs. 1 ArbZG steht Arbeitnehmern nach ihrer täglichen Arbeit eine ununterbrochene Mindestruhezeit von elf Stunden zu. Kommt es nachts zu einem Einsatz während der Rufbereitschaft, ist die Ruhezeit unterbrochen. Sofern diese länger als wenige Minuten dauert, beginnen die elf Stunden erneut zu laufen. Bei einem Einsatz von 2 bis 4 Uhr morgens dürfte der Arbeitnehmer nicht am nächsten Morgen zur Arbeit kommen, sondern erst ab 15 Uhr seinen Dienst antreten.
Überschreitung der Arbeitszeit
Einsätze während der Rufbereitschaft sind nur zulässig, wenn dadurch die Dauer der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit nicht überschritten wird (maximal 10 Stunden pro Tag / 60 Stunden pro Woche).
Verstöße gegen Sonn- und Feiertagsruhe
Einsätze während der Rufbereitschaft an Sonntagen und Feiertagen können zulässig sein. Wenigstens 15 Sonntage im Jahr müssen jedoch frei sein (§ 11 Abs. 1 ArbZG).